Kroatiens Triumph gegen Argentinien Plötzlich ein Titelkandidat

Javier Mascherano (l.), Luka Modric
Foto: MARTIN BERNETTI/ AFPDie Szene des Spiels: Minute 53 in Nischni Nowgorod. Willy Caballero, der 36-jährige Keeper der argentinischen Nationalelf, will den Ball nach einem Rückpass locker über den heransprintenden Ante Rebic hinweg auf den rechten Flügel lupfen - trifft den Ball aber nicht voll. Der Frankfurter Rebic - mit dem grenzenlosen Selbstvertrauen aus dem siegreichen DFB-Pokalfinale - traut sich den anspruchsvollen Drehvolley zu und erzielt ins leere Tor den Führungstreffer für Kroatien. Davon erholte sich Argentinien nicht mehr.

Ante Rebic (l., Nummer 18), Willy Caballero
Foto: IVAN ALVARADO/ REUTERSDas Ergebnis: Kroatien gewinnt 3:0 (0:0) gegen Argentinien. Ja, wirklich! Hier geht's zum Spielbericht.
Die erste Hälfte: Begann mit einer Riesenchance für Kroatien. Ivan Perisic zwang Argentiniens Keeper Caballero nach nur vier Minuten zu einer ersten starken Parade. Anschließend hatten die Südamerikaner mehrere Chancen: Lionel Messi verpasste knapp (12.), Maximiliano Mezas Versuch wurde abgeblockt (13.), eine missglückte Flanke von Marcos Acuña senkte sich auf die Torlatte (21.), Enzo Pérez schob den Ball schließlich nicht nur am geschlagenen Keeper, sondern auch am linken Pfosten vorbei (30.). Zugegeben, das liest sich alles spektakulärer, als es wirklich war. Auf das kroatische Tor kam kein einziger Ball.
Schachbrett-Fußball: Die klareren Chancen hatten die Kroaten. Mario Mandzukic setzte einen Kopfball knapp am argentinischen Tor vorbei (33.), Rebic verdaddelte kurz vor der Pause mit einer schlechten Ballannahme das mögliche 1:0 (45.+2). Der flache Diagonalpass von Luka Modric, der der Aktion von Rebic vorausgegangen war, rechtfertigte übrigens allein die lange Anreise ins frühere Gorki. Taktisch waren die Kroaten perfekt auf ihren Gegner eingestellt, technisch waren sie ebenbürtig.
Kroatien ist die Frankfurter Eintracht der Nationalteams. Nicht beliebt, aber sensationell aggressiv und dabei fußballerisch gut veranlagt - weshalb es einfach Spaß macht zuzuschauen. SO mag ich Fußball. #argkro #argcro #teamrebic
— Swen Thissen (@swen) June 21, 2018
Die zweite Hälfte: Startete mit Caballeros Slapstick-Einlage und Rebics Volley in die WM-Geschichtsbücher. Der neue Spielstand trieb die Argentinier in der Folge an, zumindest kurz. Gonzalo Higuaín und Cristian Pavón kamen, schließlich auch Paulo Dybala. Die beste Chance zum Ausgleich verstolperten allerdings Meza und Messi im traurig-orientierungslosen Paartanz am kurzen Pfosten (64.). Eine gute Viertelstunde später versenkte dann Modric einen Distanzschuss im argentinischen Tor (80.). Und damit auch wirklich keine Diskussionen aufkommen, ob dieser Erfolg nun in Ordnung geht, schob Rakitic in der Nachspielzeit lässig zum 3:0-Endstand ein (90.+3).
1 - This was Argentina’s heaviest defeat in the first round group stages of a World Cup tournament since losing 1-6 to Czechoslovakia in 1958. Crushed. #ARG #CRO #ARGCRO
— OptaJoe (@OptaJoe) June 21, 2018
Messi und zehn andere: Natürlich stand Lionel Messi auch diesmal wieder im Fokus. Elfmal hatte der Superstar vom FC Barcelona im Auftaktspiel gegen Island (1:1) in Richtung des gegnerischen Tors geschossen, öfter als jeder andere Spieler am ersten WM-Spieltag. "Messi ist 50 Prozent der argentinischen Mannschaft", hatte Frankfurts kroatischer Stürmer Rebic vor dem Spiel erklärt. "Wenn wir ihn stoppen können, haben wir eine gute Chance." Gesagt, getan, Messi hatte in 90 Minuten die viertwenigsten Ballaktionen aller argentinischen Startelfspieler - und diesmal auch nur einen einzigen Torschuss.

Argentiniens Pleite gegen Kroatien: Ins argentinische Herz
Die Hand Gottes: Diego Armando Maradona, das inoffizielle Maskottchen der argentinischen Nationalmannschaft, verfolgte das Spiel gegen Kroatien ganz entspannt von der Tribüne. Na ja, so entspannt "El Pibe de Oro", der Goldjunge, das eben kann. (Ja, wir machen uns Sorgen. Nicht nur um die aktuelle Spielergeneration Argentiniens.)

Diego Maradona, 57, unter Strom
Foto: MATTHEW CHILDS/ REUTERSErkenntnis des Spiels I: Haben Sie auch gern einen WM-Geheimfavoriten? Nervt es Sie, dass Sie nicht mehr "Belgien" sagen können, weil das mittlerweile alle tun? "Kroatien" wäre bis zum Donnerstagabend ein guter Ausweichtipp gewesen - das funktioniert nach einem souveränen 3:0 gegen den Vizeweltmeister und der vorzeitigen Qualifikation fürs Achtelfinale aber auch nicht mehr wirklich. Sagen Sie halt "England", "Uruguay" oder "Senegal". Und flüstern Sie dabei einfach, das wirkt immer sehr wissend.
Erkenntnis des Spiels II: In vier Jahren kann so viel passieren. 2014 standen die Argentinier im WM-Finale, 2018 stehen sie vor dem Vorrunden-Aus. In eigener Hand haben es Messi und Co. schon nicht mehr: Gewinnen die Isländer ihre verbleibenden zwei Spiele gegen Nigeria (Freitag, 17 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) und bereits für die K.-o.-Phase qualifizierte Kroaten, war es das. Ohne Wenn und Aber. Schwacher Trost: Argentinien könnte nicht der einzige Finalteilnehmer von 2014 sein, der vorzeitig abreisen muss.
Argentinien - Kroatien 0:3 (0:0)
0:1 Rebic (53.)
0:2 Modric (80.)
0:3 Rakitic (90.+1)
Argentinien: Caballero - Mercado, Otamendi, Tagliafico - Salvio (56. Pavón), Mascherano, Pérez (68. Dybala), Acuña - Messi, Meza - Agüero (54. Higuaín)
Kroatien: Subasic - Vrsaljko, Lovren, Vida, Strinic - Rakitic, Brozovic - Rebic (57. Kramaric), Modric, Perisic (82. Kovacic) - Mandzukic (90.+2 Corluka)
Schiedsrichter: Ravshan Irmatov (Usbekistan)
Gelbe Karten: Acuna, Mercado, Otamendi / Rebic, Mandzukic, Vrsaljko
Zuschauer: 44.000 (Nischni Nowgorod)