Neuer Trainer van Gaal FC Bayern holt den Zuchtmeister

Er gilt als ruppiger Fußball-Erzieher: Der FC Bayern hat Louis van Gaal als neuen Trainer verpflichtet - 14 Jahre, nachdem der Holländer die Münchner mit Ajax Amsterdam demontierte. In der Zwischenzeit sammelte der Coach Erfolge in Serie - scheiterte aber auch einmal spektakulär.

Hamburg - Als Louis van Gaal sich ins Gedächtnis der Bayern-Führung brannte, war Helmut Kohl noch Bundeskanzler und der Münchner Trainer hieß Giovanni Trapattoni. Es war der 19. April 1995, und in der Amsterdamer Arena zerlegte eine junge Ajax-Mannschaft den deutschen Rekordmeister im Halbfinale der Champions League 5:2.

Und wer saß auf der Bank der Holländer? Louis van Gaal, der einen Monat später mit seinem Team den Sieg in der Königsklasse feierte. 14 Jahre später steht nun fest, dass van Gaal ab der kommenden Saison auf der Bayern-Bank sitzen wird.

"In angenehmer, ja freundschaftlicher Atmosphäre wurde mit dem Präsidenten von AZ Alkmaar, Dirk Scheringa, Generaldirektor Toon Gerbrands und Sportdirektor Marcel Brands Einigung über den Wechsel erzielt", teilten die Bayern am Mittwoch mit. Stolz schwang mit in der Presseerklärung und auch Erleichterung darüber, den Wunsch-Nach-Nachfolger von Jürgen Klinsmann endlich verpflichtet zu haben. Nach Wochen des Zitterns.

Aber wer ist eigentlich dieser Louis van Gaal, der 57-Jährige, der in München einen Vertrag für zwei Spielzeiten erhalten wird und die Bayern zu internationalem Erfolg führen soll?

Van Gaal gilt als knorrig und als Zuchtmeister, der zahlreiche seiner Weggefährten gegen sich aufgebracht hat. Bayern-Kapitän Mark van Bommel aber betonte bereits: "Man findet keinen Spieler, der sich negativ über ihn äußert". Eine Kostprobe seiner ruppigen Art gab van Gaal unlängst ab, als er einem ihm unliebsamen TV-Reporter die Kamera ins Gesicht schlug. Und so überrascht es kaum, dass es doch Profis gibt, die van Bommels Urteil widersprechen. "Van Gaal ist ein totaler Narr", sagte der Bulgare Christo Stoitschkow, einst unter van Gaal in Barcelona aktiv.

Der FC Bayern verbindet mit van Gaal die Sehnsucht nach einem Fußballlehrer, der aus fertigen Profis ein echtes Team komponiert, nach einem Strategen, der die Stars bändigt. "Wenn wir Everybody's Darling hätten haben wollen, hätten wir George Clooney verpflichten müssen", sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge erst vor wenigen Tagen.

Was van Gaal kann, hat er noch bei jeder seiner Stationen gezeigt. 1991 trat er als international noch unbekannter Coach bei Ajax Amsterdam an und führte den Club des großen Johan Cruyff zurück zum Erfolg. Bis 1997 wurde er dreimal Meister, 1992 gewann er den Uefa-Cup und 1995 die Champions League und den Weltpokal.

Beim FC Barcelona hatte van Gaal ab 1997 (bis 2000) nicht ganz so viel Erfolg. Zwar wurde er zweimal Meister und holte einmal den spanischen Pokal und den europäischen Super-Cup, doch das reichte nicht, um den Schatten seines großen Landsmanns Cruyff loszuwerden. Der hatte mit Barcelona 1992 die Champions League gewonnen, van Gaal raubte den Katalanen dagegen nach deren Einschätzung die Seele, als er zeitweise mit neun Holländern spielen ließ.

Einen Karriereknick musste er 2000 bis 2002 als Bondscoach der Niederlande hinnehmen. Die Jungs, die er bei Ajax zu Männern gemacht hatte, hatten sich mittlerweile emanzipiert und folgten ihm nicht mehr - und die Niederlande verpasste die WM. Van Gaal erklärte der geschockten Nation in einer einstündigen Fernseh-Rede das Desaster und befand: "Ich bin auf der Höhe meines Könnens." Er flog trotzdem.

Ein weiteres Engagement bei Barca endete 2003 als Intermezzo. 2005 heuerte er in der niederländischen Provinz bei Alkmaar an, das er in der abgelaufenen Saison sensationell zum Titel führte. Dabei wich der von sich selbst durchaus überzeugte Erfolgscoach ("ich bin der Beste") sogar von seinem Dogma des 4-3-3-Systems ab und ließ in der Formation 4-4-2 spielen. "Er hat seine alte Religion aufgegeben und eine neue begründet. Er hat den Total Football revolutioniert und ihn in die Moderne übertragen. Nennen wir es Total Football 2.0", schrieb der englische "Guardian". Darauf dürfen sich nun die Bayern freuen.

goe/sid
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