
Platini in Polizeigewahrsam Der gierige Funktionär


Michel Platini
Foto: Eric Gaillard REUTERSMan könnte sich vorstellen, dass Michel Platini den 26. Januar 2007 mittlerweile schon mehrfach verflucht hat. Dabei schien es mal so, als sei dies ein Tag, der Platinis Leben krönen würde. Der Tag, an dem der clevere Platini die Früchte jahrelangen Netzwerkens, Antichambrierens, Kungelns einfuhr. Der Tag, an dem er zum Präsidenten der Europäischen Fußball-Union Uefa gewählt wurde. Eines der mächtigsten Ämter im Weltfußball. Der bisherige Amtsinhaber Lennart Johansson war düpiert. Ein Coup.
In Wirklichkeit war es der Anfang vom Ende des Mythos Michel Platini. Der Anfang eines Weges, der bis zu diesem Dienstag geführt hat, den der noch 63-Jährige in Polizeigewahrsam verbringt. Die Vorbereitungen auf seine Geburtstagsfeier am Samstag müssen erst einmal warten.
Platini war mal einer der besten Fußballer der Welt, gefeiert als Kapitän der Équipe Tricolore, als Europameister 1984, als Mittelfelddirigent von Juventus Turin, er wurde danach Nationaltrainer Frankreichs, er wurde einer der Macher der Fußball-WM 1998 in seiner Heimat; ein Sonnenkind, so wie Franz Beckenbauer in Deutschland.
Platinis Karriere als Chronique scandaleuse
Und wie der Kaiser wurde er anfällig für die Versuchungen der Korruption, der Macht, auch und vor allem der Gier. Vielleicht dachte er: Ich habe dem Fußball so viel gegeben, jetzt kann ich auch ordentlich nehmen. Ungeniert. Im Weltfußball ist man sehr viel gewohnt, was die Vetternwirtschaft der Funktionäre angeht - aber was Platini machte nach diesem 26. Januar 2007, das war irgendwann auch für die Uefa zu viel. Die Karriere des Uefa-Präsidenten Michel Platini ist eine einzige Chronique scandaleuse. Und in ihrem Mittelpunkt steht die skandalumwitterte Vergabe der Fußball-WM-Turniere an Russland und Katar.

Am 26. Januar 2007 löst Platini Lennart Johansson als Uefa-Boss ab
Foto: Michael Dalder REUTERSAm 23. November 2010, noch so ein Datum, das Platini im Nachhinein Grund hat zu verfluchen, traf er sich zum Essen mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Am Tisch saßen zudem der Emir von Katar und der frühere Premier des Emirats, Hamad Ben Jassem. Das alles ist überliefert, es ranken sich viele Spekulationen um dieses Essen. Es heißt, Sarkozy habe Platini an jenem Tag überzeugt, für den WM-Ausrichter Katar zu stimmen, obwohl der Uefa-Chef als Wahlmann des Konkurrenten USA gesetzt war.
Bei diesem Treffen soll es auch um den Kauf des Hauptstadtklubs PSG durch Katar gegangen sein. In jedem Fall gab Platini bei der entscheidenden Abstimmung im Dezember seine Stimme an Russland und Katar. Wenige Wochen später wurde sein Sohn Laurent Europachef der Gruppe Qatar Sport Investments, die später PSG erwarb. Die russische Seite soll sich nach Recherchen der "Sunday Times" mit dem Geschenk eines Picasso-Gemäldes erkenntlich gezeigt haben. Platini wies diese Darstellung zurück. Also die der englischen Journalisten.
Platini hatte anders als manche seiner Funktionärskollegen die Gabe, in der Öffentlichkeit überaus charmant zu wirken. Er war immer eloquent, ein Kommunikator, im Hinterzimmer genauso gewandt wie vor der Kamera - das Gegenteil von einem Apparatschik. Michel Platini schien so etwas wie der perfekte Fußballfunktionär zu sein. Das war er dann auch, aber im negativen Sinne.
Der Weltfußball als Selbstbedienungsladen
Und weil das alles so gut für ihn lief, landeten auch die Zuschläge für mehrere Musikstücke der Uefa - unter anderem die offizielle Komposition der Europa-League-Hymne - bei Platinis Schwiegersohn Yohann Zweig. Bei der WM in Brasilien 2014 ließ sich Platini von den Brasilianern mit einer wertvollen Uhr im Wert von 25.000 Dollar beschenken. Immer wieder sind es schließlich Armbanduhren, für die sich die Sportfunktionäre dankbar erweisen - zuletzt war DFB-Boss Reinhard Grindel über eine solche Affäre gestolpert. Der Franzose schien inzwischen das Gefühl herausgebildet zu haben, die Uefa, überhaupt der Weltfußball, sei ein Selbstbedienungsladen. Was kann mir schon passieren?
Es passierte etwas. Die Razzien bei der Fifa 2015, der Sturz von Joseph Blatter, dem Fußball-Paten, all das riss auch Platini, den Uefa-Boss, einen der obersten Anwärter auf den Job des Fifa-Präsidenten, in den Abgrund. Platini soll eine Spende über 1,8 Millionen Euro von der Fifa, von Blatter erhalten haben. Auch dieses Geld soll in Verbindung mit der WM-Vergabe gestanden haben. Platini hat auch das stets bestritten, dennoch wurde er von der Ethikkommission der Fifa zunächst für acht Jahre für alle Ämter im Fußball gesperrt, der Internationale Sportgerichtshof reduzierte das Strafmaß später auf vier Jahre.
Es gab sogar schon die ersten, die über ein Comeback des Franzosen spekuliert hatten. Die Sperre wäre bald abgelaufen, in diesem Herbst, und mit 63 ist Platini schließlich noch relativ jung für einen Fußballfunktionär. Die französische Polizei dürfte diese Comeback-Pläne erst einmal zum Einsturz gebracht haben.