
Final-Entscheider Götze Besser als Messi
- • Deutschland ist Weltmeister: 1954. 1974. 1990. 2014!
- • Deutscher 4:0-Sieg über Portugal: Dreifach Müller, einfach gut!
Die Flanke kam etwas zu weit in den Rücken, etwas zu hoch. Mario Götze nahm den Ball, den ihm André Schürrle in der 113. Minute servierte, trotzdem mit raffinierter Leichtigkeit an. Er stoppte die Flanke mit der Brust, lehnte seinen Oberkörper zur Seite und schob den Ball volley an Argentiniens Torwart Sergio Romero vorbei. Das Siegtor im Maracanã-Stadion war ein technisches Meisterwerk. Ein Geniestreich. Das, was Fußball-Deutschland von Götze erwartet.
Doch es war das erste Mal bei der WM, dass der 22-Jährige die Erwartungen erfüllte. Dass er lieferte. "Es war bis hierhin nicht das Turnier von Mario Götze", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Götze, dieses außergewöhnliche Talent, dessen Ballgefühl die Zuschauer bei jedem Training in Staunen versetzt, wirkte in Brasilien bis zum Finale wie ein Fremdkörper innerhalb des deutschen Teams. Während man seine Mitspieler lachen und flachsen gesehen hatte, bewegte sich Götze häufig ein Stück weit abseits.
Wenn er öffentlich sprach - was selten vorkam -, dann fummelte er sich dabei am Ohrläppchen wie es früher auch Oliver Kahn getan hatte. Oder Götze kratzte sich am Hals, dem Gegenüber schaute er bei den Antworten nie in die Augen. Sein Laufstil, seine Bewegungen, seine Begrüßungen: Vieles wirkte schnöselig, bei einer WM so unpassend wie generell im Umgang mit Menschen.
Von Götzes Vertrauten war zu hören, dass dies Selbstschutz sei. Götze neige nach außen zu einer aufgesetzten Arroganz, wenn es in ihm nicht gut aussehe. Wenn er sich ungerecht behandelt fühle, wenn er seine Gedanken sortieren müsse. Dann hätte er am liebsten nur seine Ruhe - und Fußball. Doch in einer medial ausgeleuchteten Welt, in der jeder Schritt, jede Bewegung, jeder Satz in den Fokus rücken und der millionenfachen Interpretation ausgesetzt werden, ist es mit der Ruhe nicht so einfach.
Verloren auf der Außenposition
Je mehr sich Götze bei diesem Turnier abkapselte, desto schlechter wurden seine sportlichen Leistungen. Das führte dazu, dass sein Auftreten abseits des Felds noch negativer bewertet wurde. Ein tückischer Kreislauf. Bundestrainer Joachim Löw, der Götze zu Turnierbeginn vertraute und ihm gegen Portugal und Ghana hatte starten lassen, rückte zunehmend vom Mittelfeldspieler des FC Bayern München ab. Zwar traf Götze gegen Ghana und holte gegen Portugal den Elfmeter zur Führung heraus, aber er beteiligte sich ansonsten zu wenig am Spiel.
Löw bot Götze auf Linksaußen auf, die Position mag der frühere BVB-Spieler nicht sonderlich, er fühlt sich in der Mitte wohler. Götzes Unzufriedenheit mit sich, seinem Spiel, dem Trainer und wahrscheinlich auch den Umständen nutzte Schürrle. Der Außenstürmer demonstrierte mit jeder Turnier-Einwechslung nachdrücklich, was Götze vorher vermissen ließ: Dynamik, Ehrgeiz, Siegeswille. Schürrle ist technisch nicht einmal ein Drittel-Götze. Trotzdem goutierte Löw den Einsatzwillen des Chelsea-Profis und machte ihn zum Edeljoker. Und da Löw ab dem Viertelfinale mit Miroslav Klose wieder auf einen echten Stürmer setzte, war Götze auf einmal nur noch zweiter Einwechselspieler.
Das Versprechen vom größten deutschen Fußballtalent schien sich auch bei dieser WM nicht zu erfüllen. Wie zuvor bei der EM 2012 und auch in der vergangenen Saison bei Bayern München.
Es ist trotzdem Löws Verdienst, dass Götze sich nun hat unsterblich machen dürfen. Der Nationaltrainer, der Götze im Finale in der 88. Minute einwechselte, nahm ihn in der Halbzeitpause der Verlängerung in den Arm. "Ich habe ihm gesagt: 'Jetzt zeige der ganzen Welt, dass du besser bist als Messi. Zeige, dass du dieses Spiel entscheiden kannst.' Ich hatte ein gutes Gefühl, ich wusste, dass er das kann", sagte Löw. Und Götze konnte. Er bewies, dass Löw sich nicht irrte.
