Hertha-Manager Preetz Verwalter des Mittelmaßes

Die Zukunft gehört Berlin, aber nicht mehr Michael Preetz
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Der Rekordtorjäger von Hertha BSC heißt immer noch Michael Preetz. 93 Liga-Tore hat er für die Berliner erzielt, 1999 war er der Torschützenkönig der Bundesliga. Vielleicht sollte man das an diesem Tag noch einmal ins Gedächtnis rufen. Um daran zu erinnern, welche guten Zeiten der Klub auch mit Preetz verbindet.
Preetz ist allerdings seit 18 Jahren nicht mehr Hertha-Spieler, sondern Hertha-Funktionär, erst als Assistent der Geschäftsführung unter dem raumgreifenden Dieter Hoeneß, ab 2009 dann als Eigenverantwortlicher. Und wenn diese Ära, und das kann man angesichts des Zeitraums schon so nennen, an diesem Sonntag vorbeigeht, dann kann, dann muss man sagen: Bei allen Verdiensten – es war im Großen und Ganzen eine Zeit, die den Verein nicht weitergebracht hat.
Was nicht allein an dem 53-Jährigen gelegen hat, auch das soll in so eine Bilanz einfließen. Hertha ist per se ein merkwürdiger, ein anstrengender Verein, stetig mäandernd zwischen den Ansprüchen. Dass er in der Hauptstadt angesiedelt ist, hat das Arbeiten nicht erleichtert. Damit sind Erwartungen verknüpft, denen Hertha selten gewachsen war. Anderswo hätte Preetz zum geachteten Provinzfürst werden können, hier stand er dauernd unter dem Brennglas.
Mit Big City Club hatte er nichts am Hut
Big City Club – dieses fatale Blingbling-Motto, an dem Hertha gemessen wird und das als Stichwort für jeden schnellen Spott herhalten muss, wenn es nicht läuft – dieses Motto stammte nicht von Preetz. Es wurde ihm und dem Verein vom Investor Lars Windhorst und dessen Botschafter Jürgen Klinsmann aufgepropft. Und es formuliert sozusagen das Anti-Preetz-Programm.
Preetz war nie jemand mit der dicken Hose. Stattdessen stellte er das Hertha-Licht gerne unter den Scheffel, schraubte die Ziele herunter, so sehr, dass selbst geduldige Hertha-Fans über die niedrige Anspruchshaltung ihrer sportlichen Führung den Kopf schüttelten. Spätestens als Windhorst das Sagen im Verein bekam, allerspätestens, als er den früheren Sky-Boss Carsten Schmidt in der Geschäftsführung Preetz vor die Nase setzte, war er nicht mehr der Richtige. Windhorst war er schon länger ein Dorn im Auge, eigentlich ist es erstaunlich und vor allem der schützenden Hand von Präsident Gegenbauer geschuldet, dass Preetz sich so lange noch unter den neuen Gegebenheiten halten konnte.
Er passte mit seinem defensiven Auftreten, seiner »gequälten Stimme«, die der »Tagesspiegel« monierte, nicht mehr ins Rahmenprogramm dieses Vereins. Auch in dieser Hinsicht ist sein Abgang überfällig gewesen.

Michael Peetz als Hertha-Stürmer, selige Zeiten
Foto: Martin-Rose/ BONGARTSPreetz konnte Mangel verwalten, das war sein Ding, er war sozusagen ein Experte für Mittelmaß. Aber Mittelmaß wollte bei Hertha irgendwann keiner mehr. Dass jetzt Arne Friedrich zunächst die Aufgaben von Preetz übernimmt, jener Friedrich, den Klinsmann im Vorjahr unter der schon legendären Jobbeschreibung des Performance Managers an Bord holte, macht den Paradigmenwechsel in der Vereinsführung deutlich.
Mit Friedrich hatte Preetz den Mann an die Seite bekommen, den er eigentlich verhindern wollte. Der Geschäftsführer hat über all die Jahre die sportliche Kompetenz für sich reklamiert, und zwar allein für sich. In dieser Hinsicht war er eine Art Wiedergänger von Dieter Hoeneß, der sich auch allzu gerne in die sportlichen Belange einmischte.
Unglücklich bei der Personalauwahl
Auch deswegen soll dies hier kein Preetz-Entschuldigungs-Text werden, der Geschäftsführer hat in seiner langen Amtszeit vor allem bei der Personalauswahl so oft daneben gelangt, dass es nach der letzten Chance und der allerletzten Chance nun keine allerallerletzte Chance für ihn mehr gab. Schon kurz nach dem Amtsantritt entließ er Trainer Lucien Favre, und als Reaktion darauf stieg das Team gleich mal als Tabellenletzter ab.
Nach dem Wiederaufstieg folgte die Horror-Saison 2011/12, als Preetz nach der Entlassung von Trainer Markus Babbel mit Michael Skibbe und dem Pensionär Otto Rehhagel zwei Panik-Verpflichtungen vornahm, die folgerichtig im nächsten Abstieg mündeten. Schon damals stand Preetz auf der Kippe, er hielt sich dann noch neun weitere Jahre.

