

Vergabe der WM 2006 "Der Franz hat gesagt..."

"Der Franz hat gesagt, dass alles sauber war": Franz Beckenbauer (Archiv)
Foto: REUTERSEs gab einmal einen Fußball, der roh, ungestüm und romantisch war. Schon damals, das wissen wir heute, war das Spiel nicht besser als das Leben: Es wurde gewettet, auch schon gedopt, und Schiedsrichter wurden gekauft. Aber damals, als wir Kinder waren, fühlte sich Fußball mit seinen Zuspitzungen und Zufällen leidenschaftlicher und manchmal sogar wirklicher als die Wirklichkeit an. Fußball ist heute ein großartiges Spiel, technisch besser denn je und rasant, doch faltenfrei poliert und entseelt und korrupt, denn das Spiel ist in der Hand einer Clique, die es ausschlachtet. Was ist passiert?
Einige wenige Geschäftemacher, erstens, haben sich den Fußball früh einverleibt. Das begann mit Robert Schwan in München und Horst Dassler bei Adidas, setzte sich fort mit Leo Kirch und Rupert Murdoch, jenen Männern also, die eher als andere das wirtschaftliche Potenzial des schönen Spiels verstanden.
Einige Funktionäre, zweitens, wurden dann in ihre Ämter geweht und waren den Wandlungen nicht gewachsen. Die Fernseh- und Sponsorenmilliarden und mit ihnen die Scheinwerfer der Weltöffentlichkeit erreichten den Planeten Fußball in den Neunzigerjahren mit solcher Wucht und solcher Helligkeit, dass dieser sich nicht vorbereiten und später kaum mehr anpassen konnte oder wollte.
In der Politik wäre ein Mann wie Blatter unwählbar
Und jetzt ist es, drittens, auf diesem Planeten so, wie es eben ist: Jeder, der Mitglied der Clique ist, profitiert davon, und jeder, der das System hinterfragt, gilt als Feind und wird abgestoßen. In anderen Welten, beispielsweise in der Politik, wäre Joseph Blatter unwählbar und Wolfgang Niersbach nicht gut genug, und Herren wie Alfred Draxler, Chefredakteur von "Sport Bild" und zugleich Franz Beckenbauers Förderer und Schützling, oder auch Helmut Markwort, "Focus"-Herausgeber und bis ins hohe Alter Verwaltungsbeirat des FC Bayern, würden dort als Fans und Handlanger der Regierenden entlarvt werden.
"Unser Sommermärchen", "der Franz hat gesagt, dass alles sauber war" - so etwas hört man nur in der Fußballwelt. Nur hier kommen so unglaublich viel Geld und so amateurhafte Strukturen zusammen. Und, natürlich, nur mit Fußball ist das Volk so leicht zu verführen: Ein Tor, bitte schießt endlich dieses eine verdammte Tor - und dann schießen sie's, und alles ist verziehen.
Alles? Gesetze gelten auch für den Sport, und der Wettstreit innerhalb eines Regelwerks ist die Idee des Sports. Falls ein Märchen mit schwarzen Kassen zustande kommt, bleibt es davon nicht unberührt; es ist dann leider keines mehr. Der Zweck heiligt nur in Diktaturen, aber in keiner Demokratie, in keiner internationalen Organisation und nicht einmal auf dem Planeten Fußball die Mittel: Schwarze Kassen oder Korruption höhlen jedes System aus, und hinterher ist es leider nur noch Hülle.
Der Fußball und auch der Deutsche Fußball-Bund müssten eigentlich die Kraft haben, sich zu verändern. Das viele Geld sollte für die professionelle Erneuerung ausreichen, für bezahlte und obendrein kompetente Manager (und nicht mit Rententricks versorgte Ehrenamtliche) sowie für Kontrolleure, die den Namen verdienen. Wenn sie die Chance nutzte, könnte sich sogar die Fifa Strukturen geben, die ihrer Macht entsprächen. Und Leidenschaft und Kritik sind ja auch keine Gegensätze: Niemand zwingt Spieler, Sportjournalisten und Zuschauer, den Verstand vor der Arena auszuschalten.