Hamburg - Egal wen Bundestrainer Joachim Löw derzeit einsetzt - er scheint ein goldenes Händchen zu haben. In der Vorrunde überraschte er mit den Personalien Mats Hummels und Mario Gomez - und hatte Erfolg. Gegen Griechenland setzte er dann in der Offensive auf Miroslav Klose, Marco Reus und André Schürrle - und hatte Erfolg.
Tagelang hatte er über seine Taktik gegen Griechenland gebrütet, die Aufstellung war streng geheim. Und wurde doch schon Stunden vor dem Spiel bekannt. Auch bei den Gruppenspielen zuvor war wenige Stunden vor Spielbeginn die Aufstellung der deutschen Nationalmannschaft an die Öffentlichkeit geraten.
Der griechische Trainer Fernando Santos hatte Freitagnacht betont, ihn hätten die Umstellungen in der DFB-Auswahl nicht überrascht: "Wir haben so etwas schon erwartet. Wir wussten es seit dem Morgen schon, dass es Wechsel geben würde."
"Das ist nicht in meinem Sinne, wenn das passiert", sagte Löw nach dem 4:2-Erfolg gegen Griechenland und klagte: "Es müssen nicht schon frühzeitig die Karten auf dem Tisch liegen." Aufgegangen war sein Plan dennoch, Klose und Reus gehörten sogar zu den Torschützen.
Nun rätselt Löw über die undichte Stelle: "Ich kann mir das auch nicht genau erklären, woher das kommt. Spieler reden vielleicht mit ihren Beratern, und irgendwo gibt das jemand weiter." Noch vor dem Spiel gegen die Griechen habe er die Problematik mit der Mannschaft besprochen.
Löw schließt Spieler als Maulwurf aus
Der Bundestrainer habe dabei deutliche Worte gewählt, berichtete am Samstag André Schürrle. "Klar ist er nicht erfreut darüber. Das ist sehr unglücklich. Irgendwo muss da wohl ein Leck sein." Auch Marco Reus äußerte sich verblüfft und ratlos: "Ich weiß nicht, wer der Maulwurf ist."
Die Aufstellung gibt Löw an Spieltagen in der Teamsitzung vor dem Mittagessen endgültig bekannt. Schon vorher wissen einzelne Spieler, dass sie auflaufen werden. "Klar, dass die Spieler mit ihren Beratern, Freunden oder wem auch immer mittags telefonieren, sei es aus Freude, dass sie spielen, sei es aus Enttäuschung", so Löw. Die Mannschaft habe ihm versichert: "Von den Spielern kommt es auf jeden Fall nicht, diese Rückversicherung habe ich."
Trotz der Ermahnungen macht sich der Bundestrainer offenbar keine großen Hoffnungen auf eine strikte Geheimhaltung der Aufstellung vor den kommenden EM-Begegnungen im Halbfinale oder dem möglichen Endspiel. "Es ist nicht nachzuvollziehen, wie das passiert ist. Letztendlich wird man das auch nicht herausfinden", sagte Löw.
Das Training der deutschen Elf läuft weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Am Trainingsplatz neben dem EM-Quartier "Dwor Oliwski" wurden kürzlich sogar die Sichtschutzplanen erhöht, um ungebetene Zuschauer abzuhalten.
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Manuel Neuer (Torwart, FC Bayern): Es ist pro forma Sommer, aber an diesem Abend hätte Manuel Neuer sich trotzdem erkälten können. Er wusste wahrscheinlich vorher schon, dass er nur wenige Situationen bekommen würde, um sich auszuzeichnen. Als sie kamen, war er zur Stelle. Gegen Samaras und den Elfmeter kurz vor Schluss konnte er nichts ausrichten.
Philipp Lahm (Abwehr, FC Bayern): Die Aufgabe eines Kapitäns ist es, voranzugehen, wenn die Mannschaft beginnt zu zweifeln. In der 39. Minute war so ein Augenblick. Lahm knackte mit seinem Antritt und seinem Schuss die Abwehr der Griechen. Damit übertünchte er, clever wie er nun mal ist, dass die Griechen zuvor ihre wenigen Angriffe über seine Abwehrseite zünden konnten. Beim Gegentreffer gab es nichts mehr zum Übertünchen.
Holger Badstuber (Abwehr, FC Bayern): Der Innenverteidiger hatte so wenig zu tun wie noch nie zuvor bei dieser EM. In ein, zwei Situationen wirkte er dadurch etwas kalt, wenn die Griechen versuchten, auf Konter zu spielen. Letztlich jedoch ließ er wenig anbrennen. Beim Gegentor klaffte in der zentralen Deckung allerdings ein großes Loch.
