
Nationalspieler Arne Friedrich "Wir sind schon alte Säcke"
Frage: Herr Friedrich, können Sie eigentlich auch im defensiven Mittelfeld spielen?
Friedrich: Da habe ich zumindest noch nie gespielt. Aber ich weiß, was Sie ansprechen. Seien Sie beruhigt, im Moment haben wir noch genügend Spieler, die auf dieser Position zu Hause sind.
Frage: Mit Christian Träsch ist der nächste Mittelfeldspieler ausgefallen.
Friedrich: Die Verletzung von Christian ist unglaublich bitter. Vor allem für ihn persönlich. Ich habe ihn gestern Abend noch kurz gesehen, er war sehr, sehr niedergeschlagen. Er ist ein junger Spieler, der gerade vor seinem allerersten großen Turnier stand. Ich hoffe, er kann es wegstecken.
Frage: Und die Mannschaft? Viele solcher Nachrichten dürfen nicht mehr kommen.
Friedrich: Aber diese Rückschläge lassen uns auch noch näher zusammenrücken, wir sind ein verschworenes Team. Und ich bin mir sicher, dass wir trotz der Ausfälle ein sehr gutes Turnier spielen werden.
Frage: Mit Ihnen als Kapitän?
Friedrich: Nein, ich glaube nicht.
Frage: Warum so viel Bescheidenheit? Sie waren Stammspieler bei den vergangenen drei großen Turnieren.
Friedrich: Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger kommen eher für die Position in Frage, oder eben Miro Klose als Routinier. Sie haben mit Bayern München sehr viel internationale Erfahrung sammeln können. Aber man muss doch nicht unbedingt die Kapitänsbinde tragen, um Verantwortung zu übernehmen.
Frage: Wie sieht diese Verantwortung denn in Ihrem Fall konkret aus?
Friedrich: Auf dem Platz heißt das, Präsenz zu zeigen und auch mal laut zu werden. Außerhalb des Platzes spreche ich viel mit den jungen Spielern. Es sind eigentlich die gleichen Aufgaben, die auch ein Kapitän hat - nur mache ich das eben ohne Binde.
Frage: Sie sind zusammen mit Miroslav Klose der einzige Feldspieler, der in den Siebzigern geboren ist.
Friedrich: Wirklich? Ja, wir sind schon alte Säcke. 2004 war ich noch einer der jüngsten Spieler. Ein bisschen schade ist es schon, wie schnell die Zeit vergeht. Aber es ist auch schön, wenn mit dem Alter die Verantwortung wächst.
Frage: Per Mertesacker sagt, die Jugend der Mannschaft könne auch ein Vorteil sein. Die Spieler seien unbekümmerter. Wie unbekümmert sind Sie noch mit fast 31?
Friedrich: Sehr. Ich genieße die Zeit, ich weiß es nämlich sehr zu schätzen, was es bedeutet, ein Turnier spielen zu dürfen. Es gab so viele große Talente, denen das versagt geblieben ist. Sebastian Deisler, vielleicht der talentierteste von allen, hat wegen diverser Verletzungen nur an einer einzigen EM teilnehmen können.
Frage: Aber ist die Mannschaft nicht zu jung?
Friedrich: Sie ist jung, aber sie ist auch sehr talentiert. Ich vertraue einfach auf die Auswahl der Trainer, bisher lagen sie ja nie falsch. Bei der WM 2006 sind wir Dritter geworden, bei der EM 2008 Zweiter. Warum soll es diesmal anders sein?
Frage: Sie waren fast sieben Jahre lang Stammspieler in der Nationalmannschaft - als rechter Verteidiger. Dabei sind Sie eigentlich als Innenverteidiger besser. Wie schafft man das, so lange so konstant zu spielen auf einer Position
Friedrich: die nicht unbedingt meine Lieblinsposition ist? Mittlerweile bin ich ja auch in der Nationalmannschaft für die Innenverteidigung vorgesehen, und da fühle ich mich tatsächlich viel wohler. Ich habe eben meine Stärken in der Defensive. Und heutzutage hat sich das Spiel des Außenverteidigers auch deutlich geändert. Philipp Lahm oder Ashley Cole, das sind relativ kleine, wendige Spieler, die hoch- und runtermarschieren können. Das ist ja nicht mein Spiel. Ich habe als Rechtsverteidiger meine besten Spiele gemacht, wenn ich einen direkten Gegenspieler hatte, gegen Portugal 2008 oder Argentinien 2006.
Frage: Die Umstellung war kein Problem?
Friedrich: Nein, überhaupt nicht. Wir arbeiten sehr viel taktisch, jeder Spieler weiß, welche Anforderungen welche Position hat. Entscheidend ist nur, dass man sich einspielt und genau weiß, was sein Nebenmann macht. Gerade in der Abwehrkette.
Frage: Denken Sie wirklich, die Zeit zum Einspielen reicht? Es gibt vor der WM nur noch zwei Testspiele, die Bayern kamen mit Verspätung zur Mannschaft.
Friedrich: Auf jeden Fall wird es eng. Aber es war in der jüngeren Vergangenheit eigentlich immer so, dass in den Trainingseinheiten vor den großen Turnieren schnell große Fortschritte zu sehen waren.
Frage: Wenn das DFB-Team schon nicht zu jung ist, ist es dann wenigstens zu brav?
Friedrich: Wie meinen Sie das?
Frage: Torsten Frings und Michael Ballack schienen bei der WM 2006 in entscheidenden Momenten in der Lage, ein Zeichen zu setzen - durch ein Foul im Mittelfeld.
Friedrich: Das kann sein, aber mittlerweile geben die Trainer ein ganz anderes Anforderungsprofil vor. Sie wollen keine unnötigen Fouls mehr sehen, sie haben uns gezeigt, wie viele Gegentore aus solchen Aktionen resultieren können. Spiele heute werden häufig über Standardsituationen entschieden, da sollte man solche Fouls tunlichst vermeiden.
Frage: Lukas Podolski hat nur zwei Tore in der abgelaufenen Bundesliga-Saison geschossen, Miroslav Klose drei. Sie haben mit Hertha BSC gegen den Abstieg gespielt. Warum hatte man trotzdem nie das Gefühl, dass Sie um den Platz im WM-Kader bangen mussten?
Friedrich: Wir mussten auch bangen, glauben Sie mir. Aber auf der anderen Seite haben wir auch schon mehrere Turniere gespielt. Und ich denke der Bundestrainer weiß auch, was er an uns hat.
Frage: Wussten Sie, dass Sie einen DFB-Rekord halten? Den für die meisten Länderspiele ohne Tor?
Friedrich: Natürlich. Und das ist doch auch was, oder? Immerhin eine Statistik, die ich anführe. Ein Eigentor habe ich ja schon. Aber ehrlich gesagt kann ich darüber nur schmunzeln. In der Bundesliga habe ich schon ein paar Tore geschossen, nur im Nationaltrikot soll es irgendwie nicht klappen.
Frage: Sie wirken bei dem Thema sehr gelassen.
Friedrich: Weil das einfach nebensächlich ist, es gibt Wichtigeres. Ich nehme jetzt an meinem vierten Turnier teil und habe 70 Länderspiele. Klar ist es eigentlich Wahnsinn, dass ich in 70 Spielen nicht ein Tor gemacht habe, aber ich kann das nicht ändern.
Frage: Immerhin gab es bisher niemanden in Deutschland, der schon nach seinem zweiten Bundesliga-Spiel sein erstes Länderspiel gemacht hat, wie Ihnen das im August 2002 gelungen ist.
Friedrich: Das ist genaugenommen auch Wahnsinn. Aber zum Glück denkt man darüber ja nicht mehr nach.
Frage: Sondern?
Friedrich: Derzeit beschäftigt mich vor allem die Frage, wie wir ein gutes Turnier spielen.