Neuer Wettbewerb Die Nations League ist ein Gewinn

Unnötig, am besten wieder abschaffen: Gerade in Deutschland gibt es gegenüber der Nations League viel Kritik. In England jedoch sorgt der Wettbewerb genauso für Begeisterung wie bei Fußballzwerg Luxemburg.
Harry Kane (Mitte)

Harry Kane (Mitte)

Foto: Rui Vieira/ AP

Die Gruppenphase der neu geschaffenen Nations League ist abgeschlossen. Aus deutscher Sicht endete sie mit dem Abstieg von Gruppe A in Gruppe B. Für das Finale haben sich England, Portugal, die Niederlande und die Schweiz qualifiziert. Im Frühjahr 2020 spielen die 16 Sieger der Gruppen in den Klassen A bis D zudem vier EM-Teilnehmer aus. Dann haben Teams wie die Ukraine, Finnland, aber auch Weißrussland die Chance, sich für das Endturnier zu qualifizieren.

Vor Start des Wettbewerbs gab es vor allem aus Deutschland Kritik: "Keiner braucht die Nations League", befand Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge. Sein Dortmunder Kollege Hans-Joachim Watzke sagte: "Wir haben genug Wettbewerbe", der Schalker Sportvorstand Christian Heidel forderte eine Abschaffung des 2014 beschlossenen Nationenturniers. Sie lagen falsch. Die Zuschauer bekommen nicht mehr Spiele zu sehen. Nur spannendere.

Ausnahmefall Deutschland

Deutschland hatte nach dem desaströsen WM-Aus direkt Gelegenheit, gegen Weltmeister Frankreich und den alten Rivalen aus den Niederlanden Wiedergutmachung zu betreiben. Dies misslang. Dass beim abschließenden Spiel in Gelsenkirchen eine seltsam distanzierte Stimmung im Stadion herrschte, ist kein Problem der Nations League, sondern Ausdruck des gestörten Binnenverhältnisses zwischen Deutschem Fußball-Bund und seinen Fans. War das 2:2 der Niederländer für die Deutschen nur ein Ärgernis mehr in diesem Länderspieljahr, so bedeutete es für die Gäste die Qualifikation für das Final Four in Portugal. Endlich wieder ein Erfolg!

Jubelnde Schweizer

Jubelnde Schweizer

Foto: ENNIO LEANZA/EPA-EFE/REX

Ähnliche Begeisterung herrschte bei den Schweizern, die gegen Belgien in der abschließenden Partie nach einem 0:2-Rückstand noch vier Tore erzielen mussten - und 5:2 gewannen. Die ganze Dramatik des neuen Wettbewerbs bündelte sich in Gruppe A4: Eine Viertelstunde vor Schluss war Kroatien Erster, England Letzter. Dann trafen die Engländer zum Ausgleich, und plötzlich war Spanien Gruppensieger, bevor die Engländer mit dem Siegtreffer selbst Platz eins eroberten und die eben noch führenden Kroaten in Gruppe B abgestiegen waren.

Ein Thriller, der sich in knapp zwei Monaten zwischen Spieltag eins und sechs aufgebaut hatte. "So habe ich Wembley im England-Trikot noch nie erlebt", sagte Siegtorschütze Harry Kane nach seinem Treffer vor knapp 80.000 Zuschauern in der Nachspielzeit. Undenkbar in einem Freundschaftsspiel, das die Engländer stattdessen ausgetragen hätten. Große Teams, große Gefühle - doch wie erlebten die Kleinen den Wettbewerb, der ihnen Duelle auf Augenhöhe, aber keine Begegnungen mit den attraktiven Fußballnationen des Kontinents bot?

Luxemburg zittert, Weißrussland jubelt

Mitte November stand das Großherzogtum Luxemburg vor seinem wichtigsten Spiel der jüngeren Geschichte. So riefen es die Publikationen des kleinen Landes aus. Mit einem Sieg gegen Weißrussland hätte das Team von Nationaltrainer Luc Holtz den Aufstieg in die Gruppe C schaffen und sich gleichzeitig für die Playoffs im Frühjahr 2020 qualifizieren können. Dann wäre Luxemburg nur noch zwei Siege von der Qualifikation für die EM entfernt gewesen - eine Sensation, die erst durch den neuen Wettbewerb möglich wurde.

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Premierminister Xavier Bettel war am Tag des Spiels im Stade Josy Barthel zu Gast, das die Zuschauer nach einem gemeinsamen Fanmarsch erreichten. Die Stimmung bei den ansonsten zurückhaltenden Besuchern der luxemburgischen Länderspiele war geradezu euphorisch, "Lëtzebuerg, Lëtzebuerg" schallte es durchs Stadion. 90 Minuten später war die Sensation nach einem 0:2 verpasst, Weißrussland sicherte sich nach einem weiteren Sieg Platz eins in der Gruppe.

Jetzt hat das Team von Trainer Igor Kriushenko eine realistische Chance auf die erstmalige Qualifikation für ein europäisches Endturnier. Bei der herkömmlichen Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich standen sich beide Mannschaften übrigens ebenfalls gegenüber. Damals fehlten ihnen elf bzw. achtzehn Punkte zur Qualifikation - das Erreichen des Endturniers war von vorneherein illusorisch.

Den realistischen Traum vom EM-Endturnier hat bei Nationalteams dieser Qualität erst die Nations League geweckt. Für die Attraktivität des Fußballs kann das nur gut sein.

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