Nach dem Siegtreffer steht der gebürtige Memminger nun in einer Reihe mit den ganz großen deutschen Fußballern: Helmut Rahn (1954), Gerd Müller (1974) und Andreas Brehme (1990) waren die vergangenen drei Weltmeistermacher. "Götze ist ein Wunderkind, das immense Möglichkeiten hat. Er ist so raffiniert, ich wusste, er kann immer ein Spiel entscheiden, wenn es auf der Kippe steht. Und dieses Tor hat er überragend gemacht", sagte Löw.
Für Götze, der seit seinen Kindertagen immer wieder zu hören bekommt, dass er ein Supertalent sei, wird der Druck nach diesem Treffer nicht kleiner. Er wird sich weiter beweisen müssen. In den vergangenen Jahren schaffte er es selten, über einen längeren Zeitraum verletzungsfrei zu bleiben und sich damit eine unverzichtbare Rolle in der Nationalmannschaft oder in seinem Verein zu erspielen. Auch der Treffer an diesem Abend von Rio de Janeiro wird dieses Problem nicht aus der Welt schaffen. Aber er wird Götze wieder etwas mehr Vertrauen in sich und seine Fähigkeiten geben.
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Ein Mann, ein Pokal: Mario Götze feiert den WM-Sieg mit der deutschen Nationalmannschaft. Mit seinem Tor in der Verlängerung war er der entscheidende Mann.
Dabei war die WM nicht unbedingt Götzes Turnier: Er wurde zeitweise zum Bankdrücker, auch im Finale wurde er nur eingwechselt.
Doch Bundestrainer Löw vertraute Götze, er glaubte daran, dass der Offensivspieler des FC Bayern das Finale mit einem magischen Moment entscheiden könnte. Und dieser Moment kam in der 113. Minute.
Nach Götzes Tor war der Jubel beim deutschen Team grenzenlos. Die Spieler wussten: Nur noch knapp zehn Minuten waren bis zum Titelgewinn zu überstehen.
Und diese Minuten überstanden sie. 1:0 endete das Spiel, Deutschland ist zum vierten Mal Weltmeister.
Argentinien mit Lionel Messi musste sich mit dem zweiten Platz begnügen. Dabei hatte der Offensivspieler des FC Barcelona gerade in der ersten Halbzeit einige gute Szenen.
DFB-Verteidiger Mats Hummels versuchte immer wieder, die Kreise von Lionel Messi zu stören.
Die beste Chance der Argentinier hatte Gonzalo Higuaín. Nach einem Fehler von Toni Kroos kam der Stürmer vom SSC Neapel an der Strafraumgrenze zum Abschluss - schoss aber deutlich am deutschen Tor vorbei.
Schrecksekunde für die deutsche Mannschaft: Gonzalo Higuaín traf zum vermeintlichen 1:0 für Argentinien. Doch das Tor zählte nicht - Abseits!
Deutschlands beste Gelegenheit in der regulären Spielzeit hatte Benedikt Höwedes: Nach einem Eckball von Kroos köpfte der Schalker aus vier Metern an den Pfosten.
Ohne Rücksicht auf Verluste: Manuel Neuer klärte energisch vor Gonzalo Higuaín - der Argentinier bekam ordentlich einen mit, konnte aber weiterspielen.
Deutschland begann stark in der Verlängerung: André Schürrle scheiterte nach wenigen Augenblicken aus kurzer Distanz an Argentiniens Torwart Sergio Romero und konnte es nicht fassen.
Auch Argentinien kam zu guten Gelegenheiten: Der eingewechselte Rodrigo Palacio tauchte nach einem Stellungsfehler von Mats Hummels allein vor Manuel Neuer auf, der Lupfer flog aber am Tor vorbei.
Bastian Schweinsteiger wurde immer wieder gefoult. Nach einem Faustschlag von Sergio Agüero blutete er unter dem Auge.
Götze war in der zweiten Hälfte für Miroslav Klose eingewechselt worden und traf schließlich zum entscheidenden 1:0.
Seht her, ich war's: Götze freut sich mit Thomas Müller.
Wenige Minuten später war Schluss, und Deutschland war zum vierten Mal Fußballweltmeister!
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