DFB-Gastgeber Innsbruck Schlammschlacht in Tirol – und was Dennis Aogo damit zu tun hat

In Innsbruck ist heute die Nationalelf zu Gast, aber in der Stadt wird mehr über den heimischen Klub Wacker geredet. Der Verein wollte mit einem Hamburger Investor nach oben – und versinkt stattdessen im Chaos.
Aus Innsbruck berichtet Peter Ahrens
Dennis Aogo, bis vorgestern Geschäftsführer beim FC Wacker

Dennis Aogo, bis vorgestern Geschäftsführer beim FC Wacker

Foto: TF-Images / Getty Images

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Das Tivolistadion im Innsbrucker Stadtteil Pradl gehört zu den malerischen Arenen im Fußball. Von der Tribüne des Stadions, in dem heute Abend die deutsche Nationalmannschaft ihr Testspiel gegen Dänemark absolviert (21 Uhr RTL, Liveticker SPIEGEL), eröffnet sich der Blick auf das Bergpanorama rund um Innsbruck.

Von Idylle ist im Fußball Innsbrucks allerdings derzeit nichts zu spüren, und in der Stadt wird auch nicht über Manuel Neuer und Joshua Kimmich, sondern über einen anderen deutschen Nationalspieler geredet: Einen Ex-Nationalspieler genau genommen. Dennis Aogo ist eine der Hauptpersonen in einer »Schmutzkübelkampagne, wie man sie im österreichischen Fußball noch nicht gekannt hat. So etwas kennt man sonst nur aus der Politik.«

Der das sagt, ist Felix Kozubek, Vorstandssprecher beim FC Wacker Innsbruck, bei dem Klub, bei dem Aogo bis Montag noch einer der drei Geschäftsführer war. An diesem Montag wurden er und seine Co-Geschäftsführer Jens und Dennis Duve von ihrem Posten freigestellt, den sie ohnehin erst seit wenigen Wochen bekleidet hatten. Es ist der vorläufige Tiefpunkt einer Geschichte, in der sich die Klubverantwortlichen heillos zerstritten haben, in dem Vorwürfe und Gegenvorwürfe sich abwechseln, es ist die Geschichte eines geheimnisvollen Investors – und sogar Udo Lindenberg spielt eine Rolle.

Happel und Hrubesch, Pezzey und Jara

Dazu muss man wissen, dass Wacker Innsbruck einst zu den traditionsreichen großen Klubs in Österreich zählte. Mehrfach wechselte der Verein seine Namen, beziehungsweise gründete sich neu. Ernst Happel war hier Trainer und Horst Hrubesch sein Assistent, hier spielten Bruno Pezzey, Friedl Koncilia und Kurt Jara, und auch der schöne Hansi Müller. Mit anderen Worten: Innsbruck war eine Adresse.

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Entsprechend groß ist die Sehnsucht nach der Rückkehr dieser Zeiten beim heutigen Zweitligisten FC Wacker Innsbruck. Und als vor gut einem Jahr der Kontakt mit einem Investor hergestellt wurde, der versprach, dass es solche Zeiten irgendwann mit seiner Hilfe wieder geben werde, griff der Verein zu. Ein bisschen merkwürdig kam den Fans und Mitgliedern dieser Geldgeber schon vor. Denn sein Name wurde monatelang wie ein Geheimnis gehütet. Auf Wunsch des Investors wurde immer nur von einem »finanzstarken Partner« geredet, und selbst als durchsickerte, dass der Investor in Hamburg sitze, wurde der Name nicht bekannt gegeben. Stattdessen firmierte er vereinsintern immer nur unter dem Codenamen »Otto«. Mit dem Geld von »Otto« sollte es zurück in die 1. Bundesliga gehen.

Erst im April dieses Jahres, nachdem in der Öffentlichkeit mehrfach der Name Matthias Siems gefallen war, offenbarte sich der Sponsor. Bei einem Pressetermin hatte er sich allerdings ausbedungen, dass er nicht fotografiert werde, sodass die Tageszeitung »Kurier« nur einen Schattenriss als Aufmacherbild zu bieten hatte. Und außer dem Namen Matthias Siems und dem Hinweis, er stamme aus einer alten und vermögenden Hamburger Kaufmannsfamilie, war über ihn auch weiterhin nichts herauszubekommen, so sehr die Journalisten auch das Internet durchsuchten. »Wir sind auch aktiv dabei, uns zu verstecken«, hat er dem »Kurier« gesagt.

»Dann muss das ja passen«

Aber solange Geld floss, fragte man im Verein nicht weiter, und laut Vorstand Kozubek hatte der »finanzstarke Partner« zum Entree gleich eine halbe Million Euro hingelegt. »Und wenn einer eine solche Summe gleich präsentiert, dann muss das ja passen«, sagte der Vorstand am Dienstag in einer Pressekonferenz.

Im Innsbrucker Tivoli-Stadion wurde auch bei der EM 2008 gespielt

Im Innsbrucker Tivoli-Stadion wurde auch bei der EM 2008 gespielt

Foto: Ryan Pierse/ Getty Images

Es passte aber nicht. Nach Angaben des Vereins hatte der Investor immer wieder neue Forderungen wie die, dass Udo Lindenberg die Vereinshymne einzusingen habe. Der Investor verwahrt sich dagegen und sagt, es habe sich dabei lediglich um »eine Idee« gehandelt, keine Forderung.

