Nazis im Fußball "Sieg Heil" statt "Sport frei"
Heimspiel in Sachsen, Kreisklasse. Die beiden Mannschaften stehen sich am Mittelkreis gegenüber. Der Schiedsrichter bittet um ein faires Spiel. Wie in Ostdeutschland üblich begrüßt er die Fußballer mit den Worten "Sport frei". Drei Spieler stehen besonders gerade. Unter das "Sport frei" der anderen Kicker mischt sich ein dreifaches "Sieg Heil", laut genug für Zuschauer und Mitspieler. Der Schiedsrichter hört nichts. Danach wird gekickt.
Über den Fußball werden neue Nazis rekrutiert. Der Volkssport dient als Werkzeug für Volksverhetzer. Eine simple, aber wirkungsvolle Idee, findet Gabriel Landgraf. Sechs Jahre hat der 29-Jährige für rechtsextreme Organisationen gearbeitet, er war Führer der mittlerweile aufgelösten Kameradschaft Märkischer Heimatschutz. Vor eineinhalb Jahren schaffte er den Absprung. "Durch den Fußball bin ich zu den Nazis gekommen", sagt der Aussteiger. Als Neugieriger war er ins Berliner Olympiastadion gegangen. Er landete im Block der Rechtsextremen und schließlich in deren Mitte. Später veranstaltete er mit Kameraden wöchentlich eigene Fußballspiele: "Wenn da einer war, aus dem man etwas machen konnte, hat man ihn zum Fußball eingeladen. Danach wurde gegrillt. So konnte man unkompliziert Nachwuchs ködern so läuft das deutschlandweit."
Rund sechs Millionen Menschen spielen in diesem Land organisiert Fußball. Damit sind sie für rechts interessant, denn NPD, freie Kameradschaften und DVU wollen in Vereinen, Verbänden und Versammlungen ihre Ideologie verbreiten. Die Macht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) schwindet in Deutschland spätestens ab Liga vier, das Vakuum wird von Rechten gefüllt. Dabei sind sie gut vernetzt. Sie organisieren eigene "Nationale Fußballturniere", um Kontakte zu pflegen und neue Mitstreiter zu gewinnen. Sie sind immer weniger erkennbar, gewalttätiges Auftreten wird vermieden. Die Unterwanderung ganzer Fußballvereine funktioniert ohne Glatze und Stiefel. Exkamerad Landgraf erklärt: "Da heißt es: Der Junge spielt Fußball und ist in der freiwilligen Feuerwehr aktiv das kann kein Nazi sein."
Beim FSV Görlitz-Schlesien II spielen die Fußballer, die sich vor dem Anpfiff mit einem "Sieg Heil"-Ruf motiviert haben. Görlitz ist die östlichste Stadt Deutschlands. Sachsen wird hier nur durch einen Fluss von Polen getrennt. Ein Spieler vom FSV Görlitz-Schlesien, der namentlich nicht zitiert werden möchte, bestätigt den "Sieg Heil"-Gruß. Ansonsten, findet er, spielten in seinem Team "lauter nette Kerle". Auf dem Sportplatz gehe es ruhig zu, da könne man nichts sagen. Obwohl, einer habe in der Tat ein Hakenkreuz als Hintergrundbild seines Handys. Und ja, der Szenecode "88" schmücke auch manche Freizeitkleidung, aber der könne doch auch für etwas anderes als "Heil Hitler" stehen.
Am ersten Dezemberwochenende des vergangenen Jahres es herrschten optimale Platzverhältnisse wurde das Heimspiel des FSV Görlitz-Schlesien eine Stunde vor Anpfiff von den Görlitzern abgesagt. Bis heute kennen weder die Spieler der Gastmannschaft noch der Kreisliga-Staffelleiter den Grund für diese Absage. Ob es damit zu tun hatte, dass einige Görlitzer vom Vorhaben der "Rund"-Redaktion wussten, sich das Team aus der Nähe anzuschauen? Der Vorsitzende des FSV Görlitz-Schlesien zog es jedenfalls vor, auf mehrere Anfragen nur ausweichende Antworten zu geben.
Bernd Stracke leitet in der Nähe von Görlitz eine öffentlich geförderte Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus. Günther Hoffmann engagiert sich in Ostvorpommern gegen NPD und Kameradschaften. Wenn die beiden Männer von ihren Erfahrungen im ländlichen Raum reden, erinnern ihre Erzählungen an das Märchen vom Hasen und dem Igel. Wo immer sie auch hinkommen, sind die Rechten schon da. Wenn irgendwo eine Krabbelgruppe oder ein Jugendzentrum geschlossen wird, machen die Rechtsextremisten eigene auf. Mitglieder von Kameradschaften helfen Omas beim Einkaufen, geben Hausaufgabenhilfe oder pflanzen unter dem Motto "Naturschutz ist Heimatschutz" Bäume.
Hoffmann sagt: "Der Rechtsextremismus ist in Ostvorpommern in den Alltag eingesickert." Stracke meint: "Das Konzept der Rechten ist in der Lausitz voll aufgegangen. Die Kameradschaften haben eine eigene Infrastruktur aufgebaut. Wer organisiert ist, hat weniger Angst vor Arbeitslosigkeit. In manchen Ecken bilden die Nazis die Elite. Sie gründen Firmen, unterstützen kulturelle Aktivitäten, Vereine und treffen sich regelmäßig zu eigenen Fußballturnieren. "Solche Turniere werden überall in Deutschland ausgetragen. Dazu werden Dorfplätze oder Hallen gemietet. Dann werden speziell die Jugendlichen, die noch nicht so gefestigt sind, zum Fußball eingeladen", erklärt Landgraf. "Nach dem Fußball wird aussortiert: Mit wem kann man was anfangen, mit wem nicht."
Lesen Sie morgen im zweiten Teil, wie Nazis auch den Vereinsfußball unterwandern und bei manchen Clubs sogar den Sicherheitsdienst stellen.
Autoren: Steffen Dobbert und Christoph Ruf, Mitarbeit: Lennart Laberenz, Matthias Gärtner und Olaf Sundermeyer.