
Rudi Assauer: Macher der Herzen
Zum Tod von Rudi Assauer Der Schalker, den die Dortmunder verehren
Am 19. Mai 2001 ballt Rudi Assauer die Faust und wirft sie zum Zeichen des Jubels in die Luft. Zweimal, dreimal, immer wieder. Der Mund des Managers ist weit aufgerissen. Die Freude muss einfach raus. Die Freude darüber, dass der FC Schalke 04 nach 43 Jahren endlich wieder Deutscher Meister ist.
Der Rest der Geschichte ist bekannt: Vier Minuten und 38 Sekunden hält der Freudentaumel im Gelsenkirchener Parkstadion an. Dann trifft Patrik Andersson in Hamburg zum 1:1 für den FC Bayern. Und aus der Schalker Meisterschaft wird die Meisterschaft der Herzen.
Es hätte der größte Moment in der Karriere des Rudi Assauer werden sollen und wurde seine bitterste Niederlage. Was Assauer auszeichnete: Obwohl er wie alle Schalker am Boden zerstört war, fand er relativ schnell die Fassung wieder und stellte sich den Journalisten. "Wer vorher feiert, feiert meist umsonst", sagte er und zündete sich eine Zigarre an.
Assauer war Schalke, und Schalke war Assauer
Insgesamt 18 Jahre war Assauer Manager auf Schalke - von 1981 bis 1986 und dann wieder von 1993 bis 2006. In seiner zweiten Amtszeit verpflichtete er "Jahrhunderttrainer" Huub Stevens und legte so den Grundstein für die erfolgreichste Phase der jüngeren Vereinsgeschichte, in der Schalke Uefa-Pokal- und zweimal DFB-Pokalsieger wurde. Und Assauer zum Superstar, der seine Beziehung mit Schauspielerin Simone Thomalla öffentlich inszenierte.

Rudi Assauer: Macher der Herzen
Mit seiner akkurat sitzenden Frisur, dem lässig-stylischen Anzug ohne Krawatte und natürlich der stets qualmenden Cohiba zwischen den Lippen war Assauer das Sinnbild eines Fußballmanagers der Jahrtausendwende. Gemeinsam mit Uli Hoeneß, Willi Lemke und Reiner Calmund prägte er eine Ära, in der die Männer, die eigentlich hinter den Kulissen arbeiten sollten, zu den schillerndsten und charismatischsten Figuren im Fußballgeschäft gehörten.
Assauer war Schalke, und Schalke war Assauer. Das wurde so sehr zum Selbstverständnis, dass er sich manchmal in Interviews selbst an seine eigentliche sportliche Heimat erinnern musste. "Das weiß heute keiner, dass ich damals da gespielt habe, bei Borussia Dortmund. Ich war auch nur ein ganz kleines Licht", sagte Assauer über diese Zeit und zeigte, wie gut das vermeintliche Großmaul das Understatement beherrschte.
Europapokalsieger mit Borussia Dortmund
Zwischen 1964 und 1970 bestritt er 119 Spiele in der gerade gegründeten Bundesliga für den BVB und gewann 1966 mit der Borussia als erste deutsche Vereinsmannschaft einen großen internationalen Titel. Im Finale des Europapokals der Pokalsieger besiegte Dortmund den FC Liverpool 2:1 nach Verlängerung - mit Assauer in der Verteidigung. Bis zuletzt blieb der "ewige Schalker" auch dem anderen großen Verein im Ruhrgebiet treu. 2010 wurde Assauer anlässlich seiner 40-jährigen Mitgliedschaft ein Stern auf dem "BVB Walk of Fame" in der Dortmunder Innenstadt gewidmet.
Nach sechs Profijahren bei Werder Bremen und fast 200 Ligaspielen für den Verein übernahm er dort zum ersten Mal die Rolle des Managers, bevor es ihn nach Gelsenkirchen verschlug. Auf Schalke wurde Assauer trotz seiner Dortmunder Vergangenheit akzeptiert. Als Kind des Ruhrgebiets, gelernter Stahlbauschlosser und ehemaliger Malocher auf der Zeche Ewald in Herten wusste er, wie er mit den Menschen umzugehen hatte. Er war einer von ihnen und blieb es trotz Anzug und Zigarre.
"Entweder ich schaffe Schalke, oder Schalke schafft mich", hat Assauer mal gesagt. Mit dem Bau der heutigen Arena, den er gegen große Widerstände innerhalb und außerhalb des Vereins durchsetzte, hat er sich ein Denkmal gesetzt. Weil die Kosten explodierten, wurde Assauer zeitweise ausgepfiffen. Inzwischen lieben viele Fans ihr neues Zuhause und verehren den ehemaligen Manager als Visionär.
Offener Umgang mit Alzheimer
Viele bedauern noch heute seinen Rückzug 2006, als er eigentlich Vorstandsvorsitzender werden sollte, aber nach einem Streit mit dem Aufsichtsrat zurücktrat. Mit Clemens Tönnies, dem neuen starken Mann auf Schalke, verband ihn bis zuletzt eine tiefe Abneigung aus Überzeugung. "Der macht einen großen Bogen, wenn er mich sieht", sagte Assauer 2009 in seinem Videoblog "Zündstoff", bevor er sich aus der Öffentlichkeit verabschiedete.
Wie später bekannt wurde, litt Assauer zu dem Zeitpunkt schon an Alzheimer. Nachdem er die Krankheit lange geheim halten wollte, ging er ab 2012 offen mit der Demenz um, ließ sich für eine Dokumentation begleiten und veröffentlichte seine Memoiren unter dem Titel "Wie ausgewechselt - Verblassende Erinnerungen an mein Leben". Im Oktober 2018 gab Assauers Tochter Bettina Michel unter Tränen bekannt, dass ihr Vater die Arena nie wieder betreten würde. Am 6. Februar ist Rudi Assauer gestorben.