Mesut Özil "Niemand aus dem Nationalteam hat gesagt: Hey, hört auf damit!"

Mesut Özil: "Türkei als Teil meiner Herkunft"
Foto: Shaun Brooks/ Action Plus/ imago imagesÜber ein Jahr lang hat Mesut Özil geschwiegen. Nun sprach der ehemalige deutsche Nationalspieler erstmals umfangreich über seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft, das Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und rassistische Beleidigungen gegen ihn. Und er greift dabei auch die deutsche Nationalelf an.
In einem Interview mit der US-amerikanischen Sport-Website "The Athletic " kritisiert der 31 Jahre alte Mittelfeldspieler des FC Arsenal, dass er während der WM 2018 in Russland keine Unterstützung aus der Nationalelf erhalten habe: "Aber nach dem Foto (mit Erdogan; Anm. der Redaktion) habe ich mich nicht respektiert und nicht geschützt gefühlt. Ich wurde rassistisch beleidigt - sogar von Politikern und öffentlichen Personen. Aber niemand aus dem Nationalteam hat damals gesagt: 'Hey, hört auf damit! Er ist unser Spieler. Ihr könnt ihn nicht so beleidigen'", sagte Özil. Alle seien stumm geblieben und hätten es passieren lassen.
Seinen Rücktritt hatte Özil im Juli 2018 in einem dreiteiligen Statement auf seinen Social-Media-Kanälen erklärt. Schon darin hatte er Rassismus angeprangert und vor allem den damaligen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel scharf attackiert.
Das Erdogan-Foto bereut Özil nicht
Nun aber erweitert Özil seine Kritik: "Ich hatte das Gefühl, dass von mir erwartet wird, dass ich mich für das Treffen entschuldige. Dass ich zugebe, dass es ein Fehler war. Dann würde alles okay sein. Andernfalls wäre ich nicht mehr willkommen und sollte gehen", sagte Özil. "Das würde ich nie tun."

Mesut Özil im DFB-Trikot: Rücktritt war "die richtige Entscheidung"
Foto: Getty ImagesBundestrainer Joachim Löw hatte vor der WM für Özil und auch für Ilkay Gündogan, der sich ebenfalls mit dem türkischen Präsidenten hatte fotografieren lassen, Partei ergriffen und beide Spieler in Schutz genommen. Nach dem Aus in der Vorrunde aber hatte es vor allem von Grindel, aber auch von DFB-Direktor Kritik an Özil gegeben. Damit befeuerte der DFB die Debatte noch. Özil warf Grindel später in seinem Statement Rassismus vor.
Nun sagte er: Deutschland habe ein großes Problem, das zeige auch der Anschlag in Halle. "Unglücklicherweise ist Rassismus nicht mehr nur ein Thema der Rechten im Land. Er ist in die Mitte der Gesellschaft gerückt."
Dass er im Mai 2018 kurz vor der WM bei einem Treffen in London ein Foto mit Erdogan machen ließ, sei legitim: "Erdogan ist der aktuelle Präsident der Türkei und ich würde diesem Respekt erweisen, egal, wer das ist", sagte Özil. "Obwohl ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin, ist die Türkei ein Teil meiner Herkunft." Wäre Bundeskanzlerin Angela Merkel in London und würde ihn sprechen wollen, "dann würde ich das genauso machen. Es geht nur darum, dem Oberhaupt eines Landes Respekt zu erweisen", so Özil.
Als Özil im Sommer heiratete, soll Erdogan Trauzeuge gewesen sein, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.
Der 31-Jährige will bei Arsenal bleiben
Seinen Rücktritt nach der WM bereue er nicht: "Mit etwas Zeit zum Reflektieren dazwischen weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war", sagte Özil. "Ich sage nicht, dass die Leute mich lieben müssen, aber sie sollten Respekt davor zeigen, was ich für Deutschland getan habe", sagte Özil. "Meine Generation hat den deutschen Fußball verändert."
Beim FC Arsenal steckt Özil derzeit in einer schwierigen Phase. Bei Trainer Unai Emery kommt er kaum zum Einsatz. Von bisher acht Ligapartien spielte er lediglich in einer. Einen vorzeitigen Wechsel aber schließt Özil aus: "Ich werde mindestens bis 2021 bei Arsenal bleiben", sagte er. Dann endet sein aktueller Vertrag.
Ende Juli machte ein versuchter Raubüberfall auf Özil, seine Frau Amine Özil und seinen Arsenal-Kollegen Sead Kolasinac Schlagzeilen. "Ich hatte Angst um meine Frau", sagte Özil dazu. Sie habe sich nach dem Vorfall nicht mehr sicher gefühlt. Es seien harte Wochen gewesen, weder er noch seine Frau hätten daraufhin aber dauerhaft aus London wegziehen wollen.