Offenbach-Coach Frank Wieder aufgetauchter Modernisierer
Fünf Siege, fünf Unentschieden bei nur einer Niederlage - Wolfgang Franks Erfolgsserie in den vergangenen elf Spielen lässt sich sehen. Innerhalb kürzester Zeit hat er das bereits abgeschlagene Kellerkind Offenbacher Kickers wieder auf Vordermann gebracht. Drei Spieltage vor Saisonschluss hat der Verein sogar zwei Zähler Vorsprung auf einen Abstiegsplatz.
Heute tritt Frank, der seit Januar bei den Hessen arbeitet, mit den Kickers beim Mitkonkurrenten um den Klassenerhalt in Saarbrücken an (17.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE). Ein Abstiegskrimi, auf den sich der 55-Jährige freut. "Das Spiel wird eine große Herausforderung, da werden viele Zuschauer kommen", sagt er, "wir müssen dort punkten - ein Endspiel ist es jedoch in erster Linie für den 1. FC Saarbrücken."
Innerhalb von wenigen Wochen hat Frank aus einem desolaten Aufsteiger, dem lange Zeit Attribute wie Rennen, Kämpfen, "Kick und Rush" eingeschrieben waren, ein funktionierendes Team gebastelt. "Wir haben viele taktische Schulungen gemacht", beschreibt Frank sein Erfolgsgeheimnis, "ich lege sehr großen Wert darauf, dass man auf dem Platz eine Ordnung hat - ich halte das 4-4-2-System für das ideale." Man müsse den Spielern immer wieder signalisieren, dass sie gut seien, dass man ihre Qualitäten schätzen und anerkennen würde, betont er.
Torhüter Cesar Thier beschreibt den Coach als "großen Motivator", der in vielen Teamsitzungen auf ein Videostudium setzen würde - man wisse genau, was man zu tun hätte. Auch die Führungsetage lobt den Coach. Da sei etwas zusammengewachsen, ist nach dem höchsten Saisonsieg gegen die SpVgg Unterhaching (4:1) am vergangenen Spieltag OFC-Vizepräsident Thomas Kalt aufgefallen. Aktuell sind die Hessen die sechstbeste Mannschaft in der Rückrunde und nicht nur Offenbachs Kicker Thorsten Judt bezeichnet Frank als "Glücksgriff" - auch eine Weiterbeschäftigung im Falles des Abstiegs wird diskutiert.
Dabei war es lange ruhig um den Fußballlehrer. Frank war in den Niederungen des sächsischen Fußballs verschwunden, bevor die Anfrage aus Offenbach kam. 2004 landete er beim FC Sachsen Leipzig in der Oberliga. "Da habe ich ein echtes Abenteuer hinter mir", erinnert er sich an das langfristig angedachte Projekt beim Traditionsverein, "das hätte eine großartige Sache werden können, doch leider war damals vom Verein die Geduld nicht da."
Seine meistbeachtete Trainerstation war Mainz 05 - dort arbeitete er von 1995 bis 1997, ehe er nach einem einjährigen Gastspiel bei Austria Wien noch einmal von 1998 bis 2000 zurückkehrte. Sein republikweit beachteter Konzeptfußball fand auch in der ersten Liga Fans - eine Anfrage von Werder Bremen hätte es etwa gegeben, erzählt er, doch das Engagement sei schließlich doch nicht zustande gekommen. "Ich hatte mehrere Jahre private Sorgen", begründet er seine Trainerpause nach einigen Wochen in Duisburg vor sechs Jahren. 2003 übernahm er dann die SpVgg Unterhaching, die er in die Zweite Bundesliga führte.
"Man kann nur ein System perfekt spielen"
Anders als viele Trainer propagiert Frank nicht, verschiedene Spielsysteme beherrschen zu müssen. "Man kann immer nur ein System perfekt spielen", überrascht er einmal mehr, "ein Team ist nur handlungsfähig, wenn es das System richtig kann - wenn man etwa manchmal auch 4-3-3 spielen lässt, orientiert man sich schon wieder zu stark am Gegner."
Den Fußball könne man zwar nicht neu erfinden, betont der Coach, "doch oft ist es notwendig, alte Zöpfe abzuschneiden - man muss sich ständig neu orientieren und persönlich weiter entwickeln." Bereits in den neunziger Jahren galt der Fußball-Lehrer als ein Vorreiter und Schrittmacher für eine Modernisierung in der Bundesliga. "In Deutschland wurde die Systemfrage gestellt, weil man mit der alten Schule nicht mehr erfolgreich war", erinnert sich Frank an den hiesigen Fußball vor einigen Jahren zurück.
Inzwischen sieht er auch eine Entwicklung bei seinen Trainerkollegen - etwas mehr Geduld bei taktischen Veränderungen sei zu erkennen: "Trainer haben mittlerweile eingesehen, dass dann auch Niederlagen einmal möglich sind."
Als Spieler musste Frank mit diesen auch umgehen. Dennoch liest sich seine persönliche Bilanz recht ordentlich. Als Stürmer erzielte er trotz seiner geringen Körpergröße von nur 1,72 Meter in der ersten Bundesliga in seinen 215 Spielen 89 Tore. Die meisten davon für die Braunschweiger Eintracht (53 Tore) von 1974 bis 1978. Auch beim VfB Stuttgart, Borussia Dortmund und dem 1. FC Nürnberg überzeugte er mit seiner beachtlichen Sprungkraft. Er brachte es auf sechs Einsätze in der B-Nationalmannschaft. Für die A-Elf durfte er aber nie auflaufen. Ebenso wenig hat er bisher als Trainer einen deutschen Erstligisten betreut. Aber das kann ja noch kommen.