Mats Hummels (Abwehr, Borussia Dortmund): Für den Dortmunder gilt praktisch dasselbe wie für Badstuber. Auch er verbrachte einen Abend am Rande der Unterbeschäftigung. Das Gefühl dürfte ihn bei dieser EM nicht mehr überkommen. In ein, zwei Situationen verlor er kurz den Überblick, insgesamt aber durchaus souverän. Einmal im eigenen Strafraum bärenstark gegen Samaras.
Jérôme Boateng (Abwehr, Bayern München): Hatte viel Zeit für Ausflüge in die Offensive. Das ist allerdings nicht seine Kernkompetenz. Boateng ist dann am besten, wenn er sich an einem angriffsstarken Gegenspieler abarbeiten darf. Da die Griechen einen solchen nicht zu bieten hatten, konnte er sich auf eine relativ unauffällige Partie beschränken. Beim Gegentreffer versuchte er zu retten, was noch zu retten war, kam aber einen Schritt zu spät. Flankte dafür zum 2:1.
Bastian Schweinsteiger (Mittelfeld, Bayern München): Der Münchner hatte über die Woche mehrfach nicht mit der Mannschaft trainieren können, fühlte sich nicht ganz auf der Höhe, und das war ihm im Spiel auch anzumerken. Wirkte zu Beginn ein bisschen fahrig, spielte mehrere Unsicherheitspässe und brauchte Zeit, um ins Match zu kommen. Das 94. Länderspiel ist nicht das beste von Bastian Schweinsteiger gewesen.
Sami Khedira (Mittelfeld, Real Madrid): Der Madrider hat bei dieser EM bisher nur Lob bekommen. Das Etikett des neuen Boss im Mittelfeld ist ihm längst sicher. Auch gegen die Griechen spielte er so, dominierte die Zentrale, dazu dürfte er wieder Rekordmarken gesetzt haben, was die Laufleistung angeht. Schoss erst mehrfach aufs und dann ins Tor. Es ist das Turnier des Sami Khedira. Hat jetzt schon einen Platz im Allstar-Team der EM sicher.
Mesut Özil (Mittelfeld, Real Madrid): Der Mittelfeldregisseur schleppte sich phasenweise durch dieses Spiel, wirkt noch immer etwas verunsichert. Doch er lief viel, versuchte sich links wie rechts, war an den meisten Angriffen beteiligt. Ganz der Özil, der das deutsche Spiel noch vor kurzem so beeinflusst hat, ist es aber nicht. Er hat vielleicht noch zwei Spiele Zeit für die vom Bundestrainer angekündigte Explosion. Er sollte sich beeilen.
Marco Reus (Mittelfeld, noch Mönchengladbach): Ganz starkes EM-Debüt des Noch-Gladbachers. Der Offensivmann erfüllte alle Vorgaben, die er vom Bundestrainer mitbekommen hatte. Er lief viel, rochierte, ließ den Ball im Zusammenspiel kreisen und erarbeitete sich damit seine Torchancen. Dass er viele davon auch mal auslässt, darüber wissen Gladbach-Fans bestens Bescheid. Und jetzt auch die der Nationalmannschaft. Beim fünften oder sechsten Versuch hat es dann endlich geklappt. Hochverdient.
André Schürrle (Mittelfeld, Bayer Leverkusen): Der Leverkusener wurde zunächst wenig ins Spiel einbezogen und fiel denn auch in der Anfangsphase gegenüber seinem Pendant auf rechts, Marco Reus, deutlich ab. Erst als sich die Partie mehr und mehr auch über linke Seite verlagerte, bekam er seine Szenen. War mehrfach nah am Tor. Aber eben nur nah dran. Als Joker ist er effektiver. Wurde zu Recht nach einer guten Stunde durch Müller ersetzt.
Miroslav Klose (Sturm, Lazio Rom): Klose oder Gomez - die Partie gegen die Griechen hat die Unterschiede der beiden Spielertypen exemplarisch vor Augen geführt. Klose, der Racker, dessen Trikot schon nach zehn Minuten von oben bis unten schmutzig war, Klose, der Vorbereiter, der Stürmer, der sich auch zurückfallen lässt - aber auch der nicht den Killerinstinkt hat, mit dem Gomez zurzeit aufwartet. Gegen die Griechen war der Römer an fast allen gefährlichen Szenen beteiligt und belohnte sich mit dem 3:1. Es war sein 64. Länderspieltor im 120. Einsatz. Episch.
Thomas Müller (Mittelfeld, Bayern München): Kam nach 65 Minuten für Schürrle in die Partie und sperrte gleich mal den Raum für Klose frei, so dass dieser einköpfen konnte. Ansonsten wird es der Münchner angesichts der starken Partie von Reus schwer haben, wieder in die Startelf auf dem rechten Flügel zurückzukommen.
