Football Leaks Die wahre Geschichte des ach so wohltätigen Lionel Messi

Barcelonas Superstar hat zwei Stiftungen, die bedürftigen Kindern helfen soll. Doch interne Dokumente mehren nun Zweifel an den gemeinnützigen Einrichtungen.
Fußballprofis Ronaldo (l.) und Messi

Fußballprofis Ronaldo (l.) und Messi

Foto: Alejandro Garcia/ picture alliance / dpa

Mit durchgedrücktem Kreuz sitzt der Sicherheitsmann hinter seinem Schreibtisch und starrt auf ein halbes Dutzend Monitore. Neben ihm, an der Wand, hängt eine Tafel mit 13 Firmennamen. Eine davon müsste die Stiftung Lionel Messis sein, schließlich ist dies hier die Adresse, die die gemeinnützige Organisation des argentinischen Fußballstars in ihren Verträgen nennt. Doch der Name fehlt auf der Tafel, nur Eingeweihte finden die Spur: Limecu. Ein Unternehmen von Messis Vater Jorge, elfter Stock.

Der Aufzug kriecht nach oben. Dort, wo Limecu sitzt, glitzern silberne Buchstaben an einer Holzwand: "Fundación Leo Messi - elegí creer", was so viel heißt wie: "Stiftung Leo Messi - ich wählte den Glauben".

Hier soll es nun also zu finden sein, das Spenderherz von Lionel Messi: in einem Hochhaus im Zentrum von Rosario, Provinz Santa Fe, Argentinien. In der Nähe des Bürogebäudes wuchs der Dribbelkünstler in einfachen Verhältnissen auf. Heute ist er der bestbezahlte Fußballer der Welt, verdient mehr als 100 Millionen Euro im Jahr und schmückt sich damit, auch jene an seinem Reichtum teilhaben zu lassen, die weniger Glück im Leben hatten als er: Kranke, Arme, Bedürftige, vor allem benachteiligte Kinder.

Die Stiftung in Argentinien ist so etwas wie Messis Bank des guten Gewissens. Sponsoren bezahlen Millionen Dollar, damit der Superstar mit ihrem Geld die Welt ein bisschen besser macht. Eine schöne Vorstellung. Aber ist sie auch wahr?

Auf die Klingel der Stiftung reagiert niemand. Ein Schlitz neben der Tür erlaubt einen Blick auf verwaiste Schreibtische: keine Papiere, keine Kaffeetasse, keine Familienfotos. Der einzige Hinweis auf den Namensgeber der Stiftung ist eine lebensgroße Messi-Plastikfigur im Trikot des Nationalteams, die neben dem Eingang steht.

Das Stiftungsreich Leo Messis ist bei den Steuerbehörden einschlägig bekannt. In der Vorwoche enthüllte der SPIEGEL mit seinen Partnern des Recherchenetzwerks European Investigative Collaborations (EIC), dass der Fußballprofi 2016 rund zwölf Millionen Euro ans Finanzamt nachzahlte. Einer der Gründe waren Zahlungen seines Arbeitgebers, des FC Barcelona, an Messis spanische Stiftung in Höhe von rund 7,5 Millionen Euro. Die Finanzbehörden waren der Auffassung, dass der Spieler das Geld als Teil seines Einkommens hätte versteuern müssen.

Der Aufzug klingelt. Heraus kommt der Sicherheitsmann, er schaut grimmig, sagt mit tiefer Stimme, es sei verboten, hier herumzustreunen, Privatetage, sofort mitkommen! Unten, zurück an seinem Posten vor den Monitoren, wird er gesprächiger. "Manchmal ist jemand für ein paar Stunden hier, aber sehr unregelmäßig." Er tippt auf einen der Bildschirme, der das Parkhaus zeigt: "Das ist der Stammplatz von Messis Vater Jorge. Er kommt selten hierher und geht noch seltener in die Stiftung. Meistens parkt er nur seinen großen, verdunkelten BMW und geht dann zu Fuß in die Stadt", sagt der Sicherheitsmann.

