Guardiola und Citys Champions-League-Aus Ist er das Problem?

Eigentlich galt Manchester City als größter Bayern-Konkurrent im Kampf um den Champions-League-Titel. Dann verlor das Team gegen Außenseiter Lyon. Nun steht auch Trainer Pep Guardiola in der Kritik.
Pep Guardiola mit Starspieler Kevin de Bruyne: Mit City nie das Halbfinale erreicht

Pep Guardiola mit Starspieler Kevin de Bruyne: Mit City nie das Halbfinale erreicht

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POOL / REUTERS

Pep Guardiola nahm einen Schluck aus der Wasserflasche, dann atmete er tief ein und wieder aus, direkt in das Mikrofon vor ihm. Als wappne er sich für das, was jetzt kommen würde.

Bei der ersten Frage, die ihm auf der Pressekonferenz gestellt wurde, ging es dann allerdings nicht um Manchester Citys erneut frühes Scheitern in der Champions League. Nicht darum, wie das sein konnte, dass Guardiolas Mannschaft 1:3 gegen Olympique Lyon verlor, den wohl schwächsten aller Viertelfinalisten.

Es ging um eine Schiedsrichterentscheidung.

Also lenkte Pep Guardiola das Gespräch selbst auf das Thema. "Wir haben es nicht geschafft", sagte er nach einigen Worten. "Ich habe es nicht geschafft."

Eigentlich schien ausgemacht, dass City Lyon schlagen würde. Im Halbfinale hätten dann die Bayern gewartet. Guardiola gegen seinen Ex-Klub, es wäre ein Highlight dieses Sportjahres geworden.

Stattdessen wurde City ausgekontert von einem Klub, der in Frankreichs Ligue 1 auf Platz sieben stand, als die Saison im März abgebrochen wurde, 28 Punkte hinter Meister Paris. Der seither zwei Spiele bestritten hatte.

Die Geschichte der 90 Minuten von Lissabon aber ist nicht das eigentliche Thema. Es geht um eine größere Frage. Sie betrifft Guardiola selbst und handelt davon, ob nicht vergebene Chancen oder Fehler in der Defensive der Grund sind für Niederlagen im Europacup. Sondern der Trainer.

Englische Medien nennen das Problem "Overthinking"

Seit er 2008/2009 Chefcoach bei Barcelona wurde, hat Guardiola 28 Titel gewonnen. José Mourinho kam im selben Zeitraum auf 13 Trophäen, Jürgen Klopp auf neun. Wo immer er arbeitete, wurde Guardiola Meister, und das mit einem ganz eigenen Stil, der andere Trainer inspirierte, Thomas Tuchel etwa oder Julian Nagelsmann.

Während die beiden mit Paris und Leipzig nun im Halbfinale stehen, muss Guardiola erneut zuschauen. In Barcelona hatte er den Wettbewerb in vier Jahren zweimal gewonnen. Mit den Bayern kam er in drei Saisons stets ins Halbfinale. Mit City ist er nie über das Viertelfinale hinausgekommen.

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In englischen Medien wird rund um Guardiola und die Champions League immer wieder ein Begriff genutzt: Overthinking.

Frei übersetzt meint er: etwas so sehr durchplanen, dass man sich in den eigenen Gedanken verliert. Guardiola, so der Vorwurf, neige dazu, große Spiele unnötig zu verkomplizieren. Er passe sich dem Gegner an, weiche zu sehr von dem ab, was er seiner Mannschaft sonst mitgebe.

Statt um Kämpfen und Siegen geht es um Geometrie

Die Kritik zielt ab auf einen Punkt, der Guardiola vielen zur Reizfigur macht. Der 49-Jährige, so lautet ein verbreiteter Vorwurf, mache aus Fußball eine Wissenschaft. Statt um Kämpfen und Siegen geht es plötzlich um die Geometrie des Spiels. Man verfolgt jahrelang Fußballspiele, und plötzlich taucht da jemand auf, von dem es heißt, er sehe das Spiel anders. Also auch: als man selbst. Als habe man den Sport nicht begriffen.