Gleichzeitig, so der Vorwurf der Kluboberen am Dienstag, habe Siems immer zögerlicher gezahlt, er sei seinen vertraglich festgelegten Verpflichtungen »nicht pünktlich, nicht ausreichend und unvollständig nachgekommen«, so sehr, dass der Verein sich irgendwann nicht mehr in der Lage sah, die Spielergehälter fristgerecht auszuzahlen, klagt Kozubek. Der Investor hält dagegen, die Zahlungen seien nur aufgeschoben gewesen, »bis zur Klärung von Ungereimtheiten«.

Auf Wunsch des Investoren wurden Aogo und die zwei Duves als Geschäftsführung installiert, der ehemalige Sankt-Pauli-Profi Jens Duve hatte schon von Beginn an als Verbindungsmann zwischen dem Investor und dem Klub fungiert. Der Kontakt zwischen Siems und Aogo soll bei einem Urlaub in Dubai entstanden sein, der frühere Nationalspieler, der zuletzt noch durch seinen Internetdisput mit Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann Schlagzeilen machte, sollte zum »neuen Gesicht des FC Wacker Tirol« aufgebaut werden, so erinnert sich Vorstandsmitglied Thomas Kerle.

Ein »Selbstbedienungsladen«?

Die drei Geschäftsführer hätten sich danach jedoch kaum noch vor Ort blicken lassen, so Kozubek, sodass »das operative Geschäft gehemmt worden« sei. Statt mit dem Investorengeld zum großen Sprung auszuholen, wie das geplant war, saß der Klub wieder einmal auf dem Trockenen, »der Investor schuldet uns eine Summe in sechsstelliger Höhe«. Dabei hatte Siems noch kurz zuvor den Innsbrucker Bürgermeister aufgesucht und ihm die Pläne für ein neues Stadion, inklusive 1000 neuer Wohnungen vorgeschlagen, in ökologischer Holzbauweise, wie der ORF zu berichten wusste : »Wacker-Investor plant Großes in Innsbruck«, hieß die Überschrift. Ob aus diesen Plänen jemals etwas wird, weiß auch kein Mensch.

Den möglichen sportlichen Aufstieg in die 1. Liga hat man nebenbei am letzten Spieltag auch noch verpasst. Udo Lindenberg hätte »Keine Panik auf der Titanic« als Hymne anbieten können. Jetzt trinken wir erst mal 'nen Rum mit Tee.

Der Vorstand verwahrte sich zudem gegen Vorwürfe von Aogo und den Duves, im Verein habe es finanzielle Unregelmäßigkeiten gegeben, vom »Selbstbedienungsladen« Wacker sei da die Rede gewesen. Deshalb werde man eine Wirtschaftsprüfung in Gang setzen, um zu beweisen, »dass im Verein sauber gewirtschaftet wird«.

Aogo nennt Vorwürfe »absurd«

Aogo und die Duves begrüßten diesen Schritt am Dienstagabend. In einer Erklärung, die an mehrere österreichische Medien und den SPIEGEL ging, gehen sie auf die Vorwürfe nicht im Detail ein, aber »hoffen auf schnelle Gespräche, um Wacker Innsbruck auch operativ in den nächsten Tagen und Wochen aufzustellen«. Man habe, so Aogo, »volle Transparenz und schlicht eine Prüfung durch unabhängige Dritte gefordert«, dass dies jetzt geschehe, »darüber freuen wir uns«.

Die Vorwürfe selbst nannte Aogo »absurd: Wir haben niemanden persönlich beschuldigt oder angeklagt. Wir haben nur auf Aufklärung gepocht. Dass man direkt danach abberufen wird und sich solche Vorwürfe anhören muss, ist schon erstaunlich.« Vorstand Kehrle hatte zuvor von »einen gewissen Herrn Aogo« gesprochen und dessen Qualifikation als Geschäftsführer darauf reduziert, »mit seiner Frau als Influencer im Internet tätig zu sein«.

Der Trainer des FC Wacker Innsbruck wurde zu Saisonbeginn verpflichtet und sagte der »Süddeutschen Zeitung«,  warum er nach Tirol gewechselt sei: »Hier gibt es einen Plan, und der ist langfristig angelegt.« Der Trainer heißt Daniel Bierofka, und er hatte zuvor bei 1860 München gekündigt, weil er die unhaltbaren Zustände im Verein nicht mehr hinnehmen konnte. Der Mann hat aber auch wirklich kein Glück.

Anmerkung der Redaktion: Im Nachgang zur Veröffentlichung hat Herr Siems noch mitteilen lassen, dass er nur die Idee geäußert habe, dass Udo Lindenberg die Hymne singen könne. Wir haben dies nachträglich ergänzt. Dazu wurde auch ausdrücklich erwähnt, dass die Prüfung durch unabhängige Dritte bedeute, dass die Zahlungen bis zu ihrem Abschluss nur aufgeschoben seien.

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