War Lionel Messi auch schon einmal hier? "Oh ja! Das ist aber schon etliche Jahre her. Er wusste damals nicht, in welchem Stockwerk die Stiftung ist und fuhr aus Versehen in die zehnte statt in die elfte Etage. Als er ausstieg, sind die Mädchen in den Büros da oben durchgedreht, sie haben ihn alle belagert und wollten Autogramme und Fotos. Danach war er nie wieder hier." Der Sicherheitsmann lacht sich kaputt.

Eine gemeinnützige Stiftung sammelt Geld von Spendern ein und reicht es an jene weiter, die es dringend benötigen. Ein nobles Modell, das auch von seiner Offenheit lebt. Denn Spender profitieren von Steuervergünstigungen, und Stiftungsinhaber sind angewiesen auf das Vertrauen, das Geldgeber in sie setzen.

Doch wer die Stiftungen und Firmen der Messis durchleuchtet, stößt auf ein Geflecht von Organisationen und Firmen, in Spanien, Argentinien und Großbritannien, mit Geldflüssen in Steueroasen - ein verzweigtes Imperium hinter dichtem Schleier, geleitet von Lionel Messis Bruder Rodrigo und Vater Jorge.

Der SPIEGEL hat monatelang recherchiert und Tausende Unterlagen zu Messis Stiftungsgeflecht ausgewertet, etliche davon stammen von der Enthüllungsplattform Football Leaks.

Die Geschichte des angeblichen Wohltäters Lionel Messi beginnt im April 2007. Vor einem Notar in Barcelona lässt er die Fundación Leo Messi gründen. Der Fußballprofi wird als Präsident eingetragen, Vater Jorge und Bruder Rodrigo firmieren als Beisitzer, der Anwalt Iñigo Juárez übernimmt den Posten des Geschäftsführers.

Juárez ist damals einer der ganz wenigen im Inner Circle der Messis, der nicht aus der Familie stammt. Mit seiner Kanzlei hat er Lionel und Jorge Messi seit dem Jahr 2006 dabei geholfen, in Steueroasen ein illegales System von Tarnfirmen aufzubauen, über die fortan die Werbeeinnahmen des Spielers vor dem Zugriff des Fiskus bewahrt wurden. So steht es im Urteil des Obersten Spanischen Gerichtshofs vom Mai 2017, das Lionel Messi in letzter Instanz wegen Steuerhinterziehung von mehr als vier Millionen Euro und seinen Vater der Beihilfe für schuldig befand.

Bei der Gründung belehrt der Notar die Runde über ihre gesetzlichen Pflichten, darunter die Eintragung beim Protectorado, der in Katalonien zuständigen Kontrollbehörde für Stiftungen. Doch es dauert bis zum 6. Juni 2013, ehe die Fundación Leo Messi rechtmäßig eingetragen wird.

Sechs Jahre unterm Radar. Wie kann das sein?

Auf Anfrage des SPIEGEL antwortet das Protectorado, dass den Messis im Jahr 2007 beim ersten Versuch, sich anzumelden, die nötigen Papiere fehlten. Später ließen sie Fristen verstreichen. Nach spanischem Recht ist eine Nichtregistrierung nicht zwingend ein Gesetzesbruch. Die Stiftung musste sich so lange auch nicht an die gesetzlichen Vorgaben für gemeinnützige Organisationen halten. So musste sie auch nicht 70 Prozent ihrer Einnahmen für karitative Zwecke ausgeben, wie es das spanische Recht sonst fordert.

