Löws Strategie Was sich jetzt ändern muss
Es ist nicht alles schlecht. Die Abwehr stand ordentlich gegen Österreich, Lukas Podolski und Philipp Lahm überzeugten spielerisch wie die gesamte Mannschaft kämpferisch. Michael Ballack traf endlich wieder bei einem großen Turnier. Jens Lehmann hielt alle Bälle fest. Deutschland gewann. Deutschland steht im Viertelfinale.
Aber ...

Bundestrainer Löw: Und plötzlich gähnt da dieses Loch
Foto: DDPDieses Aber ist so groß, dass bei allen guten Ansätzen die Probleme überwiegen. Das größte ist zweimal so groß wie der Mittelkreis. Das Loch.
Das Loch entsteht, wenn Ballack und Torsten Frings sich in der Defensive eng an die Abwehr schmiegen und Miroslav Klose und Mario Gomez bei ihren Gegenspielern stehen.
Das Loch ist immer noch da, wenn nach Balleroberung umgeschaltet werden muss.
Das Loch sorgt dafür, dass das Mittelfeld entweder mit einem langen Pass überwunden werden muss oder schnell zu Fuß. Ersteres birgt die Gefahr, dass der Gegner den Ball abfängt. Das andere erfordert Selbstvertrauen.
Gegen Österreich und Kroatien gähnte dieses Loch immer wieder. Weil das Aufrücken in der Vorwärtsbewegung durch Sicherheitspässe hintenrum ersetzt wurde. Und in der Rückwärtsbewegung sich die Stürmer nicht fallen ließen. Das Loch öffnet dem Gegner Räume und ist die größte Bremse im Offensivspiel.
Die Lösung gegen das Loch wäre eine taktische Änderung, die nicht mal eine Revolution wäre, sondern bei allen spielstarken Teams im EM-Viertelfinale gang und gäbe ist. Hinter einer Spitze spielen entweder zwei offensive Außen plus ein zentraler offensiver Mittelfeldspieler vor zwei defensiven (Niederlande) oder zwei offensive vor einem defensiven (Portugal).
Deutschland spielt mit einer sogenannten Doppel-Sechs, also zwei defensiv denkenden Mittelfeldspielern vor der Abwehr. Michael Ballack agierte zwar häufiger als noch gegen Kroatien vor Torsten Frings, aber die Analyse der Uefa, die nach den Spielen verteilt wird, zeigte, dass das vor allem ein Gefühl war. Die Bewegungsradien von Frings und Ballack überschnitten sich. Kurz vor der Viererkette. Sollte Frings wegen seines Rippenbruchs gegen Portugal ausfallen, würde wohl Hitzlsperger dessen Position einnehmen - das System aber nicht geändert.
Diese Doppel-Sechs ist nicht mehr zeitgemäß. Sie verlangt von Ballack den Spagat zwischen Offensivkunst und Defensivmaloche, weshalb Ballack zwar in jedem Spiel der DFB-Spieler mit den meisten Kilometern ist (jeweils deutlich über elf), aber nie so effektiv wie in Chelseas Raute.
Bundestrainer Joachim Löw muss deshalb umdenken. Das Festhalten an dem 4-4-2, das bis vor zwei Jahren funktionierte, ist ein Fehler.
Die Lösung ist ein 4-2-3-1, weil in diesem System auch die Stärken anderer Spieler zum Tragen kommen.
Zum Beispiel die von Lukas Podolski. Dessen Dynamik und die schnellen Läufe mit dem Ball in freie Räume eignen sich perfekt für die Position der hängenden Spitze hinter Miroslav Klose. Podolski könnte gleichzeitig die Verlängerung von Ballack sein, immer anspielbar beim Umschalten. Links und rechts bieten sich für die offensive Variante Bastian Schweinsteiger und Tim Borowski an. Thomas Hitzlsperger und Clemens Fritz wären mögliche Absicherungen gegen Cristiano Ronaldo und Simao.
Portugal hat dann zwar immer noch die besseren Einzelspieler. Aber Deutschland kein Loch mehr.