Gladbach-Profi Herrmann Schluss mit Teilzeit

Mal ein-, mal ausgewechselt - das ist vorbei: Patrick Herrmann spielt bei Borussia Mönchengladbach durch. Warum er für den Tabellenführer so wichtig ist, spielerisch wie emotional.
Patrick Herrmann hat im Moment ziemlich viel Grund zum Jubeln

Patrick Herrmann hat im Moment ziemlich viel Grund zum Jubeln

Foto: David Inderlied DPA

Es ist das Spiel des Patrick Herrmann. Borussia Mönchengladbach empfängt Bayern München.

Es ist der 20. Januar 2012, als Herrmann zum größten Versprechen der Borussia wird. Zwei Tore erzielt der erst 20-Jährige beim 3:1-Erfolg der Borussia gegen Torwart Manuel Neuer, neben Marco Reus ist er der überragende Offensivmann auf dem Feld, nach dem Sieg wird den Gladbachern sogar die Meisterschaft zugetraut. Und Herrmann eine große Karriere. Der SPIEGEL schreibt über ihn: "Der Reus-Nachfolger steht bereit."

Die Meisterschaft ist es dann doch nicht geworden, und Herrmanns Karriere wurde eher wechselvoll. Mittlerweile ist er 28 Jahre alt, er hat 255 Bundesligaspiele für die Borussia absolviert, damit steht er in der Rangliste der Vereinsgeschichte auf Platz 13 vor Rainer Bonhof, Günter Netzer, Ewald Lienen, Uwe Rahn. Wenn es in dieser Saison so gut weitergeht wie bisher mit ihm, wird er am Ende der Spielzeit unter den Top Ten landen. In einer Reihe mit Jupp Heynckes, Hansjörg Criens, Wolfgang Kleff, Hacki Wimmer. Ganz oben stehen Berti Vogts und Uwe Kamps. Das sind die Klublegenden.

Unter Hecking nur Ergänzungsspieler

Trotzdem: Es hätten jetzt schon weit mehr Spiele sein können, Herrmann war immer wieder mal verletzt. Unter Trainer Dieter Hecking zudem war er bestenfalls Ergänzungsspieler, mal eingewechselt, mal ausgewechselt. Nicht mehr als eine Teilzeitkraft, was ihn immerhin in Rekordnähe gebracht hat. Herrmann ist nicht nur der meisteingewechselte Spieler in der Borussia-Geschichte, er ist zudem kurz davor, den Auswechselrekord der gesamten Liga einzustellen: 139 Mal wurde Herrmann vorzeitig vom Platz genommen, nur Halil Altintop, der frühere Schalker und Lauterer, hat eine Auswechslung mehr.

Seit Wochen warten die Statistiker darauf, die 140. Auswechslung vermelden zu können. Doch Herrmann tut ihnen derzeit den Gefallen nicht: Zuletzt spielte er in der Liga vier Mal nacheinander durch, das hat er seit Jahren nicht erlebt. So wie die Borussia derzeit mit der Tabellenführung auch etwas erfährt, was der Verein lange nicht erlebt hat. Es ist kein Zufall, dass beides zusammenfällt.

"Meine bisherigen elf Jahre bei Borussia sind fast deckungsgleich mit der Entwicklung, die der Verein genommen hat", hat Herrmann vor Kurzem in einem Interview mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland"  gesagt. Aufs und Abs haben beide kennengelernt, der Verein und der Spieler, wenn es der Borussia gut ging, ging es meistens auch Herrmann gut. Gerade ist es mal wieder soweit.

"Nicht übers Herz gebracht, die Borussia zu verlassen"

Im Mai hat Herrmann seinen Vertrag in Mönchengladbach noch einmal verlängert, zu einer Zeit, in der zwar schon klar war, dass Dieter Hecking den Verein verlässt, Herrmann aber alles andere als sicher sein konnte, dass dies seine Position im Team verbessert. Er hatte Angebote von anderen Vereinen, aber er sagt, er habe "es nicht übers Herz gebracht, die Borussia zu verlassen". Das sind Sätze, die die Fans in jedem Verein der Welt gern hören.

Auch der neue Trainer Marco Rose hatte zunächst auf andere Spieler gesetzt, Herrmann kam erst am vierten Spieltag in die Mannschaft. Natürlich als Einwechselspieler und nur für die letzten drei Schlussminuten. Dann jedoch verletzten sich Spieler, die Europapokaleinsätze der Borussia machten darüber hinaus Rotationen notwendig, Herrmann bekam seine Chance und war da. Jetzt hat er in 13 Ligaspielen schon acht Scorerpunkte gesammelt, so viel wie in den vergangenen drei Jahren.

In Roses Offensivkonzept spielt er mittlerweile eine wichtige Rolle, er hat statistisch die meisten Sprints im Team absolviert, er verzeichnet die meisten Laufwege, die Schnelligkeit war immer sein Trumpf. Als 20-Jähriger gegen die Bayern schon, und mit 28 gilt das immer noch für den, der von allen "Flaco" genannt wird. Zu deutsch: der Schmächtige.

Bodenständig als Saarländer

Vor fast zehn Jahren, im Januar 2010, machte er sein erstes Bundesligaspiel für die Borussia, man muss fast nicht mehr erwähnen, dass er damals eingewechselt wurde: In der 79. Minute kam er beim Spiel in Bochum für Abwehrmann Filip Daems in die Partie, die Borussia lag 0:1 hinten. Sekunden später hatte er den Ausgleich durch Fabian Bäcker vorbereitet.

Herrmann ist Saarländer. Man sagt den Menschen von dort eine gewisse Bodenständigkeit nach. Der Saarländer Jonas Hector ging als Nationalspieler mit dem 1. FC Köln in die 2. Liga, weil er sich dem Verein verbunden fühlt. Herrmann kam 2008 als Teenager ins Borussia-Internat und blieb bis heute im Klub. Er sagt, daheim im Saarland habe sein Opa einst das Haus gebaut, in dem die ganze Familie unter einem Dach gelebt habe, Kinder, Enkel. Jetzt gehört Herrmann zur Borussia-Familie. Ein Wechsel ins Ausland? Es sei sicher toll, andere Länder kennenzulernen, aber "das bin ich einfach nicht".

Seiner Karriere hätte es vermutlich genutzt, zu einem noch größeren Verein zu gehen. Ein Wechsel zum BVB stand mehrfach im Raum, kam aber dann doch nicht zustande. Möglicherweise wären auch beim DFB die Leute aufmerksamer auf ihn geworden, wenn er woanders gespielt hätte. So blieb es bei zwei Länderspieleinsätzen 2015. Patrick Herrmann ist sich auch dabei treu geblieben: Beim ersten Mal wurde er eingewechselt, beim zweiten Mal wurde er ausgewechselt.

Am Samstag geht es wieder gegen die Bayern (15.30 Uhr Sky, Liveticker SPIEGEL), wieder gegen Manuel Neuer, wieder ist es ein Spitzenspiel. Nichts ist vorhersehbar, aber es ist schon vorgekommen, dass sich Dinge im Fußball wiederholen.

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