
Ausschreitungen in Leipzig: Attacken mit Holzlatten
Neonazi-Attacke im Leipziger Fußball "Die Dummen kommen"
Erneut ist es im Leipziger Fußball zu einem gewalttätigen Überfall von Rechtsextremen auf Fußballfans gekommen - diesmal bei einem Spiel in der Bezirksklasse im Umland der sächsischen Metropole. Bei dem Angriff auf Fans des Clubs "Roter Stern Leipzig" (RSL) wurden in dem etwa 20 Kilometer östlich von Leipzig gelegenen Städtchen Brandis drei Personen verletzt, einer davon so schwer, dass er nach dem Angriff reglos liegen blieb und sich derzeit in der Intensivstation eines Leipziger Krankenhauses befindet. Sein Jochbein ist gebrochen, es ist nicht auszuschließen, dass er durch den Angriff sein Augenlicht verloren hat.
An dem Überfall waren 50 Personen auf Seiten der Angreifer beteiligt, die Gruppe der Gästefans umfasste etwa 150 Personen. Die Angreifer konnten auch wegen dieser zahlenmäßigen Überlegenheit schließlich in die Flucht geschlagen werden. Das Spiel wurde abgebrochen. Von dem Angriff existiert Bildmaterial, das SPIEGEL ONLINE vorliegt.
Wie ein Fan des "Roten Stern", der selbst Augenzeuge der Ereignisse war, SPIEGEL ONLINE sagte, sei die ideologische Herkunft der Angreifer eindeutig: "Das war eine Mischung aus rechten Hools und einschlägig bekannten Neonazis aus dem Muldentalkreis." Der Landkreis um die Kleinstadt Wurzen gilt seit Jahren als Hochburg der rechtsextremen Szene. Den Angegriffenen gelang es, einzelne Angreifer namentlich zu identifizieren. Sie wollen im Laufe des Sonntags Anzeige erstatten.
Öffnete der Ordner den Schlägern das Tor?
Offenbar hatte man auch beim ausrichtenden Verein schon vor Anpfiff geahnt, dass das Spiel gestört werden würde. Nach Angaben der RSL-Fans sei man per Stadionlautsprecher aufgefordert worden, eine Seite des Sportplatzes zu räumen, weil "die Dummen noch kommen". Die kamen dann auch - unter Umständen auch unter tatkräftiger Mithilfe eines Ordners, der den außerhalb wartenden Neonazis einen separaten Eingang geöffnet haben soll: "Der hat sich daraufhin vermummt und zu den Nazis gesellt", erklärt einer, der dabei war. Offenbar mit Hilfe des Ordners gelangten die Angreifenden auch zu "Eisenstangen, Steinen und Holzlatten", die hinter einem Nebengebäude auf dem Sportplatzgelände deponiert worden waren. Unter Rufen wie "Scheiß Rote" oder "Scheiß Zecken" seien die Rechten dann zum Angriff auf Fans, Spieler und Offizielle des "Roten Stern" geschritten. Dass es sich bei dem besagten Ordner um einen bekennenden Rechtsextremen handelt, war dem FSV Brandis nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung" bekannt. Man hat beim Verein jedoch offenbar geglaubt, der Mann sei resozialisierbar.
Dass es überhaupt zu dem Überfall kommen konnte, stimmt allerdings nachdenklich. So waren die Spiele des linksgerichteten Breitensportvereins "Roter Stern Leipzig" in der Vergangenheit bereits häufig Zielscheibe von Übergriffen aus der rechten Szene - genau wie die der Clubs Chemie und FC Sachsen Leipzig, deren Anhänger (beim FC Sachsen mittlerweile in deutlich abgeschwächter Form) als mehrheitlich linksgerichtet gelten. Im Vorfeld des abgebrochenen Spiels vom Samstag hat es offenbar zahlreiche Hinweise gegeben, dass die gewaltbereite Neonaziszene der Region einen Überfall plant. Dennoch waren vom ausrichtenden Verein FSV Brandis nur wenige Ordner eingesetzt worden, die Polizei hatte zunächst nur etwa zehn Beamte abgestellt: Vor allem Letzteres sorgt auf Seiten der RSL-Fans für Verwunderung. Schließlich seien alle bisherigen Spiele mit deutlich größerem Polizeiaufwand geschützt worden.
"Wir werden alles tun, die Hintermänner zu fassen"
Doch beim Spiel in Brandis waren nicht - wie es bedauerlicherweise bei RSL-Spielen fast schon zum Alltag gehört - nur einige jüngere Rechte aufgekreuzt: "Das waren erfahrene Schläger, altgediente Hooligans und Leute aus der Freefight-Szene", sagt der Fan. Doch im Gegensatz zur Polizei hatte die linke Szene Leipzigs die Gefahr offenbar realistischer eingeschätzt und versucht, das Team mit möglichst vielen Anhängern zu begleiten. Doch nicht nur angesichts des schwer verletzten Fans fragen sich die RSL-Fans, warum es überhaupt zu der Konfrontation kommen musste: "Uns wäre es lieber gewesen, wenn die Polizei die zahlreichen Hinweise ernst genommen hätte und mit mehr Beamten den Überfall verhindert hätte."
Auf Seiten der Polizeidirektion Westsachsen sieht man hingegen keine Defizite bei dem eigenen Vorgehen: "Durch die Polizeidirektion Westsachsen wurden Einsatzkräfte unter Führung des Leitungsdienstes zusammengezogen und mit eigenen sowie unterstellten Kräften der Bundespolizei, Kräften der Polizeidirektion Leipzig sowie des Landes Sachsen ein Polizeieinsatz durchgeführt. Den eingesetzten Kräften gelang es, die Gruppierungen zu trennen und weitere Konfrontationen zu verhindern", heißt es in einer Presseerklärung. Mit vereinten Kräften sei es so gelungen, die Gruppen zu trennen. Beide Lager seien bewaffnet und mit pyrotechnischen Gegenständen ausgerüstet aufeinander losgegangen. "Wir werden alles tun, um die Hintermänner dieses brutalen Überfalls zu ermitteln", sagte Polizeisprecher Michael Hille SPIEGEL ONLINE, "und hoffen sehr, dass die zahlreichen Zeugen auch verwertbare Aussagen machen."