Mario Götze (Mittelfeld, Borussia Dortmund): Die erste EM-Viertelstunde des Dortmunders. Angesichts der gewaltigen Konkurrenz in der Offensive ist das schon ein Erfolg. Er sollte seinen Schwerpunkt auf künftige Turniere legen.
Mario Gomez (Sturm, Bayern München): Umgekehrte Verhältnisse wie sonst in diesem Turnier. Diesmal durfte Gomez nur eine Viertelstunde ran, und Klose durfte zuvor 75 Minuten durchspielen. Der Unterschied zwischen beiden war diesmal, um mit Lars Bender zu sprechen: ein Tor. Die Diskussion Klose oder Gomez wird weitergehen.
Lockere Stimmung: Bei der Platzbegehung vor dem Viertelfinale zwischen Deutschland und Griechenland im Stadion von Danzig wirkten die deutschen Nationalspieler gelöst.
Miroslav Klose (r.) durfte gegen Griechenland von Beginn an stürmen. Bundestrainer Joachim Löw schenkte dem Lazio-Stürmer das Vertrauen und setzte dafür Mario Gomez auf die Bank.
Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte sich das Viertelfinale zwischen Deutschland und Griechenland nicht entgehen lassen. Extra für die Partie war sie nach Danzig gereist, um die DFB-Elf live im Stadion anzufeuern.
Kurz vor dem Anpfiff: Das deutsche Trainergespann um Joachim Löw und Co-Trainer Hansi Flick präsentiert sich als Einheit beim Singen der Nationalhymne.
Deutschland startete furios: Bereits nach vier Minuten...
...zappelte der Ball das erste Mal im Tor der Griechen. Klose (l.) stand bei seinem Abschluss allerdings knapp im Abseits - der Treffer zählte nicht.
Deutschland bestimmte das Spiel: Auch Sami Khedira suchte den Abschluss. Sein Schuss ging aber deutlich über das Tor der Griechen, die sich kaum aus der eigenen Hälfte befreien konnten.
Der Bundestrainer durfte nach der guten Anfangsphase seiner Elf zufrieden sein. Einzig ein Treffer fehlte noch.
Im Mittelfeld wirkte Bastian Schweinsteiger unsicher. Der Bayern-Profi hatte weniger Probleme mit den harmlosen Griechen (hier im Duell mit Giannis Maniatis), dafür unterliefen ihm mehrere leichte Fehlpässe.
Mesut Özil hatte in der 23. Minute die bis dahin beste Chance für das deutsche Team. Der Mittelfeldspieler von Real Madrid scheiterte allerdings aus kurzer Distanz am Torhüter der Griechen.
Deutschland rannte gegen das Abwehrbollwerk der Griechen an: Selbst Kapitän Philipp Lahm hielt es nicht mehr in der eigenen Hälfte. Mangels Beschäftigung in der Defensive...
...schaltete sich der Bayern-Profi immer wieder im Angriff der DFB-Elf mit ein. Mit Erfolg! In der 38. Minute zog Lahm aus knapp 18 Metern ab...
...und traf zum 1:0 für Deutschland! Jubelnd drehte Lahm ab. Marco Reus (r.) konnte den Torschützen kaum stoppen.
Die Erleichterung und die Freude bei den deutschen Spielern war groß: Lange rannte die DFB-Elf in der ersten Hälfte ohne Erfolg gegen das Abwehrbollwerk der Griechen an, bis Lahm mit seinem Schuss für die Führung sorgte.
Schock nach der Pause: Mit der gefühlt ersten Torchance kam Griechenland nach einem Konter durch Giorgos Samaras in der 55. Minute zum Ausgleich.
Der Jubel nach dem Ausgleich war bei den Griechen groß. Doch Deutschland ließ sich nicht beeindrucken. Kurz nach dem Gegentreffer...
...traf Sami Khedira per volley zur erneuten Führung (61.) für die DFB-Auswahl. Boateng hatte das Tor mit einer Flanke von der rechten Seite vorbereitet.
Und Deutschland legte nach! Sieben Minuten nach der Führung durch Khedira traf Miroslav Klose nach einer Ecke per Kopf zum 3:1.
Die Entscheidung: Marco Reus knallt den Ball in der 74. Minute zum 4:1 für Deutschland ins Tor der Griechen.
Der Jubel bei Reus war nach seinem Treffer groß. Als erstes gratulierte Mesut Ösil zum Tor des Noch-Gladbachers.
Für den Endpunkt sorgte Dimitris Salpingidis: Nach einem Handspiel von Boateng verwandelte der Grieche per Handelfmeter zum 2:4 aus griechischer Sicht.
Der Jubel kannte bei den deutschen Nationalspielern nach dem Abpfiff keine Grenzen.
Reus und Boateng führten noch während des Spiels einen Freudentanz auf.
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