Nachruf auf Torwart Ray Clemence Der Mann in Grün

Torleute sind in England normalerweise nicht die geborenen Helden – Ray Clemence jedoch war eine Legende. Die große Zeit des FC Liverpool ist für immer mit seinem Namen verbunden.
So kannte ihn in England jeder: Torwart Ray Clemence

So kannte ihn in England jeder: Torwart Ray Clemence

Foto: imago sportfotodienst / imago images/Kicker/Liedel

Dieser giftgrüne Dress, mehr Pullover als Trikot, dazu meistens die knallrote kurze Hose: Ray Clemence war erkennbar, er stach heraus, auch optisch, und vielleicht hat er mit diesen Signalfarben den einen oder anderen Ball auch magnetisch angezogen. Die gegnerischen Stürmer an der Anfield Road werden in Grün und Rot geträumt haben in jenen Jahren, in denen Ray Clemence auf der Höhe seiner Zeit war. Und es waren keine guten Träume.

Der 25. Mai ist in der Geschichte des FC Liverpool ein wichtiges Datum. Am 25. Mai 2005 vollbrachten die Reds das Kunststück, im Champions-League-Finale gegen AC Mailand ein 0:3 aufzuholen und noch zu gewinnen. Es war der tollkühnste, verrückteste große Sieg in der langen Geschichte des LFC. Der Held war der Torwart Jerzy Dudek, der die Milan-Schützen im Elfmeterschießen entnervte.

Der 25. Mai ist aber auch der Tag gewesen, an dem der FC Liverpool sich erstmals die europäische Krone sicherte, 1977 im Olympiasation von Rom gegen Borussia Mönchengladbach, und schon damals war es das Spiel des Torwarts, das Spiel von Ray Clemence.

Für 18.000 Pfund an die Anfield Road

Seit zehn Jahren stand er damals schon an der Anfield Road unter Vertrag, nachdem er 1967 für läppische 18.000 Pfund von Scunthorpe United nach Liverpool gewechselt war, so waren damals die Summen. Ab 1969 war er der Stammtorwart des Teams, ein Posten, den er von da ab fast zwölf Jahre nicht mehr hergegeben hat. Als er 1981 den Klub Richtung Tottenham Hotspur verließ, hatte er mehr als 650 Pflichtspiele für Liverpool absolviert, haben die Statistiker zusammengezählt. So wird man zur Klublegende.

Er ist Liverpools Torwartlegende

Er ist Liverpools Torwartlegende

Foto: via www.imago-images.de / imago images/Colorsport

Clemence erlebte die große Zeit des FC Liverpool hautnah mit, er durfte noch unter dem legendären Bill Shankly trainieren, danach unter Bob Paisley, bis heute sind das die Ikonen des Vereins, Denkmäler sind ihnen in Liverpool gebaut worden. Er wurde Meister mit dem Team, zwei Mal Uefa-Cup-Sieger, er gewann den FA-Cup, all diese Meriten hatte er schon angesammelt, bevor er am 25. Mai 1977 seinen größten Tag hatte.

Liverpool gegen Mönchengladbach, das hatte es als europäisches Endspiel bereits vier Jahre zuvor gegeben. Im Uefa-Cup hatten sich beide Mannschaften schon zum Finale getroffen, das damals noch als Hin- und Rückspiel ausgetragen wurde. Liverpool legte mit einem 3:0 im Hinspiel die Basis für den Sieg, Ray Clemence hielt einen Elfmeter von Jupp Heynckes, das war entscheidend, der 2:0-Erfolg der Borussia im Rückspiel war für die Deutschen zu wenig. Ein englischer Torwart, der ein Finale durch einen gehaltenen Elfmeter entscheidet. Allein das kann man schon historisch nennen.

Vier Jahre später brannten die Gladbacher auf Revanche, die Mannschaft von Udo Lattek ging aggressiv, offensiv in die Partie, hatte zahlreiche Chancen, aber Clemence machte alle zunichte, auf der Gegenseite erzielte Terry McDermott die Liverpooler Führung. Nach der Pause erhöhten die Gladbacher noch einmal den Druck. Allan Simonsen gelang der Ausgleich, die Partie schien zu kippen, als Uli Stielike die Großchance zum 2:1 auf dem Fuß hatte. Clemence hatte die Finger dran und verhinderte das Tor. Das war der Wendepunkt. Zwei Minuten später köpfte Tommy Smith Liverpools 2:1, es war das 600. Spiel des Verteidigers für seinen Klub, an diesem Abend passte einfach alles zusammen. Die Gladbacher kamen danach nicht mehr zurück. Phil Neals Elfmeter zum 3:1-Endstand war nur noch die Sahnehaube.

Ray Clemence und seine Teamkollegen nach dem zweiten Landesmeister-Gewinn 1978

Ray Clemence und seine Teamkollegen nach dem zweiten Landesmeister-Gewinn 1978

Foto: imago sportfotodienst / imago/WEREK

Nie zuvor stand der FC Liverpool in Europa ganz oben, diese Mannschaft hatte es geschafft. Europapokalsieger der Landesmeister, so hieß es damals noch. Mit Kevin Keegan, der die Reds danach verließ und den Hamburger SV zur Glorie führte, mit Tommy Smith und Phil Neal, diesen Kanthölzern in der Abwehr, mit dem Kapitän Emlyn Huges, mit Jimmy Case und Steve Heighway, jeder LFC-Fan kann die Namen heute noch herunterbeten. Und hinter ihnen hielt Ray Clemence den Kasten sauber, nie wieder hat der FC Liverpool so oft zu null gespielt wie zu seiner Zeit.

1981 war diese Zeit vorbei, Paisley wollte den neuen Keeper Bruce Grobbelaar als Nummer eins aufbauen. Clemence wechselte zum Ligarivalen Tottenham, als er zum ersten Mal nach Anfield zurückkehrte, feierten die Fans auf der Kop ihren ehemaligen Torwart minutenlang. Gleich im ersten Jahr erreichte er mit den Spurs das Finale des Ligacups, das er aber verlor. Der Gegner: FC Liverpool.

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Im Verein machte er die Glanzzeiten mit, als englischer Nationaltorwart erlebte er die Jahre der Dürre. England und Clemence verpassten zwei Mal die WM-Teilnahme, 1974 und 1978, die Frage nach der Nummer eins im Tor der Three Lions blieb zudem über Jahre unbeantwortet, da mit Clemence und Peter Shilton zwei Topleute zur Verfügung standen. Erst 1982 war England wieder bei einem Weltturnier dabei, Clemence zwar im Kader, aber Shilton stand im Tor. 61 Länderspiele immerhin machte Clemence, aber er wird immer als großer Vereinstorwart in Erinnerung bleiben.

Der englische Fußball hat in den letzten Jahren viele seiner Großen verloren, Gordon Banks, Jack Charlton, zuletzt Nobby Stiles. Jetzt gehört auch der Name Ray Clemence dazu. Er starb mit 72 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. England trägt Schwarz für den Mann in Grün.

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