Juristisch relevant wird die Nichtregistrierung vor allem dann, wenn eine Stiftung Steuervergünstigungen in Anspruch nimmt oder gewährt - etwa durch das Ausstellen von Spendenbescheinigungen. "Eine spanische Stiftung, die nicht registriert ist, darf keine Spenden quittieren", sagt Javier Martín Cavanna, Experte für spanisches Stiftungsrecht. Spender könnten in solchen Fällen nicht von Steuervergünstigungen profitieren, so Martín. Und: "Es könnte den Straftatbestand der Urkundenfälschung erfüllen, ohne die rechtlichen Voraussetzungen Spendenbescheinigungen auszustellen." Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt der Wirtschaftsjurist Albert Sanchez-Graells von der University of Bristol Law School: "Sollte die Messi-Stiftung vor 2013 steuermindernde Spendenbescheinigungen ausgestellt haben, hätte sie gegen spanische Steuergesetze verstoßen."

Genau dies scheint die Fundación Leo Messi getan zu haben. In den Football-Leaks-Dokumenten finden sich zahlreiche Hinweise darauf, dass die Messi-Stiftung schon lange vor ihrer offiziellen Anmeldung ihre Geschäfte aufgenommen hatte - und dass sie dabei fleißig Geld einsammelte.

Neben den Verträgen, die Lionel Messi mit dem FC Barcelona schloss, wurden auch Millionenzahlungen des Klubs an seine spanische Stiftung vereinbart. Die Agencia Tributaria, die zuständige Finanzbehörde in Barcelona, beziffert diese Zahlungen allein für die Jahre 2010 bis 2013 auf etwas mehr als 7,5 Millionen Euro.

Offenbar erst nachdem Betriebsprüfer den Klub aufgesucht und Unterlagen zur Versteuerung von Messis Stiftungsmillionen angefordert hatten, reichte die Fundación dem Klub die Rechenschaftsberichte für 2010 bis 2012 nach. Das war im Sommer 2016. Laut Vertrag mit dem FC Barcelona hätte die Stiftung jährlich ihre Bücher offenlegen müssen.

Auffällig ist, dass Messis spanische Stiftung außer Barça kaum einen potenten Geldgeber hat. Seit 2013 hat sie rund sieben Millionen Euro an Spenden eingenommen, knapp sechs Millionen davon kamen von dem Klub. 2016 war der FC Barcelona sogar der einzige Spender. Um Geld für karitative Zwecke auszugeben, hätte der FC Barcelona es auch direkt über die klubeigene Stiftung spenden können.

Im April 2016 hatten die Betriebsprüfer mal wieder einen Termin mit Vertretern des FC Barcelona. Sie wollten damals genau wissen, was es mit den Zahlungen des Klubs an die Messi-Stiftung in den Jahren vor ihrer Registrierung auf sich hatte.

Um einzuschätzen, was da bei den Finanzbehörden womöglich auf sie zurollte, beauftragten die Klubbosse einen externen Anwalt mit einer Risikoanalyse. Der Jurist lieferte seine Einschätzung Mitte Juni ab, dem SPIEGEL liegt ein Entwurf dieses Schreibens vor. Demnach hatte der Klub in seinen Steuererklärungen die Millionenzahlungen an die Messi-Stiftung als Spenden deklariert - und steuermindernd geltend gemacht. Die Fundación, das ergibt sich aus dem Papier des Anwalts, hatte dem Klub offenbar Spendenquittungen ausgestellt.

Gründungsurkunde der Messi-Stiftung: Null Einblick

Gründungsurkunde der Messi-Stiftung: Null Einblick

Foto: DER SPIEGEL

Dazu war sie bis zum Jahr 2013 nicht befugt. Das Protectorado, die katalanische Aufsichtsbehörde, hob gegenüber dem SPIEGEL hervor, dass eine Stiftung, die nicht registriert ist, "sich nicht auf eine steuerliche Sonderregelung berufen" könne.

