BVB-Trainer Lucien Favre Kauz in der Dortmunder Sinnkrise
Lucien Favre hat einen Trick. Er ist nicht originell, aber zumindest erfüllt er seinen Zweck. Dass nämlich die Reporter schon gar nicht mehr erwarten, dass ihnen der Dortmunder Trainer eine kritische Frage beantwortet.
Der Trick geht so: Favre hört sich die Frage an, kneift die Augen zusammen und überlegt, sodass man kurz glauben will, der 61-Jährige formuliere etwas Gescheites darauf. Dann aber antwortet Favre auf eine völlig andere Frage, die ihm niemand gestellt hat.

BVB-Einzelkritik: Reus und die Suche nach der Topform
Nach dem 0:1 von Borussia Dortmund gegen Tottenham Hotspur im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinals, das das Ausscheiden aus der Königsklasse bedeutete, lautete die Frage an den Schweizer: Sie sind jetzt als Krisenmanager gefragt? Sicher, eine solche Krise wünscht sich so mancher Verein. Der BVB ist immer noch Tabellenerster in der Bundesliga. Aber er steckt derzeit auch unübersehbar im Abschwung.
Nur ein Sieg in den vergangenen acht Pflichtspielen
Dem Aus im Champions-League-Achtelfinale ging das Scheitern im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Bremen voraus. Und in der Liga ist gerade ein Neun-Punkte-Vorsprung auf den FC Bayern auf zwei Tore geschrumpft. Nur ein Sieg aus den vergangenen acht Pflichtspielen gab es. Obwohl gegen Tottenham zwei Halbzeiten ansehnlicher Fußball mit allerhand Torchancen gezeigt wurde (jeweils die erste im Hin- und Rückspiel), schied der BVB ohne eigenen Treffer verdient aus. Favres Antwort auf die Krisenmanagerfrage aber lautete so: "Wir analysieren jeden Tag. Wir machen ein paar Fehler zu viel momentan, und wir nutzen unsere Torchancen nicht."
Den Verdacht, dass Favre ein kauziger Trainer ist, konnte man schon länger haben. Bisweilen wunderlich war er bereits bei seinen Stationen in Berlin und Mönchengladbach. Und auch zu Beginn seiner Zeit in Dortmund im Sommer hatte er bei Fragen, warum Mario Götze nicht spiele, oder warum Paco Alcácer nur Joker sei, stets die Trickkarte gezogen und über irgendetwas anders parliert. Doch damals war der Erfolg da und überdeckte Favres Schwäche bei der öffentlichen Moderation von Problemen.
Ein sichtbarer Verschleiß im jungen Kader
Nun ist der Erfolg vorerst nicht mehr aufzufinden. Und so richtig erklären können sie es sich nicht in Dortmund. "Manchmal gibt es solche Phasen im Fußball", versuchte es Kapitän Marco Reus. "Zum Anfang der Saison war jeder Schuss von uns drin", sagte der 29-Jährige. Jetzt habe man zwar "unfassbar viele Chancen", treffe aber zu selten. Ähnlich war es zuletzt auch beim 1:2 gegen Augsburg.
Doch es gibt auch einen sichtbaren Verschleiß beim jungen BVB-Kader, der die fehlende letzte Konsequenz und damit den Abschwung nach einer grandiosen ersten Saisonhälfte erklärt. Warum zum Beispiel ließ Favre den 18 Jahre jungen Angreifer Jadon Sancho gegen Tottenham durchspielen, obwohl der Engländer seit Wochen müde wirkt und die Partie nach dem 0:1 durch Harry Kane in der 48. Minute entschieden war? Warum musste sich auch die Ein-Mann-Einsatztruppe Axel Witsel 90 Minuten lang in einem bereits verlorenen Gefecht aufreiben, obwohl der Belgier überspielt wirkt und es am Samstag in der Liga gegen Stuttgart weitergeht?
Achraf Hakimi, den 20 Jahre jungen Außenverteidiger, hatte Favre "aus sportlichen Gründen" nicht berücksichtigt, nachdem der Marokkaner mehrfach Fehler fabriziert hatte. Aber die für ihn gewählte Ersatzvariante mit dem eigentlichen Außenstürmer Marius Wolf als rechten Verteidiger missglückte. Wolf war in der Offensive der Schwachpunkt des BVB, weil er immer wieder aus aussichtsreichen Positionen die Abspiele vermasselte.
Auch in Berlin und Mönchengladbach besser im Erfolg als im Misserfolg
Schon in Berlin und Mönchengladbach war Favre im Erfolg besser als im Misserfolg. Bei beiden Stationen endete seine Arbeit nach einer Niederlagenserie zu Saisonbeginn, und er hinterließ allerhand Unverständnis. Zwar sind die Situationen von damals nicht vergleichbar mit der von heute, und ein Trainer kann sich weiterentwickeln. Aber Favre wirkt aktuell wieder ein bisschen entrückt, was ungute Erinnerungen weckt.
Ob es denn zumindest ein Vorteil im Titelrennen sei, dass der BVB sich jetzt auf die Meisterschaft konzentrieren kann, während der FC Bayern weiter in allen drei Wettbewerben gefordert ist, wurde Lucien Favre noch gefragt. Er antwortete: "Das ist jetzt leider so. Wir wollten das nicht. Wir müssen jetzt nach vorn schauen." Erklärungen für die Dortmunder Sinnkrise lieferte Favre nicht.
Borussia Dortmund - Tottenham Hotspur 0:1 (0:0)
0:1 Kane (48.)
Dortmund: Bürki - Wolf (62. Bruun Larsen), Akanji, Weigl, Diallo - Witsel - Guerreiro (62. Pulisic), Reus (74. Delaney), Götze, Sancho - Alcácer
Tottenham: Lloris - Alderweireld, Sanchez, Vertonghen - Aurier, Winks (55. Dier), Sissoko, Davies - Eriksen (83. Rose) - Kane, Son (71. Lamela)
Zuschauer: 66.099 (ausverkauft)
Schiedsrichter: Makkelie (Niederlande)
Gelbe Karten: -