Krise bei den Bayern Das Grollen der Granden

Es ist der schlechteste Bundesliga-Start seit 44 Jahren - dennoch genießt Bayern-Trainer Louis van Gaal "vollstes Vertrauen" bei der Münchner Führung. Dafür geraten die Spieler in die Kritik. Einige müssen sich Sorgen um ihre Zukunft beim Deutschen Meister machen.
Von Jan Reschke
Krise bei den Bayern: Das Grollen der Granden

Krise bei den Bayern: Das Grollen der Granden

Foto: AP

Beim FC Bayern München gibt es bestimmte Mechanismen, die Aufschlüsse darüber zulassen, wie es um die Situation des Vereins bestellt ist. Wenn sich Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß in kurzer Folge öffentlich wortgewaltig äußern, liegt meist etwas im Argen. Schlimmer ist es - wenn man den Aussagen Hoeneß' glauben mag - nur, wenn sie schweigen. Im Argen liegt derzeit einiges: Und das ist angesichts des schlechtesten Bundesliga-Starts seit der Spielzeit 1966/1967 noch reichlich untertrieben. Entsprechend deutlich fielen denn auch die Reaktionen der Bayern-Granden aus.

Zum nun schon auf 13 Punkte angewachsenen Rückstand der Münchner auf Tabellenführer Mainz sagte Hoeneß: "Das ist für den FC Bayern der Super-GAU!" Nicht minder drastisch drückte es Rummenigge auf einer Pressekonferenz am Montag aus. "Jetzt stecken wir in der Scheiße, jetzt müssen wir zusehen, dass wir aus der Scheiße wieder rauskommen." Aufrüttelnde Aussagen.

Die allerdings entgegen den branchenüblichen Gepflogenheiten nicht Trainer Louis van Gaal gelten, mit dem der Vertrag erst kürzlich vorzeitig verlängert wurde und über den Rummenigge sagt: "Wir sind von der Philosophie und Qualität des Trainers total überzeugt." Seine Botschaft richtet sich vielmehr ganz eindeutig an die Spieler. In einer ersten Konsequenz wurde der geplante Besuch des Teams beim Münchner Oktoberfest abgesagt. "Wenn man verliert, ist es nicht angebracht, dass man sich auf der Wies'n mit der Maß zuprostet, das wäre nicht das richtige Zeichen gewesen. Deshalb hat der Vorstand das so beschlossen", sagte Rummenigge. Van Gaal nutzte die Absage, um stattdessen ein Training anzusetzen. Für Rummenigge "die logische Konsequenz. Man muss hart arbeiten, nicht feiern."

"Da müssen eben auch mal andere in die Bresche springen"

Bislang war über die Spieler stets die schützende Decke gelegt worden. Die kräftezehrende WM, die schwierige Vorbereitung, die Verletzungen der Stars Arjen Robben und Franck Ribéry, all das gilt als Argument nun nicht mehr. "Es muss Schluss sein damit, ständig zu trauern und den beiden nachzujammern. Da müssen eben auch mal andere in die Bresche springen", sagte ein aufgebrachter Hoeneß nach der Partie in Dortmund. "Es ist endgültig der Zeitpunkt gekommen, dass wir den Mantel der Nächstenliebe weglegen und die Dinge deutlich ansprechen. Sonst gibt es ein böses Erwachen."

Die Aussagen dürften nach dem Dortmund-Spiel besonders auf die Leistung von Innenverteidiger Martin Demichelis zielen, der nach seiner Einwechslung für den verletzten Daniel van Buyten gleich an beiden Gegentreffern schuldhaft beteiligt war. Pikant: Noch zu Beginn der Saison hatte er in der Öffentlichkeit einen Stammplatz eingefordert - warum er den nicht bekommen hat, bewies er beim BVB eindrucksvoll. Es war das erste Mal in dieser Saison, dass er eine ganze Halbzeit durchspielen durfte, wohl auch vorerst seine letzte.

Doch auch andere Reservisten machen den etablierten Kräften zu wenig Druck und rechtfertigen selbst ihre sporadischen Einsatzzeiten nicht. Allen voran Stürmer Mario Gomez, der sich in Dortmund zwar mühte, aber ebenso wie seine Sturmkollegen Miroslav Klose und Ivica Olic noch keinen einzigen Bundesliga-Treffer erzielen konnte.

Der endgültige Beweis, beim FCB nicht mehr gebraucht zu werden

Im defensiven Mittelfeld sind Bastian Schweinsteiger - der jetzt auch noch verletzt für die kommenden Spiele in der Nationalmannschaft ausfällt - und Mark van Bommel konkurrenzlos. Einzig Schweinsteigers Versetzung ins offensive Mittelfeld spülte Danijel Pranjic gegen den BVB in diesem Mannschaftsteil ins Team; einen Spieler, der im Normalfall außen zum Einsatz kommt.

Fotostrecke

Fotostrecke: BVB verkloppt FCB, der VfB verzweifelt

Foto: Martin Meissner/ AP

Für die eigentlichen Vertreter auf der Sechserposition, Andreas Ottl und Anatolij Timoschtschuk, der endgültige Beweis, beim FCB nicht mehr gebraucht zu werden. Lediglich Edson Braafheid, der für den verletzten Diego Contento auf der linken Abwehrseite auflaufen durfte, zeigte als einziger Reservist, dass man ihn noch nicht gänzlich abschreiben sollte.

Doch die Kritik der Bayern-Führung richtet sich auch an die etablierten Kräfte. Wenn Hoeneß sagt, dass "einige nach der tollen Vorsaison und der WM mit der Höhenluft nicht zurechtkommen", meint er Thomas Müller, Schweinsteiger, van Bommel und Co. Auch ihre Leistungen sind weit weg von denen der vergangenen Spielzeit, in der das Team begeisternden Offensivfußball gezeigt hatte.

Unmittelbare Folgen im Anschluss an die Saison werden die bisherigen Darbietungen wohl dennoch eher für diejenigen im Kader haben, deren Verträge auslaufen: Hamit Altintop, Klose, Ottl und van Bommel. Als Rummenigge darauf angesprochen wurde, ob das vorhandene Personal zur Bewältigung der Krise reiche, oder ob neue Spieler her müssten, sagte der: "Ich bin immer bereit, jedem eine zweite Chance zu geben. Alles andere wird frühestens in der Winterpause entschieden - auch Vertragsverlängerungen." Den Zusatz hatte er mit Bedacht gewählt.

Was in diesen unruhigen Tagen auch immer deutlicher wird: Hoeneß und Rummenigge sind noch immer die Lenker des Vereins. Manager Christian Nerlinger ist derzeit ein wenig gefragter Gesprächspartner bei den Journalisten. Was soll er auch sagen? Etwas zu seinen verpflichteten Spielern? Wohl kaum - es gibt ja keine. Etwas zu den Vertragsverlängerungen? Hat Rummenigge für ihn erledigt. Und die Lösung der misslichen Lage hatte der Vorstandschef ebenfalls schon vorgegeben: "Gewinnen, auf Teufel komm raus."

Mit Material des sid
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren