DFB-Neuling Hier kommt Herrmann

Löw, Herrmann: "Er könnte im Hinblick auf die EM eine Rolle spielen"
Foto: Christof Koepsel/ Bongarts/Getty ImagesMan kann einem Profi von Borussia Mönchengladbach einen größeren Gefallen tun, als ihn ausgerechnet in Köln debütieren zu lassen - der Stadt des alten Rivalen. Aber solche Details dürften Patrick Herrmann kaum interessieren. Der Offensivspieler hat so lange auf seinen ersten Einsatz in der Fußballnationalmannschaft warten müssen, dass die "Bild"-Zeitung die Stoßseufzer-Überschrift "Endlich" wählte. Beim Länderspiel gegen die USA (20.45 Uhr ARD, Liveticker SPIEGEL ONLINE) soll Herrmann der 75. Neuling unter Bundestrainer Joachim Löw werden.
Herrmann ist 24 Jahre jung. Ihn deshalb als spätberufen zu bezeichnen, wäre ungerecht. Schließlich gehört er bereits seit sechs Jahren dem Profikader der Borussia an, 160 Bundesliga-Partien hat er mittlerweile absolviert, dabei 33 Tore erzielt, er hat alle U-Mannschaften des DFB durchlaufen. Aber der Sprung ins A-Team blieb ihm bislang versagt.
Man kann auch nicht behaupten, dass es dem Bundestrainer an schnellen, wendigen Offensivspielern mangelt: André Schürrle, Marco Reus (Herrmanns ehemaliger Teamkollege), Mesut Özil, Mario Götze, Karim Bellarabi - es gibt Planstellen in der Nationalmannschaft, bei denen es leichter ist, in den Kader zu rutschen. Es ist für den deutschen Fußball ein Segen, dass er Spielertypen wie Herrmann in ausreichender Zahl besitzt. Nur für den Gladbacher war das bislang wenig hilfreich.
Auch ein Honorieren der Gladbacher Teamleistung
Aber da ein Gutteil der etablierten Offensivkräfte zuletzt keine großen Leistungen brachte, zudem Marco Reus und Thomas Müller gegen die USA am Mittwochabend und gegen Gibraltar am Samstag geschont werden, bekommt Herrmann nun seine Chance. Und wenn nicht jetzt, wann dann?
Der Gladbacher spielte wie sein gesamtes Team eine beeindruckende Rückrunde, nach der Winterpause traf er achtmal. Mit der Nominierung honoriert der Bundestrainer etwas, was bei der Borussia unter Lucien Favre entstanden ist. Mit Christoph Kramer, Max Kruse und jetzt Herrmann stehen drei Gladbacher im Aufgebot des DFB. Das gab es zuletzt in den Achtzigerjahren.

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Der König der Ausgewechselten
Mittlerweile sagt Löw sogar: "Im Hinblick auf die EM ist er einer der Spieler, die eine Rolle spielen könnten." Der Gladbacher habe "enorm dazugelernt, bisher war er vor allem schnell, jetzt kommen Umkehrspiel, Organisation, Torgefährlichkeit dazu". Tatsächlich galt Herrmann bislang als Leichtgewicht, körperlich nicht robust genug. Bis heute gibt es beinahe keine Partie, in der Favre ihn nicht vor Ablauf der 90 Minuten vom Feld nimmt. Er ist der König der Ausgewechselten in der Bundesliga.
Aber der Gladbacher hat an seinen körperlichen Defiziten gearbeitet, hat Muskelmasse draufgepackt. Das ist auch dem Bundestrainer nicht verborgen geblieben.
Seine Nominierung nennt Herrmann "das i-Tüpfelchen auf eine Super-Saison", er werde nun "alles tun, häufiger dabei zu sein", sagte er der "Bild"-Zeitung. Leicht wird das nicht sein. Wenn im Herbst die entscheidenden Qualifikationsspiele gegen Polen, Irland und Schottland anstehen, liegt es nahe, auf die erfahreneren Spieler zurückzugreifen, auf den abgezockten Thomas Müller vor allem, der die rechte Offensivseite bespielt, die auch Herrmanns bevorzugtes Revier ist.
Dass der Bundestrainer aber auch mal Spieler ins kalte Wasser wirft, hat er vergangenes Jahr mit Karim Bellarabi bewiesen. Den Leverkusener beorderte Löw bei der wichtigen Qualifikationspartie in Polen nach einigen starken Bundesligaspielen in die Startelf. Seitdem gehört Bellarabi dazu.
In Sachen Schnelligkeit geben sich Herrmann und der Leverkusener nicht viel, der Gladbacher gilt jedoch als deutlich konzentrierter beim Torabschluss. Wenn man weiß, wie sehr Löw die mangelnde Chancenverwertung seines Teams nervt, dann ahnt man, dass dies Herrmanns Chance sein könnte. Schnell wie Bellarabi und abgebrüht wie Müller - eine solche Kombination fehlt dem Bundestrainer dann doch in seinem Portfolio.
Wenn Herrmann es gelingt, diese Lücke zu füllen, dann ist auch für ihn noch Platz, sogar im EM-Kader. Das lange Warten hätte sich gelohnt.