Ein Dokument aus dem Innenleben des Klubs beleuchtet die Rolle des FC Barcelona in dieser Sache. Es ist der Compliance-Bericht für die Monate Juli bis September 2016. Dort heißt es: "Eine Untersuchung der Stiftung hätte es uns erlaubt herauszufinden, dass die Fundación Leo Messi ... nicht ordnungsgemäß registriert war." Wegen der aktuellen Betriebsprüfung bestehe nun ein "reales Steuerrisiko". Wenn der FC Barcelona die Millionen an die Messi-Stiftung vor 2013 als Spenden abgesetzt hat, wie die Football-Leaks-Unterlagen es nahelegen, hätte der Klub gegen spanisches Steuerrecht verstoßen. Die Untersuchung der Finanzbehörden gegen den FC Barcelona dauert bis heute an.

Verspätete Rechenschaftsberichte, womöglich illegale Spendenbescheinigungen und Steuervergünstigungen für die Spender - mit derart fragwürdigen Methoden hangelte sich die spanische Messi-Stiftung in Barcelona bis 2013 durch die Jahre.

Wer den Blick nach Südamerika wendet, trifft auf ein weiteres Stiftungsgeflecht des Fußballstars, das offenbar auf Verschleierung ausgerichtet war: die Fundación Leo Messi, nun aber mit dem Namenszusatz Argentina. Sie entstand im Sommer 2011 in Rosario als eigenständige Organisation. Die Stiftung in Barcelona, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht registriert war, half bei der Gründung mit 560.000 Euro Anschubfinanzierung nach.

Warum braucht Lionel Messi zwei fast namensgleiche Stiftungen?

Die Türen des Registeramts in Rosario öffnen kurz nach sieben Uhr. Die Gänge sind lang, im Deckenputz sind große Löcher, über die notdürftig blaue Plastiksäcke gestülpt wurden. Die Mitarbeiter sitzen hinter dickem Glas an Schreibtischen, die überladen sind mit Ordnern.

Eine einfache Anfrage zu den Bilanzen und den Verantwortlichen der Messi-Stiftung gleicht der Suche nach dem legendären Passierschein A 38 - wie einst Asterix und Obelix im "Haus, das Verrückte macht", bewegt man sich von einem Schalter zum anderen. Wortkarge Mitarbeiter reichen Formulare über den Tresen. Dann der Hinweis, sich nach dem Ausfüllen erneut in der Warteschlange anzustellen. Für jedes Formular wird eine Gebühr fällig. Fünfmal ist diese Prozedur zu überstehen, bis am Ende ein großer Mann mit mächtigem Oberlippenbart hinter der Scheibe auftaucht. Ein Blick auf das Formular: "Ah, Messi". Er nickt und verschwindet. Etwa 15 Minuten später trottet er zurück, mit zwei Karteikarten. Es sind belanglose Auskünfte zu anderen Firmen, an denen die Messis beteiligt sind. "Zur Stiftung haben wir keine Informationen, das müssen Sie auf unserer Internetseite nachschlagen."

Im Onlineregister findet sich immerhin der Name der Vizepräsidentin: Lionel Messis Mutter, Celia Maria Cuccittini. Ansonsten: keine Auflistung der Geschäftsführer, keine Angaben zur Bilanz, keine Hinweise auf die Spender. Null Einblick.

Die Website der Messi-Stiftung hingegen zeigt viele Fotos vom demütigen Superstar, der die Welt der Bedürftigen überall dort, wo er sie betritt, ein bisschen lebenswerter machen will.

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Ein Projekt, das die Messi-Stiftung medienwirksam inszenierte, führt zu seiner alten Grundschule in Rosario. Es ist ein in die Jahre gekommenes Gebäude. "Messi? Ja, ja, der hat sein Foto hierhin malen lassen", sagt eine der Lehrerinnen. Sie öffnet die Tür zum Hinterhof. Man sieht eine Wandmalerei, ein Porträt von Lionel Messi, etwa 40 Quadratmeter groß. Es soll den Kindern zeigen, dass es jeder bis ganz nach oben schaffen kann, egal wo er geboren wurde. "Die Farben hat ein Unternehmen gestellt, der Künstler soll auf Messis Wunsch hierhergekommen sein", sagt die Lehrerin. Sie betrachtet das Bild, dann flüstert sie: "Wir sind ein armer Stadtteil, die Schule hat viele Bedürfnisse. Das Bild stand sicher nicht ganz oben auf unserem Wunschzettel."

