Citys Remis gegen Liverpool
Guardiola sucht die nächste Spitzenmannschaft
Pep Guardiola steht bei Manchester City vor einer schweren Aufgabe. Er muss die glorreiche Vergangenheit mit der Zukunft verknüpfen. Das 1:1 gegen Meister Liverpool zeigt: Der Umbruch geht voran – aber nur langsam.
Die Zukunft machte sich bereit, doch Pep Guardiola entschied, dass ihre Zeit noch nicht gekommen war: In der 85. Minute des Spitzenspiels der Premier League zwischen Manchester City und dem FC Liverpool (1:1) stand Phil Foden an der Seitenlinie, bereit für seine Einwechselung.
Foden, 20 Jahre jung, soll den im Sommer verabschiedeten Mittelfeld-Magier David Silva ersetzen und wird schon mit Andrés Iniesta verglichen. Viermal spielte er in dieser Saison schon von Beginn an. Doch im Duell mit dem Meister musste er sich mit einer Zuschauerrolle abfinden. Guardiola wechselte ihn doch nicht ein und beorderte ihn zurück auf die Bank. Die Zukunft musste warten.
Der einstige Trainer des FC Barcelona und des FC Bayern hat eine schwere Aufgabe in seinem fünften Jahr in England. Zum ersten Mal in seiner Karriere muss er einen Umbruch moderieren. Er muss den Übergang schaffen zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Vergangenheit, das ist die Mannschaft, mit der Guardiola die Premier League erleuchtete und zweimal die Meisterschaft gewann, nämlich 2018 (mit der Rekordpunktzahl von 100 Punkten) und 2019.
Stützen dieses Teams sind weg oder verlieren an Tragkraft: Die City-Legenden Vincent Kompany (Belgien) und Silva (Spanien) haben sich zum Ende ihrer Karrieren in ihre Heimat verabschiedet. Leroy Sané ist zum FC Bayern gegangen. Der 35 Jahre alte Fernandinho und der 32 Jahre alte Rekord-Torjäger Sergio Agüero sind zunehmend verletzungsanfällig. Beide fehlten gegen Liverpool.
Die Zukunft? Phil Foden
Foto: Tim Keeton/POOL/EPA-EFE/Shutterstock
Die Zukunft, das sollen Spieler wie Foden sein. Doch seine Nicht-Einwechselung zeigte, dass Guardiola noch Vorbehalte gegen ihn hat, zumindest in großen Spielen. Überhaupt geht der Neuaufbau schleppend voran, trotz des unbegrenzten Reichtums von Besitzer Scheich Mansour.
Manchester City war im Titelrennen in der vergangenen Saison chancenlos und landete 18 Punkte hinter Liverpool. In der Champions League blamierten sich die Himmelblauen einmal mehr mit dem fast schon traditionellen Viertelfinal-Aus, diesmal gegen Olympique Lyon. In der laufenden Spielzeit ist der Klub Tabellenzehnter, hinter Konkurrenten wie Southampton, Aston Villa und Crystal Palace. Beim 2:5 Ende September gegen Leicester kassierte ein Guardiola-Team zum ersten Mal überhaupt fünf Tore.
Das alles zeigt, dass das Manchester City aus dem Herbst 2020 längst nicht so gut ist wie das von 2018 und 2019. Abgesehen von der Torwartposition mit Ederson ist kein Mannschaftsteil gefestigt.
Die Abwehr findet sich gerade erst. Der in der Vorsaison lange verletzte und zu Beginn dieser Spielzeit mit dem Coronavirus infizierte Aymeric Laporte und der von Benfica gekommene Rúben Dias haben das Zeug zum stärksten Innenverteidiger-Duo der Premier League. Insbesondere nach der schweren Verletzung von Liverpools Abwehr-Koloss Virgil Van Dijk. Auf Citys Problemposition hinten links zeigte João Cancelo eine starke Leistung beim Remis gegen den Meister. Konstant bewiesen hat sich die Verteidigung aber noch nicht.
Im defensiven Mittelfeld ist Rodri in seiner zweiten Saison in England kein verlässlicher Ersatz für Fernandinho. Gegen Liverpool ließ er sich in der furiosen ersten Hälfte den Ball abjagen und verursachte einen gefährlichen Konter. Außenstürmer Ferrán Torres zeigte mit einem schwachen Spiel, dass er noch lange kein Sané ist. Aber immerhin: Der 20 Jahre alte Zugang aus Valencia hat mit guten Vorstellungen zuletzt (zum Teil auf der ungewohnten Mittelstürmer-Position) sein Potenzial angedeutet.
Was fehlt: ein Nachfolger für Agüero
Im Angriff machte Gabriel Jesus Werbung in eigener Sache mit einem Tor, das den in England übertragenden Sender Sky Sports zu Vergleichen mit Dennis Bergkamp animierte. Jesus soll auf Dauer den aktuell verletzten Agüero ersetzen und muss die Zweifel an seiner Eignung dazu noch zerstreuen.
"City ist immer noch eine fabelhafte Mannschaft, aber am schwersten zu bekommen ist das, was immer noch fehlt – ein natürlicher Nachfolger für Agüero", schrieb die schottische Liverpool-Ikone Graeme Souness in ihrer Kolumne für die "Sunday Times". Als Beleg dient diese Statistik: 27 Tore hat Manchester City in der vergangenen Saison in den ersten sieben Spielen erzielt. Zehn sind es nur in dieser Spielzeit.
Soll auf Dauer Agüero ersetzen: Gabriel Jesus
Foto: Martin Rickett/POOL/EPA-EFE/Shutterstock
Die allgemeine Einschätzung zum Zustand der Himmelblauen brachte TV-Fachmann Jamie Carragher zum Ausdruck: "Es gibt vier, fünf Spieler, die die Eckpfeiler bei den Titeln waren. Wenn man sich die Mannschaft jetzt anschaut, ist die Qualität einfach nicht die gleiche", sagte er nach dem 1:1 gegen seinen FC Liverpool. Trotzdem war Manchester City dem Sieg näher. Kevin De Bruyne vergab mit seinem verschossenen Elfmeter kurz vor der Pause die goldene Chance. "Wir haben in dieser Saison erst ein Spiel verloren. Ich bin sehr glücklich", behauptete Guardiola. Der Umbruch, er geht langsam voran.