Peter Ahrens

Kruse-Rauswurf Härte zeigen leicht gemacht

Der Bundestrainer hat Max Kruse aus dem Länderspielkader gestrichen und beweist so nach außen hin Konsequenz. Der Schritt ist ihm allerdings nicht besonders schwergefallen. Kruse gehört sportlich zu den Verzichtbaren.
Bundestrainer Joachim Löw, Nationalspieler Max Kruse

Bundestrainer Joachim Löw, Nationalspieler Max Kruse

Foto: Arne Dedert/ dpa

Mit der Moral ist es so eine Sache im Fußball. Meistens wird sie dann hervorgekramt, wenn sie nützlich ist. Der Fall Max Kruse ist ein gutes Beispiel dafür.

Der Bundestrainer hat den Wolfsburger Angreifer aus dem Aufgebot für die beiden Testspiele gegen England und Italien aus dem Kader gestrichen, und wer die Gesetzmäßigkeiten bei Löw und dem DFB kennt, der weiß, dass dies mehr oder weniger gleichbedeutend mit dem EM-Aus für den 28-Jährigen ist. Löw begründet dies damit, dass Kruse "seiner Vorbildrolle nicht nachgekommen" sei und sich "unprofessionell verhalten" habe.

Was hat Kruse getan? Er feiert gerne, zuletzt am Wochenende in Berlin, er pokert bekanntlich gerne, das sind ziemliche Lappalien. Er hat sich allerdings zudem mit einer Reporterin der "Bild"-Zeitung angelegt. Das dürfte schon schwerer wiegen. Die Zeitung hat ihn schließlich seit zwei Wochen unablässig auf dem Kieker, und es bleibt zumindest der Eindruck zurück, dass der Bundestrainer auch diesem öffentlichen Druck nachgegeben hat.

Auf der anderen Seite sollte Kruse schlau genug sein, um zu wissen, wie der DFB seine Nationalspieler am liebsten sieht. Porentief rein, am besten ohne schärfere Ecken und Kanten, jederzeit vermarktbar. Ein Profi, der die Puppen tanzen lässt, passt nicht in dieses Schema.

Und wenn dieser mehrfach nacheinander auffällig wird, dann werden eben erzieherische Maßnahmen getroffen. Bei so etwas unterscheidet sich der DFB nicht großartig von der gestrengen Gouvernante Frau Rottenmeier aus Heidi. Zudem sekundiert von Kruses Verein, von dem, nach der VW-Affäre schwerstens ums Image des demütig auftretenden Saubermanns bemüht, kein Widerstand zu erwarten ist. Nach den Schlagzeilen der Vorwoche und unmittelbar vor einem Nationalmannschaftstreffen direkt wieder abzufeiern, war aus Kruses Sicht daher zumindest das Gegenteil von clever.

Vor allem aber, und das ist die wichtigste Eigenschaft, die die Nationalspieler unter Löw mitbringen müssen - und gleichzeitig Kruses Pech: Die Spieler müssen aus sportlichen Gründen gebraucht werden.

Als Marco Reus im Winter 2014 wochenlang Negativschlagzeilen um sein Fahren ohne Führerschein machte, war dies sicher auch nicht im Sinne der Vorbildfunktion eines Nationalspielers. Sanktionen gab es keine - und das lag nicht nur daran, dass auch der Bundestrainer selbst 2014 seine Probleme mit der Fahrerlaubnis hatte. Vielmehr ist der Dortmunder sportlich zu wichtig für die Mannschaft. Also wird dann auch mal ein Auge zugedrückt.

Bei Kruse dagegen ist es relativ einfach, Härte zu zeigen. Über die Rolle des Ergänzungsspielers würde er bei einem Turnier ohnehin nicht hinauskommen, mit überragender Form in dieser Saison hat er auch nicht geglänzt. Ob Kruse bei der EM dabei ist oder nicht, davon hängt der Erfolg der Nationalmannschaft beileibe nicht ab.

Der Wolfsburger Stürmer kann feiern, wie er mag, er kann im Taxi Geld liegen lassen und sich Nussnougatcreme morgens aufs Brötchen schmieren. Aber er darf nicht den unverzeihlichen Fehler begehen, für die Nationalmannschaft verzichtbar zu sein. Das ist in Wahrheit Max Kruses größter Makel.

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