Unweit der Schule liegt ein Krankenhaus. Messi soll laut Stiftungswebsite gemeinsam mit Partnern an der 1,6 Millionen Dollar teuren Renovierung einer Station beteiligt gewesen sein. Wie hoch sein Anteil an der Spende war, benennt die Website nicht. Eine Anfrage zu einer Besichtigung des renovierten Gebäudeteils lehnen Klinikbedienstete schroff ab. In Rosario will kaum jemand über Messis Stiftungsarbeit sprechen.

Die Einnahmen von Messis argentinischer Stiftung sind beträchtlich, wie Dokumente nahelegen, die der SPIEGEL erhielt. So unterzeichnete die Banco de la Nación Argentina im März 2011 mit Messis Vater Jorge eine Vereinbarung über drei Millionen Dollar, das Geld sollte "ausschließlich sozialen Projekten der Stiftung in Argentinien" zugutekommen. Die Grupo Maori, ein Verlagshaus in Buenos Aires, verpflichtete sich zur Konzeption einer Lionel-Messi-Biografie, die weltweit vertrieben werden sollte. Allein in Asien, Afrika und Australien kalkulierten die Verleger mit Umsätzen von rund 50 Millionen Dollar. Messis argentinische Stiftung sollte davon zehn Prozent bekommen, ein Garantiehonorar von 6,2 Millionen argentinischen Pesos obendrauf, zum damaligen Wechselkurs rund eine Million Dollar.

Äußerst gut dotiert waren auch zwei Deals mit dem Reisedienstleister Universal Assistance. Garniert mit guten Vorsätzen ("Auf der Suche nach einem gerechteren Land mit mehr Chancengleichheit für alle") sollten sie insgesamt drei Millionen Dollar einbringen. Dabei wurde nicht festgelegt, wie viel von dem Geld an die Stiftung und wie viel an Papa Messis Firma Limecu gehen sollte. Nur in wenigen Verträgen und Vertragsentwürfen, die der SPIEGEL prüfen konnte, gab die Messi-Stiftung eine Bankverbindung an. Mal hieß es lapidar, zu überweisen sei auf ein Konto, das die Stiftung später benenne, mal fehlten die Angaben komplett. Oder die Vereinbarung war: Zahlung per Scheck.

Was die Einnahmen angeht, ist die Fundación Leo Messi Argentina also ein ordentliches mittelständisches Unternehmen. Nur: Wohin fließt das Geld - und zu welchem Zweck?

Ein Blick in den Vertrag, den die Firma Lafmur aus Uruguay im November 2012 mit der Stiftung abschloss, erstaunt. Lafmur sollte Merchandisingartikel herstellen und weltweit vertreiben. Vater Messi hatte zehn Prozent der Einnahmen für die Stiftung ausgehandelt, zudem eine Zahlung von 300.000 Dollar. Diese Pauschale sollte jedoch laut Vertrag an die Firma Limecu gehen - Jorge Messis Privatfirma, die, wie praktisch, in Rosario Tür an Tür mit Lionel Messis Stiftung residiert.

Lafmur zahlte 300.000 Dollar direkt in eine Steueroase. Ein Mitarbeiter der Stiftung hatte von Messis Anwälten in Barcelona die Anweisung erhalten, dass Lafmur das Geld auf das Konto einer andorranischen Privatbank in Luxemburg überweisen möge. Inhaber dieses Kontos: ein Unternehmen namens Hanns Enterprises mit Sitz in Großbritannien.

DER SPIEGEL

England, Andorra, Luxemburg - für gewöhnlich braucht eine Firma, die mit einer wohltätigen Organisation gemeinsame Sache macht, keine klandestine Geldrutsche, an deren Ende eine Steueroase wartet.

