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Neuer Bayern-Vorstand Kahn, sonst keiner

Bei seiner Präsentation als Vorstand des FC Bayern gibt sich Oliver Kahn routiniert, aber auch noch unverbindlich. Die Erwartungen an den künftigen Klubchef sind enorm. Kann er ihnen gerecht werden?
Von Florian Kinast, München

Oliver Kahn wirkte angespannt, voller Konzentration. Der Mund schmallippig, die Augen Sehschlitze, der Blick in die Ferne schweifend. Fokussiert wie einst, so, als erwarte er einen direkten Freistoß von Roberto Carlos. Oliver Kahn aber stand an diesem Dienstag natürlich nicht im Tor, er saß auf dem Podium des Presseraums der Münchner Arena. Bei der Vorstellung als Vorstandsmitglied des FC Bayern.

Etwa eine halbe Stunde dauerte die Präsentation, und so vage und beliebig vieles blieb, was Kahn bei seinem ersten Auftritt als Klubfunktionär mit freundlichen Allgemeinplätzen von sich gab, so klar wurde auch: Dort oben saß genau derjenige, auf dem die Hoffnungen des Klubs und der Fans ruhen, nicht weniger als eine ruhmreiche Ära der goldenen Zwanziger einzuleiten.

Es ging viel um Nettigkeiten, Kahn sprach routiniert von einer "Herzensangelegenheit", dass er die "Erfolgsgeschichte des Klubs weiterschreiben" wolle, vom "Anspruch des FC Bayern, überall top zu sein". Was man eben so sagt, und wenn man die Augen schloss und Kahn so reden hörte, hätte man ihn in diesen Momenten auch woandershin verorten können, etwa in eine Halbzeitpause ans ZDF-Mikro neben Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein.

Er wird bald konkreter werden müssen

Ausweichend blieb Kahn auch auf die Frage nach seinen konkreten Zielen und wie er diese zu erreichen gedenke, wenn er nach knapp zweijähriger Lernzeit Anfang 2022 Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsboss beerbt: "Ich muss mir erst einmal einen Einblick verschaffen, um wirklich sinnvolle Aussagen zu machen." Doch genau die, sinnvolle Aussagen und klare Visionen, die wird man bald hören wollen von ihm, dem neuen starken Mann beim FC Bayern, dem unumstrittenen Wunschkandidaten als künftiger Bayern-Boss.

Bei vielen anderen Personalentscheidungen hatte sich der Klub zuletzt schwergetan. Hasan Salihamidzic war nach dem vergeblichen Bemühen um Max Eberl und Philipp Lahm als Sportdirektor ebenso wenig die favorisierte Lösung, wie Niko Kovac als Trainer nach den Absagen von Thomas Tuchel und Jupp Heynckes. Bei Oliver Kahn aber gab es keine zwei Meinungen. Oliver Kahn war schon immer Plan A. A wie Alphatier.

Wie der SPIEGEL weiß, sprach Uli Hoeneß schon vor vielen Jahren in kleiner interner Runde von seinem Ziel, Kahn - und keinen anderen - nach dem Abschied von Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsboss zu installieren. Einer der wenigen Punkte, an dem sich Hoeneß und Rummenigge ausnahmsweise einmal einig waren.

Kahn soll die Qualitäten der Bayern-Bosse bündeln

Einer mit hauseigenem Stallgeruch, mit eingepflanztem Bayern-Gen, einer mit großem Charisma, vor allem einer, der die beiden großen Stärken des bisherigen Klubduos in einer Person bündelt. Galt Rummenigge bisher als der international denkende Stratege, der den Klub weiter als Global Player zu positionieren bestrebte, war Hoeneß der Mann fürs Volk, für die Fans, für Gemüt und Seele. Kahn hat beides, international wird er genauso geschätzt wie zu Hause bei der Basis. In Waging, Wolfratshausen und der weiten Welt.

Wie sehr ihm die Fan huldigen, zeigte sich bei der Jahreshauptversammlung im November, als ihn die Mitglieder in der Olympiahalle mit Ovationen und Sprechchören feierten, die auch Kahn selbst sichtlich bewegten.

Den gereckten Daumen haben beide schon synchron drauf

Den gereckten Daumen haben beide schon synchron drauf

Foto:

LUKAS BARTH-TUTTAS/EPA-EFE/REX

Den treffendsten Satz bei der damals rührseligen Abschiedsvorstellung des scheidenden Präsidenten formulierte Uli Hoeneß, als er angesichts dieser frenetischen Jubelstürme in Richtung Kahn sagte: "Da hast du viel Arbeit, um diesen Vorschusslorbeeren gerecht zu werden." Und genau das wird die entscheidende Frage sein: Kann er all die Erwartungen erfüllen? Kann Kahn Bayern-Boss?

Beim ZDF "sehr analytisch gearbeitet"

Einst als erfolgreicher Spieler und Welttorwart, als Kapitän und Führungsfigur auf dem Platz Titel und Trophäen einzuheimsen, oder später als TV-Experte vor der Kamera zu stehen - wofür er sich in bewährtem Kahn'schem Selbstbewusstsein am Dienstag übrigens selbst lobte, weil er dort immer "sehr analytisch gearbeitet" (Kahn über Kahn) habe -, das ist die eine Sache. Eine Garantie, damit auch der erfolgreiche CEO eines Weltkonzerns mit 750 Millionen Euro Umsatz zu sein, ist das nicht.

Klar ist, dass im Moment nur Kahn als das Gesicht, als das Aushängeschild der Bayern-Zukunft infrage kommt. Herbert Hainer, der seriöse und diplomatische, aber anders als Hoeneß sehr zurückhaltende Präsident, ist das nach außen hin genauso wenig wie der bei den Fans höchst umstrittene und mitunter bei seinen Auftritten unglücklich agierende Sportdirektor Hasan Salihamidizic, der ab 1. Juli 2020 auch in den Vorstand befördert wird.

Spannend wird sein, wie sich das Verhältnis zwischen dem Sportdirektor und dem künftigen Boss entwickelt. Der vielleicht auch noch unterschätzte Salihamidzic kann an seiner Aufgabe in der Führungsriege nur wachsen. Der vorab viel gelobte Kahn hingegen steht von vornherein auf einem hohen Sockel. Die Fallhöhe ist da enorm.

Kahn muss beweisen, dass er dem, was er als Spieler immer am liebsten hatte, auch als Klubboss wirklich gewachsen ist. Dem Druck. Wer beim FC Bayern ist, hat immer Druck. Unmenschlichen Druck. Würde er am ZDF-Mikro genauso sagen.

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