München gegen Barça Klinsmann kämpft, Hoeneß schweigt, Bayern-Fans toben

Die Enttäuschung sitzt zu tief: Auch Bayerns Achtungserfolg gegen Barcelona kann die München-Fans nicht zu Fans des Trainers machen. Manager Hoeneß war mit dem Spiel sogar zufrieden - die "Klinsmann raus"-Rufe klangen trotzdem so laut wie nie.
Von Michael Neudecker

München - Irgendwann kam Josep Guardiola, und weil Franck Ribéry die Kamera schon in der Hand hatte, musste sich der Trainer des FC Barcelona fügen und fotografieren lassen. Jetzt gibt es eine Aufnahme, auf der Guardiola vor dem Ausgang der Münchner Arena steht, etwas steif und ernst blickend, links und rechts von ihm Ribérys grinsende Kumpels. Das entbehrt schon deshalb nicht einer gewissen Komik, weil Ribéry ja erneut ein möglicher Wechsel nach Barcelona nachgesagt wird.

Jürgen Klinsmann: "Ich kann die Fans verstehen"

Jürgen Klinsmann: "Ich kann die Fans verstehen"

Foto: DPA

Aber Torschütze Ribéry hatte eben seine Freude am späten Dienstagabend, "es hat Spaß gemacht heute", sagte er nach dem 1:1 gegen den FC Barcelona. Und dann kam auch noch Lukas Podolski, er trug eine rote Plastiktüte und eine schwarze Achtziger-Jahre-Baseball-Jacke mit weißen Ärmeln. Es war eine merkwürdige Stimmung, und Ribéry fotografierte weiter einen nach dem anderen.

Als Jürgen Klinsmann naht, fotografiert Ribéry nicht. Ribéry grüßt kurz, Klinsmann geht schnellen Schrittes nach draußen, und als die spanischen Journalisten zu ihm laufen, wehrt er höflich lächelnd ab. Immerhin: Jürgen Klinsmann also war wie immer.

Das ist bemerkenswert: Der FC Bayern hatte im Rückspiel des Champions-League-Viertelfinales gegen den FC Barcelona ein beachtliches 1:1 (0:0) erreicht. Die Fans in der Arena fordern trotzdem den Rauswurf des Trainers. "Klinsmann raus", vor allem aus der Fankurve kam das immer wieder in der zweiten Halbzeit, zum Beispiel gleich nach Keitas Treffer zum Ausgleich (73.), und die Rufe wurden aufgenommen von den anderen Fans im Stadion. So laut wie am Dienstagabend klangen die "Klinsmann-raus"-Parolen noch nie.

Manche riefen auch "Vorstand raus", aber das ist eher als ewige Forderung der kleinen Ultra-Fanszene zu verstehen. Als Ironie zumindest, vielleicht aber sogar Verhöhnung ist allerdings jener Versuch der Anhänger zu werten, ihr ganz eigenes Funktionsteam zusammenzustellen: Nacheinander feierte die Kurve erst Ottmar Hitzfeld, Hermann Gerland, Mehmet Scholl, Oliver Kahn, Lothar Matthäus und am Ende sogar Udo Lattek. Zu diesem Zeitpunkt war das Spiel längst uninteressant geworden. Nach Keitas 1:1 hörten die Bayern auf, zu kämpfen, wohl auch, weil sie endgültig sahen, dass der Qualitätsunterschied zwischen Barcelona und München einfach zu deutlich war. Allein Barcelonas Treffer: die große Kunst des One-touch-Fußballs. "Wir sind gegen eine Mannschaft ausgeschieden, die eine Klasse besser ist", stellte auch Klinsmann fest.

Weil die Bayern aber doch eine ordentliche Leistung zeigten und sich zumindest nicht erneut blamierten, waren sie zufrieden - Manager Uli Hoeneß empfand gar Genugtuung, denn "nach der ersten Halbzeit in Barcelona konnte man den Eindruck haben, dass die Welt untergeht."

Die Welt ist diesmal nicht untergegangen, die Fans aber hat das trotzdem nicht sonderlich interessiert. Die Stimmung war in München noch nie völlig pro Klinsmann - seit dem 0:4 im Hinspiel aber ist die Stimmung vollends gekippt. Jürgen Klinsmann wird das nicht mehr wettmachen können, nicht mit einem 4:0 gegen Frankfurt, nicht mit einem 1:1 gegen Barcelona, vermutlich nicht einmal mit einem ja immer noch möglichen deutschen Meistertitel.

Jürgen Klinsmann ist ein Kämpfer, er lässt sich nichts anmerken. "Ich kann die Fans verstehen", sagte er. Und sprach sofort von der Meisterschaft: "Wir erwarten von uns, dass wir am Schluss auf dem Marienplatz stehen und feiern." Die Aussicht auf den Titel - das ist Klinsmanns letzte Perspektive auf Erfolg in seinem ersten Amtsjahr.

Ob ihm die Herren aus dem Clubvorstand dabei noch behilflich sind, ist schwer zu sagen; es darf zumindest bezweifelt werden. Uli Hoeneß, der am Dienstagabend erstmals seit einer Woche wieder mit der Presse sprach, wollte all die Kritik der Fans und all die Fragen nach Klinsmanns Zukunft nicht kommentieren, immer wieder wiederholte der Manager: "Kein Kommentar." Das ist geschickt und auch verständlich - die Situation in München ist auch so angespannt genug.

"Ich werde die nächsten sechs Wochen dazu nichts sagen", sprach Hoeneß dann noch, bevor er ging. Knapp sechs Wochen noch dauert die Bundesliga-Saison. Sechs Wochen noch wird Jürgen Klinsmann kämpfen - danach scheint alles möglich.

FC Bayern - FC Barcelona 1:1 (0:0)
1:0 Ribéry (47.)
1:1 Keita (73.)
München: Butt - Lell, Lucio, Demichelis, Lahm - van Bommel, Ottl - Sosa (78. Hamit Altintop), Ribery, Ze Roberto (78. Borowski) - Toni. - Trainer: Klinsmann
Barcelona: Victor Valdes - Daniel Alves, Puyol, Piqué, Abidal - Xavi, Toure, Keita - Messi, Eto'o, Iniesta (78. Hleb). - Trainer: Guardiola
Schiedsrichter: Roberto Rosetti (Italien)
Zuschauer: 66.000 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Borowski (3), Demichelis (3), Lell (2), Lucio / Daniel Alves (2), Puyol (2)

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren