Magaths Moral-Debatte Der Schein-Heilige

Felix Magath prangert öffentlich die Söldner-Mentalität von Fußballspielern an. Doch seine Vorwürfe sind reiner Populismus. Auch er hat schon von den Gepflogenheiten der Branche profitiert - und nutzt sie als Trainer auf Schalke.
Von Jan Reschke
Schalke-Trainer Magath: Kritik an der Mentalität mancher Spieler

Schalke-Trainer Magath: Kritik an der Mentalität mancher Spieler

Foto: ALEX DOMANSKI/ REUTERS

Die Rollen sind klar verteilt: Auf der einen Seite die gierigen Profi-Abzocker, die keinerlei Identifikation mit ihren Vereinen zeigen und bei jeder Gelegenheit wechseln wollen. Auf der anderen Seite die armen Clubs, die keinerlei Möglichkeiten haben, den geldgierigen Profis beizukommen, sich alles gefallen und sich von bösen Beratern auf der Nase herumtanzen lassen müssen.

Zumindest Schalke-Trainer Felix Magath scheint die Fußball-Welt derzeit in diesen Schwarzweiß-Kategorien zu sehen, glaubt man seinen jüngsten Ausführungen in einem Gastbeitrag im "Hamburger Abendblatt". Darin lässt er sich umfassend darüber aus, wie schwer es Club-Verantwortliche seiner Ansicht nach mit der Macht der Spieler haben.

Zuletzt hatten es einige Anlässe für die Kritik von Magath gegeben:

"Bis zu 40 Prozent des Gehalts werden leistungsbezogen gezahlt"

In seinem Rundumschlag beklagt sich Magath unter anderem über Methoden der Erpressung, wenn ein Spieler seinen Wechsel erzwingen will ("Ich spiele nie wieder für euch"). Dabei vergisst Magath, dass die Verhältnisse auch umgekehrt sein können. Im November verbannte er Jermaine Jones, Alexander Baumjohann und Hans Sarpei in die zweite Mannschaft. Bei Jones habe ihm die Spielauffassung nicht gefallen, bei den anderen beiden Spielern die Trainingsauffassung - sie werden wohl in der Bundesliga nie wieder für Schalke auflaufen.

Nicht nur ein sportliches Problem für die Spieler. Denn der Marktwert eines Profis sinkt, wenn er plötzlich statt in der Champions League nur noch in der Regionalliga West zum Einsatz kommt. Für Vereine eine durchaus gängige Praxis, einen ungeliebten Akteur unter Druck zu setzen, um ihn zu einem Vereinswechsel zu bewegen. Jones wurde mittlerweile an die Blackburn Rovers ausgeliehen.

Zudem kann es bei Spielern zu erheblichen Gehaltseinbußen kommen, wenn sie nicht mehr im Profiteam eines Clubs auflaufen. "Bis zu 40 Prozent des Gehalts eines Spielers werden leistungsbezogen gezahlt", sagt Ulf Baranowsky, Geschäftsführer von der Spieler-Gewerkschaft VDV, SPIEGEL ONLINE.

Immer wieder kommt Magath in seinem Artikel auf die Machtbalance zwischen Clubs und Spielern zurück. Er sieht die Vereine benachteiligt, "weil ihnen rechtliche Mittel und vertragliche Wege fehlen, dieser Abhängigkeit ohne nennenswerten Verlust zu entfliehen".

"Profi-Fußballer sind Angestellte mit Zeitverträgen"

Zudem beklagt sich Magath darüber, dass sich die "Machtverhältnisse seit dem Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1995 dramatisch zugunsten der Profis verschoben haben". Der EuGH fällte damals die Entscheidung, dass Profi-Fußballer innerhalb Europas normale Arbeitnehmer im Sinne des EG-Vertrages seien und sie in der Europäischen Union nach Ende des Vertrages ablösefrei zu einem anderen Verein wechseln dürfen.

"Profi-Fußballer sind Angestellte mit Zeitverträgen und unterliegen damit genau den gleichen Rechten und Pflichten wie andere Arbeitnehmer", sagt auch VDV-Geschäftsführer Baranowsky SPIEGEL ONLINE. Magath dagegen schreibt in seinem Beitrag, Fußballprofis seien prinzipiell keine Angestellten, sondern Unternehmer. Entsprechend müsse die Vertragsgestaltung aussehen. Dazu sagt der Arbeitsrechtler Thomas Pristin SPIEGEL ONLINE: "Profi-Fußballer sind in ihrem Vertragsverhältnis gegenüber dem Verein keine Unternehmer."

Magath kritisiert, dass "die Profis trotz siebenstelliger Jahresgehälter weiter die Rechte eines ganz normalen Arbeitnehmers genießen". Doch auch er hat in der Vergangenheit von diesem Arbeitsrecht profitiert, das ihm beispielsweise im Falle einer Trennung weiter Gehalt zusichert. So war es 2007 bei seiner Beurlaubung bei Bayern München.

Dass gerade Magath einen derartigen Beitrag verfasst, verwundert einigermaßen. 2004, damals noch in Diensten des VfB Stuttgart, wechselte er ebenfalls vorzeitig zum FC Bayern München - obwohl er noch einen gültigen Vertrag hatte. Generell sieht Magath in einvernehmlichen Lösungen auch kein Problem, doch als er Stuttgarts ehemaligen Manager Horst Heldt zu Schalke holte, sagte VfB-Präsident Erwin Staudt zu den wiederholten Schalker Abwerbeversuchen: "Ich habe Herrn Tönnies von Schalke gesagt, dass Verträge einzuhalten sind. Unser Aufsichtsrat war über dieses Vorgehen der Schalker entsetzt."

Im Juni unterschrieb Heldt trotzdem auf Schalke. Magath misst eben mit unterschiedlichem Maß.

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