Zwei Zeitungen, die argentinische "La Nación" und die spanische "ABC", waren diesen dubiosen Zahlungen der Stiftung schon auf der Spur. Damals behauptete ein Anwalt der Messis, die 300.000 Dollar, die Lafmur nach Luxemburg auf das Konto der britischen Hanns Enterprises gezahlt habe, seien später korrekt bei der Stiftung verbucht worden. Beweise dafür soll er indes nicht vorgelegt haben. Dem SPIEGEL antwortete die Stiftung zur Rolle der Hanns Enterprises nicht.

Die Spur nach England kann für die Messis noch unangenehme Folgen haben. Etwa wenn die spanischen Steuerfahnder dem Zusammenhang zwischen dem alten Steuerhinterziehungsgeflecht der Messis, für das sie verurteilt worden sind, und dem Stiftungsgeflecht nachgehen. Die Hanns Enterprises ist eine klassische Briefkastenfirma. Sie ist eng verwoben mit dem Netz von Scheinfirmen, das der Messi-Anwalt Juárez seit 2006 zur Verschleierung von Lionel Messis Werbemillionen mit errichtet hatte. Im alten Steuerbetrugsmodell der Messis landeten Sponsorengelder bei der Londoner Firma Sidefloor Limited. Auch sie hatte ein Konto bei der andorranischen Privatbank in Luxemburg.

Die Suche nach dem Firmensitz der Hanns Enterprises führt in eine wenig glamouröse Gegend Londons, den Stadtteil Camden. Die Eingangstür wird von einem Pub und einem Copyshop flankiert. Die Frau am Empfang, Anfang zwanzig, knibbelt an ihren violetten Nägeln herum. Hanns Enterprises? Sagt ihr nichts. Sie greift unter den Tresen, holt einen dicken Ordner hervor und fährt Hunderte Firmennamen ab. "Oh, hier", ruft sie. Aber Auskünfte dürfe sie nicht erteilen.

Nur wenige Tage nach dem Besuch des SPIEGEL begann die Liquidierung der Hanns Enterprises. Sie hat nur einen Mitarbeiter, der gleichzeitig auch Geschäftsführer von zwölf weiteren Briefkastenfirmen ist, allesamt ansässig an derselben Adresse. Eine davon, was für ein Zufall, ist die alte Scheinfirma der Messis: die Sidefloor Limited.

Ein früherer Geschäftspartner der argentinischen Messi-Stiftung überwarf sich 2014 mit Jorge und Lionel, viele Jahre lang hatte er für den Clan gearbeitet. Ein Insider. Er beschuldigte die Messis, sie hätten für wohltätige Zwecke eingeworbenes Geld veruntreut. Es kam zu einer Anzeige, die Messis bestreiten die Vorwürfe.

Die Ermittlungsakte landete bei Doktor Ricardo Luis Farías. Das Büro des Richters befindet sich im fünften Stock des Justizpalastes in Buenos Aires. Farías sitzt in einem schweren Ledersessel, neben ihm hängt eine Argentinienflagge. Die Augen des Richters sind klein, er spricht leise: "Wir mussten das Verfahren einstellen." Der Mann, der die Strafanzeige einreichte, habe keine Belege präsentiert, die den Verdacht krimineller Handlungen in der Stiftung erhärtet hätten. "Der Staatsanwalt hat ihn wiederholt darum gebeten", sagt Farías.

Und was ist mit den fragwürdigen Geldflüssen von Geschäftspartnern der Stiftung an eine Firma mit Konto in Luxemburg? Was mit der Briefkastenfirma in London, die ganz nah dran ist an dem Steuerhinterziehungsgeflecht, für das Vater und Sohn Messi verurteilt worden sind?

"Das reicht noch nicht aus für einen Anfangsverdacht", sagt Farías.

