Bierhoff zu Bundestrainer Löw Da passt kein Blatt Papier dazwischen

Oliver Bierhoff stärkt Joachim Löw in allem den Rücken
Foto:Marius Becker / dpa
Oliver Bierhoff hat zu Beginn etwas klarzustellen. »Ich rede hier nicht als Sprachrohr von Joachim Löw«, sagt der Nationalmannschaftsdirektor. Er ahnt vielleicht, dass dieser Satz notwendig ist. Denn was dann bei der Pressekonferenz Bierhoffs folgt, ist eine einzige Ehrenerklärung für den angeschlagenen Bundestrainer. Man könnte es auch einen Persilschein nennen.
Seit dem 0:6 von Sevilla gegen Spanien steht der Deutsche Fußball-Bund im Sturmwind, der Bundestrainer wurde angezählt wie lange nicht, Präsident Fritz Keller wegen seiner Amtsführung heftig kritisiert, aber Oliver Bierhoff resümiert das Jahr 2020 mit dem Satz: »Es war ein tolles Ergebnis, das der Bundestrainer unter diesen Bedingungen in diesem Jahr erreicht hat.«
Bierhoff versucht das mit diversen Flipcharts und Grafiken mit Überschriften wie »Spielstil aktiv« und »Spielstil schnell« zu belegen, nach denen die Nationalmannschaft seit der missglückten WM in Russland vor zwei Jahren entgegen der allgemeinen Wahrnehmung eine überaus positive Entwicklung genommen habe, Löw habe in dieser Zeit »den Umbruch konsequent angegangen« und letztlich »Großartiges geleistet«.
Bierhoff sieht Corona in der Verantwortung
Dass die Öffentlichkeit dies in guten Teilen sehr anders aufgenommen hat, das liege vor allem an »diesem absoluten Ausnahmejahr«, so Bierhoff. Einem Jahr, in dem »die Nationalmannschaft zehn Monate nicht zusammengekommen ist, und danach kamen die Spieler entweder aus dem Urlaub oder aus der Dauerbelastung«. Corona habe daher seinen Hauptanteil daran, dass es nicht vorwärtsgegangen sei, Joachim Löw sei jedenfalls schuldlos daran: »Der Bundestrainer konnte 2020 keine Entwicklung vorantreiben.« Auch, wenn er gewollt hätte.
Man habe Löw 2018 vier Ziele vorgegeben: die erfolgreiche EM-Qualifikation, den Klassenerhalt in der Nations League, das Erreichen des ersten Lostopfes für die WM 2022 und den Aufbau einer jungen Mannschaft. Für Bierhoff hat der Bundestrainer all diese Ziele erfüllt. »Haken dahinter.«
Und selbst für das Desaster von Sevilla, das Löw weitgehend erstarrt auf der Trainerbank verfolgte, sprach ihn der Manager von der Verantwortung frei. Löw habe in der Halbzeitpause keineswegs apathisch gewirkt, »er hat in seiner Ansprache von Mut, von Aggressivität geredet«.
Zu sehen war davon allerdings auch in der zweiten Halbzeit von Sevilla bei seiner Mannschaft nichts, aber auch das habe nicht an Löw gelegen: »Wir alle kennen solche Spiele, in denen man als Trainer keinen Zugriff mehr auf die Spieler hat.« Bierhoff nannte das 4:4 der DFB-Elf gegen Schweden nach 4:0-Führung aus dem Jahr 2012 als Beispiel. Auch damals war allerdings schon Löw der Trainer.
Rückkehr der Aussortierten ist weit weg
Das Dauerthema um die Rückkehr der von Löw 2019 aussortierten Jérôme Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller schwelt seit Wochen, auch Bierhoff belässt es eher bei Andeutungen. Der Bundestrainer sei »bei dem Thema nicht verbohrt, das ist keine Sturheit vom Jogi«, bemüht sich Bierhoff zu versichern. Stattdessen sei es ja immer die Stärke Löws gewesen, »auch mal dem öffentlichen Druck standzuhalten«. Das alles klingt nicht so, als stünde ein Comeback des Trios direkt vor der Tür. Aber man habe »über das Thema auch noch nicht wirklich gesprochen«. Das Thema, das in der Öffentlichkeit ständig debattiert wird, seit Wochen, Monaten.
Auch die Differenzen zwischen Keller und Löw, die in den vergangenen Tagen in den Medien durchgesickert waren, spielte Bierhoff herunter. »Auf der einen Seite will man Transparenz und Offenheit, auf der anderen Seite kann es nicht sein, dass Interna nach außen dringen.« Von einem heftigen Streit zwischen Keller und Löw »weiß ich nichts«, da seien »auch falsche Dinge« berichtet worden: »Wir schauen belustigt nach Amerika und müssen aber aufpassen, dass wir es hier nicht auch so machen.«
Der Überdruss, mit dem weite Teile der Öffentlichkeit mittlerweile auf Löw reagieren, das scheint für den DFB-Direktor Bierhoff keine Rolle zu spielen. Er stelle sich die Frage, »wie mit Personen umgegangen wird, die sich um dieses Land verdient gemacht haben«, und das war eindeutig auf die Person Löw gemünzt.
Bierhoff trägt das alles im Hemd ohne Krawatte vor, mit hochgekrempelten Ärmeln. Vielleicht ist es Zufall, vielleicht auch ein bewusst gesetztes Signal, Bierhoff ist schließlich nicht unbedingt bekannt dafür, nicht an die Wirkung öffentlicher Auftritte zu denken. Dass er als DFB-Direktor den Stand der Dinge referieren muss und nicht die zuletzt so im Feuer stehenden Löw und Keller vor der Presse erscheinen, ist bezeichnend. Auch wenn DFB-Pressesprecher Jens Grittner sich beeilt, darauf hinzuweisen, dass der »Präsident und der Bundestrainer vor dem Jahresende sich noch zu Wort melden werden, das ist doch selbstverständlich«. Selbstverständlich ist das überhaupt nicht, gerade, wenn man Löw kennt.
Dass die Krise um die Nationalmannschaft weit mehr umfasst als rein sportliche Aspekte und auch an dem Wirken Bierhoffs fest gemacht wird, das lässt der Manager kaum an sich heran. Man habe das Ansinnen, wieder näher an die Fans heranzurücken »mit aller Konsequenz durchgezogen«, das Projekt Fannähe habe man selbst unter Corona-Bedingungen »virtuell bestmöglich umgesetzt«. Er sagt auch: »Unsere Marktumfragen belegen das auch.« Vielleicht ist mit diesem Satz auch das ganze Problem benannt.