Manchester im CL-Finale Mit Mut und Mourinho gegen Barças Ballmagie
Zwei Stunden nach dem souveränen 4:1 von Manchester United gegen den FC Schalke gab es am Fuße des Old Trafford noch einmal einen kleinen Menschenauflauf. Wie ein nächtlicher Spaziergänger tauchte an einem Absperrgitter plötzlich Gabriel Obertan auf. In den beiden Halbfinalpartien der Engländer gegen die desillusionierten Gelsenkirchener hatte der kahlköpfige Angreifer zwar nicht eine Sekunde mitgespielt - doch an diesem Abend war jeder Akteur der "Red Devils" begehrt. Und so durfte auch Obertan, erspäht von zehn besonders ausdauernden United-Fans, vor deren Kameras posieren, Trikots unterschreiben - und wurde zum Finale zwischen Manchester und dem FC Barcelona am 28. Mai im Wembleystadion befragt.
Auch Alex Ferguson wurde am Mittwochabend immer wieder an das letzte große Duell der beiden Clubs erinnert: Im Mai 2009 unterlag sein Team den Katalanen im Champions-League-Finale von Rom 0:2 - ein Erlebnis, das sich die Nordengländer diesmal gern ersparen würden. Ihr Plus in den Augen des Trainers: Das Endspiel in London ist der krönende Abschluss der Saison, nicht der Anfang. "Zu Beginn der Saison wollten wir ein Aufeinandertreffen mit Barça auf jeden Fall vermeiden", gesteht Ferguson, der seine Zuversicht aus der offensichtlichen Fortentwicklung seines Teams im laufenden Fußballjahr zieht.
In der Premier League, wo am Sonntag Verfolger Chelsea zum ultimativen Gipfeltreffen mit Tabellenführer Manchester ins Old Trafford kommt, gab es mit dem 0:1 bei Arsenal zuletzt zwar einen Rückschlag. Im Halbfinale der Königsklasse eröffnete der 18-malige englische Meister Gegner Schalke dafür Einblicke in unbekannte Fußballsphären: Beim Hinspiel im Revier spielte die Ferguson-Elf überragend. Und beim Rückspiel in der eigenen Arena konnte es sich ihr 69-jähriger Team-Manager leisten, die Gäste mit seiner Mannschaftsaufstellung bis aufs Äußerste zu reizen. Von "einigen Änderungen" in seinem Team hatte der gebürtige Schotte vorher ja gesprochen - doch am Ende standen vom Hinspiel-Team allein Torwart Edwin van der Sar und Mittelfeldmann Antonio Valencia in der Startelf.

"Sir Alex hatte es ja schon angekündigt, deshalb war das keine große Überraschung für uns", hielt Kollege Ralf Rangnick seinen Ärger über diese offensichtliche Demütigung zurück, während Schlussmann Manuel Neuer offener über die Schalker Gefühlslage bei der Lektüre von Manchesters Startaufstellung sprach. "Dass so viele Spieler aus der ersten Partie nicht auf dem Platz stehen würden, das wussten wir einfach nicht. Und diese Aufstellung hat uns alle sehr angespornt", sagte der 25-Jährige, der seinen glänzenden Eindruck aus dem Hinspiel nicht bestätigen konnte. Und so blieb vor dem Rückflug nach Deutschland allein die nüchterne Erkenntnis von Innenverteidiger Christoph Metzelder: "Manchester hat uns in weiten Teilen des Spiels die Euphorie genommen."
Mit dieser speziellen Qualität wird Manchester in gut drei Wochen auch dem FC Barcelona die Stirn bieten. Dem Club, der als das Maß der Dinge im Vereinsfußball gilt. Der Fußball zelebriert, nicht nur spielt.
In der mittlerweile 25-jährigen Ära Ferguson hat der Club in der Champions League bereits zweimal triumphiert (1999, 2008) - und nun können die Engländer die spielerische Überlegenheit der Spanier mit ihrer exzellenten Athletik, ihrer außerordentlichen Präzision im Passspiel, einem bei Bedarf mörderischen Tempo und mit einem auch in der zweiten Reihe bestens bestückten und beim Finale zudem wohl kompletten Kader kontern. "Wir haben den Vorteil, dass im Endspiel diesmal keiner fehlt, das war vor zwei Jahren noch anders", frohlockt Ferguson - und betont: "Bei uns jedenfalls herrscht kein Mangel an Selbstbewusstsein, wir haben in dieser Saison in der Champions League immer gute Leistungen gezeigt."
Dann erinnerte sich Manchesters Trainer an den Finalort London, räumte ein, dort spiele seine Mannschaft Ende des Monats ja "nicht wirklich auswärts", sondern mehr "auf neutralem Boden" - unabhängig davon aber stehe für ihn fest: "Ich erwarte ein gutes Endspiel." Seinem Innenverteidiger Chris Smalling stockt beim Gedanken an dieses "mächtige Finale" schon vorab der Atem - wobei Alex Ferguson bei der Vorbereitung auf die Partie sicher auch wieder auf das Gedankengut des Kollegen José Mourinho zurückgreifen wird.
"Wir telefonieren oft miteinander, erst in der letzten Woche haben wir uns unterhalten", erzählte Ferguson nach dem zweiten klaren Sieg über Schalke von seinem guten Verhältnis zum Trainer von Real Madrid, der dem FC Barcelona im zweiten Halbfinale gerade den Vortritt lassen musste. Und dazu erklärte der Mann aus Glasgow: "Ich nehme immer gerne Informationen von Mourinho auf. Aber Real ist eine ganz andere Mannschaft als wir - wir müssen da schon unsere eigenen Lösungen finden."
Zu einem wichtigen Mosaiksteinchen könnte dabei sein Landsmann Darren Fletcher werden. Gegen Schalke ließ Ferguson den 27-jährigen Mittelfeldspieler in den letzten 17 Minuten mitmachen - und kommentierte anschließend genüsslich: "Vor zwei Jahren hat er im Finale von Rom noch gefehlt. Und er ist einer derjenigen, die für die großen Spiele gemacht sind."
