Krisenklub Frankfurt Hoffen auf den Fußballgott

Alex Meier
Foto: Alexander Hassenstein/ Bongarts/Getty ImagesEin kleiner Satz von Christoph Kramer reichte, um den Kern dieses viel zu deutlichen 3:0-Sieges gegen Eintracht Frankfurt zu beschreiben. "Es ist schwer, aus Serien rauszukommen", sagte der Mittelfeldspieler und meinte damit in erster Linie den Glückslauf seiner Leverkusener, die zum fünften Mal in Folge gewonnen hatten, am Ende der Partie aber nicht genau wussten, warum eigentlich. Eine Siegesserie bringe eben Glück, überlegte Kramer und verwies auf den Schlüsselmoment des Nachmittags.
Sonny Kittel hatte nach knapp einer Stunde einen technisch hochklassigen, aber mit etwas zu viel Risiko ausgeführten Schuss auf das Leverkusener Tor abgefeuert und das Ziel aus zwölf Metern um wenige Zentimeter verfehlt. Es war ein Moment, den Reporter gerne in die Kategorie "Den muss er machen" einsortieren, und Kramer behauptete: "Vor zwei Monaten wäre dieser Schuss garantiert reingegangen". Damals erlebten die Leverkusener ihre längst beendete Krisenzeit, inzwischen leiden die Frankfurter unter einem Lauf der vergebenen Großchancen.
Das Glück, das der Eintracht fehlt, hatte dann Bayer, als ein komplizierter Volleyschuss von Kevin Kampl ins Frankfurter Tor geflogen war. Der zuvor sieben Wochen lang verletzte Spieler war erst 24 Sekunden auf dem Platz und hatte noch keinen Ball berührt. So ist das, wenn es läuft. Diese beiden Momente entschieden das Spiel, die Gründe für den bedrohlichen Frankfurter Absturz haben aber nicht alleine mit Glück und Pech zu tun.
Ernüchternde Bilanz für Kovac
Das Team, das nach Siegen der Konkurrenz nun schon vier Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz hat, wirkt seit Wochen uninspiriert. Man kann das auf dem Rasen sehen, aber auch die Spielanalyse klang irgendwie vorschriftsmäßig.
Wäre ein Phrasenschwein vor Ort gewesen, hätte Trainer Nico Kovac ein kleines Vermögen bezahlt für Sätze wie: "Wir haben uns nicht belohnt", "Wir werden bis zum letzten Atemzug kämpfen", "Es sind Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen" oder "Wir haben jetzt vier Endspiele". Einen psychologischen Kniff, der eine neue Perspektive eröffnet, der frischen Glauben weckt, hatte er in seinen öffentlichen Aussagen nicht zu bieten.
Die Frankfurter sind vermutlich nicht die schlechteste Mannschaft, aber die mentale Verfassung des Tabellenvorletzten ist bedenklich. Kapitän Marco Russ sprach von einer "riesig gefährlichen Situation" und berichtete, dass die Mannschaft inzwischen "genauso viel Angst wie die Fans" vor dem Abstieg habe. Insofern verwundert es, dass Kovac kein Interesse an der Hilfe von Experten hat, die die Spielern dabei unterstützen könnten, mit dem Druck und dem permanenten Versagen vor des Gegners Tor umzugehen.
Fünf Spiele ist Kovac nun Trainer in Frankfurt, vier davon gingen verloren, jeweils ohne eigenen Treffer. Das einzige Tor gelang dem Team unter dem Deutsch-Kroaten beim 1:0-Sieg gegen den Tabellenletzten aus Hannover, nun erklärte er: "Manche werden sagen, wir sollen die Spieler zum Psychiater oder Psychologen schicken, aber die Dinge sind im Fußball nicht immer erklärbar." Der Lösungsansatz besteht vor allem in der Hoffnung auf Alex Meier.
Hoffen auf Meier
Der Stürmer, der seit 2004 für die Eintracht spielt und von den Fans liebevoll Fußballgott genannt wird, hat ein Ödem im Knie. Er könne zwar "keine Prognose darüber abgeben", wie lange die Genesung noch dauern wird, sagte Kovac, Zuversicht verbreitete er dennoch: "Ob Alex schon gegen Darmstadt zurück sein wird oder etwas später, kann ich nicht sagen." Das klingt nicht ganz hoffnungslos, die Partie in Darmstadt ist für den übernächsten Samstag angesetzt. Und es ist klar, dass die Frankfurter dringend neue Offensivenergie brauchen, damit ordentliche Leistungen wie die in Leverkusen auch mal Erträge abwerfen.
Das war bei den lange Zeit ziemlich enttäuschenden Rheinländern nicht nur wegen der Chance von Sonny Kittel möglich, in anderen Momenten waren die Angreifer Haris Seferovic, Stefan Aigner oder Luc Castaignos nach Unaufmerksamkeiten in der Bayer-Defensive mehrfach günstiger postiert als ihre Gegenspieler. "Wenn wir ein bisschen zielstrebiger und cleverer wären, wären wir da zwei, drei Mal alleine auf das Leverkusener Tor zugelaufen", sagte Russ.
Doch in diesem Momenten waren die Frankfurter zu langsam im Kopf und auf den Beinen. Und das hat ganz sicher nichts mit Glück, Pech und irgendwelchen Serien zu tun gehabt.