Hat der Staatsanwalt denn Einblick in die Einnahmen und Ausgaben der Messi-Stiftungen genommen?

"Haben wir nicht angefordert, weil es keinen Anfangsverdacht für eine kriminelle Tat gibt", sagt Farías.

Und was ist mit den vielen Millionen in einer Stiftung ohne öffentliche Kontrolle?

"Das ist Aufgabe der Provinz Santa Fe, nicht unsere", sagt Farías.

Im Sommer 2013, als das Steuerstrafverfahren gegen Vater und Sohn konkrete und damit gefährliche Formen annahm, meldeten die Messis ihre Stiftung in Barcelona an. Sie spendet heute Millionenbeträge für Wohltätigkeiten. Allerdings werden Spender noch immer nicht genannt, die Angaben zur argentinischen Stiftung sind teilweise irreführend.

Der SPIEGEL schickte Jorge und Rodrigo Messi einen Fragenkatalog, der all die Merkwürdigkeiten rund um die Stiftungen behandelte. Beide gemeinnützigen Einrichtungen hätten immer "ordnungsgemäß ihre gesetzlichen Vorgaben erfüllt", sie seien niemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten und Auskunftsersuchen der Behörden durchweg nachgekommen, antworteten die Messis.

Fragen zu den womöglich illegalen Spendenbescheinigungen bis 2013 an den FC Barcelona beantwortete Lionels Bruder Rodrigo, zuständig für die spanische Stiftung, nicht. Und warum war diese über Jahre nicht registriert, warum reichte sie keine Rechenschaftsberichte ein? Rodrigo Messi schrieb, dies sei das Versäumnis früherer Berater gewesen. Er meint damit wohl auch den ehemaligen Vertrauten der Familie, den Anwalt Iñigo Juárez. Der Jurist, vom SPIEGEL ebenfalls befragt, verwies auf seine Verschwiegenheitspflicht.

Zu den Indizien, dass Gelder auf ein Konto in einer Steueroase, verwaltet von einer Briefkastenfirma, geflossen seien, äußerten sich weder Jorge Messi noch Anwalt Juárez. Der FC Barcelona betonte in seiner Stellungnahme, dass alle Überweisungen des Vereins an die Messi-Stiftung dem Zweck der Spende dienten. Womöglich illegale Spendenquittungen, die Barça von der Messi-Stiftung erhalten haben soll, und Steuervergünstigungen, die der Klub dafür wohl in Anspruch nahm, kommentierte der Verein nicht.

Vielleicht gibt es für all die schrägen Konstruktionen und zweifelhaften Geldflüsse sinnvolle Erklärungen. Vielleicht sind die Vorwürfe des ehemaligen Geschäftspartners der Stiftung in Rosario falsch. Aber dann sollte es für die Messis eigentlich ein Leichtes sein, die Ungereimtheiten aufzuklären.

Der FC Barcelona hat aus dem Ärger mit den Steuerbehörden wohl Konsequenzen gezogen. Als der Klub Ende Juni 2017 die Vertragsverlängerung mit Lionel Messi besiegelte, gehörte zu dem Verhandlungspaket auch eine neue Vereinbarung mit seiner spanischen Stiftung. Geldgeber ist nun die Stiftung des FC Barcelona: Sie überweist der Fundación Leo Messi bis Juni 2022 exakt 3,5 Millionen Euro.

Die Berichtspflicht für die Messis füllt in dem Vertragsdokument Absätze. Es gibt klare rote Linien für jährliche Rechenschaftsberichte, spätestens Mitte Juli sind die Bilanzen des Vorjahres fällig. Bei komplizierteren Vorhaben darf die Klub-Stiftung einen "lokalen Koordinator" mit der Wahrung ihrer Interessen beauftragen.

Der FC Barcelona engagiert bei Bedarf also einen Aufpasser vor Ort. Das sagt vieles aus über das Vertrauen, das Lionel Messi mit seinen Stiftungen verspielt hat.

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