Otto Rehhagel und Michael Preetz 2012
Foto: Frank Leonhardt/ dpaNach der Beruhigung der Lage unter Trainer Pál Dárdai beging Preetz dann den vielleicht schwersten Fehler seiner Geschäftsführer-Laufbahn. Um Bewegung in die sportliche Perspektive zu bringen, trennte sich der Verein ohne echte Not von dem im Hertha-Milieu so beliebten Dárdai und vertraute die Mannschaft dem unerfahrenen Ante Covic an. Ein junger frischer Trainer, so hatte sich Preetz das gedacht, wo doch anderswo auch die jungen Kohfeldts und Nagelsmanns sich in der Liga zu gefragten Typen entwickelten. Mit dem Schönheitsfehler, dass Covic kein Nagelsmann war und der Investor Windhorst mit seinem Geld keinen Entwicklungstrainer vorsah, mit dem man Geduld zu haben hatte.
Labbadia erfüllte den Auftrag nicht
Also wurde mit Jürgen Klinsmann anschließend das Ruder komplett herumgeworfen, eine Kurswende um 180 Grad, und schon da hatte man das Gefühl, dass Preetz nicht mehr Herr der Lage ist. Die Verpflichtung von Bruno Labbadia, die Corona-Pause im Frühjahr, das entspannte die Situation zwar dann kurzfristig. Aber den Auftrag des Vereins, aus den zahlreichen Zugängen der kurzen Klinsmann-Zeit eine homogene Mannschaft zu bauen, die oben mitspielen kann, hat der Routinier Labbadia nicht erfüllt. Spätestens seit dieser Woche traute ihm auch keiner mehr zu, dass das noch etwas wird. 0:3 gegen Hoffenheim, 1:4 gegen Werder, innerhalb von drei Tagen, beides daheim im Olympiastadion, das übersteht kein Trainer.
Dieser Kader ist teuer, aber er wirkt in weiten Teilen komplett unrund zusammengestellt, als hätte sich bei den Investitionen niemand ernsthaft darüber Gedanken gemacht, wie die Spieler ins Teamgefüge passen könnten. Es ist eine Gruppe von begabten Einzelspielern, mehr nicht. Für den Polen Krzystof Piatek hat Hertha 23 Millionen Euro an die AC Mailand überwiesen, der Angreifer ist seitdem bestenfalls ein brauchbarer Joker.
Hertha hat viel Geld ausgegeben, seit Windhorst da ist: 77 Millionen Euro im Herbst und Winter mit Klinsmanns Segen, es wird gerne darauf hingewiesen, dass es keinen anderen Verein weltweit gibt, der in dieser Zeit so viel in neue Spieler investiert hat. Die Blütenträume, die mit dem Einstieg von Windhorsts Tennor-Gruppe aufkamen, sind aber nicht gereift. Die ganz große Shoppingtour, die man für den Sommer erwartet hatte, blieb aus – auch weil das Windhorst-Geld zögerlicher floss als mancher das im Klub erhofft hat.
Jetzt will Hertha, so heißt es, Dárdai als Cheftrainer bis zum Saisonende zurückholen, ein Signal, wie ernst es um den Klub steht. Die hochfliegenden Pläne sind erst einmal ad acta gelegt, jetzt geht es zunächst darum, das Team auf eine solide Basis zu stellen und die Klasse zu erhalten, nichts anderes. Das Paradoxe: Es wäre eigentlich eine Situation, wie gemacht für den Verwalter Michael Preetz.