Das Sportportal "The Athletic"  zitierte Anfang des Jahres anonym jemanden, der zeitgleich mit Guardiola beim FC Bayern gewesen war, mit den Worten, Guardiola habe den Fußball "so tief durchdrungen, dass ihm niemand mehr folgen kann".

Guardiola selbst tut eigentlich nicht viel, um dieses Image zu pflegen. Nach dem Lyon-Spiel sagte er: "In diesem Wettbewerb ist Taktik nicht das Wichtigste".

Gegen Lyon war die Taktik mitentscheidend.

Manchester Citys Aymeric Laporte und Lyons Karl Toko Ekambi

Manchester Citys Aymeric Laporte und Lyons Karl Toko Ekambi

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Franck Fife / AP

Guardiola hatte seine Mannschaft defensiver aufgestellt als üblich. Wie schon im Vorjahr, beim Aus gegen Tottenham, wählte er zunächst einen vorsichtigen Ansatz. Gegen Lyons Zwei-Mann-Sturm wählte er drei Verteidiger. Der eigenen Abwehr fehle es an Tempo, das habe er durch eine zusätzliche Absicherung auffangen wollen, sagte Guardiola hinterher.

Lyon ging mit der ersten Chance in Führung. City vergab gute Gelegenheiten. Dann löste Guardiola die Dreierkette auf und brachte einen zusätzlichen Stürmer.

Vor dem zweiten Lyon-Treffer spielte Verteidiger Aymeric Laporte einen Fehlpass, nun aber fehlte der zusätzliche Abwehrspieler. Draußen sank Guardiola für einen Moment auf die Knie. Vor dem dritten Treffer verfehlte Raheem Sterling aus fünf Metern das leere Tor.

"Manchmal war nicht 100-prozentig klar, was wir tun"

Für sich genommen waren die taktischen Maßnahmen nachvollziehbar. Und doch scheint es, als griffen sie in der Königsklasse nicht so zuverlässig wie üblich.

Mit City kassierte er 2017 sechs Tore in der Runde gegen Monaco; fünf gegen Liverpool im Jahr danach, vier gegen Tottenham, nun drei gegen Lyon (in allerdings nur einem Spiel). Das ergibt einen Schnitt von 2,6 Gegentoren pro Partie. Guardiolas Karriereschnitt liegt bei 0,81.

Raheem Sterling vergab die beste Chance Manchesters

Raheem Sterling vergab die beste Chance Manchesters

Foto: POOL / REUTERS

Im "Athletic"-Artikel vom Februar  sagte Guardiolas Ex-Stürmer Thomas Müller vom FC Bayern etwas Interessantes. Die große Stärke des Trainers und seiner Spielidee sei die Fähigkeit, schwächere Gegner extrem zu dominieren. "Auf lange Sicht ist Guardiola deshalb der beste Trainer und seine Teams die stärksten."

In K.-o.-Spielen aber sei die Lage eine andere. "Pep achtet da sehr auf den Gegner und dessen Stärken", sagte Müller. Er sei hin- und hergerissen zwischen Anpassungen an den Gegner, gerade wenn dieser besonders gut sei, und dem Durchbringen der eigenen Spielweise. "Manchmal war deshalb nicht 100-prozentig klar, was wir tun", sagte Müller.

Eine Mannschaft, die ständig gewinnt, kann es verunsichern, wenn sie plötzlich abrücken soll von ihrer Spielweise. Erklärt das Fehlpässe von Spielern, denen eigentlich kaum Fehler unterlaufen? Fehlschüsse wie den von Sterling?

In dieser Saison kommt hinzu, dass Manchester längst nicht immer gewinnt. Einen niedrigeren Punkteschnitt holte Guardiola nur in seiner Debütsaison in England. Erstmals in seiner Karriere gewann er keine wichtige Trophäe.

Was blieb, war die Hoffnung auf die Champions League. Die Erfolge im Achtelfinale über Real Madrid wirkten, als sei Manchester dafür reif. Und das, obwohl Guardiola ungewöhnlich aufstellte, unter anderem mit dem 20-jährigen Phil Foden als Falscher Neun. Kompliziert. Aber es klappte. Bis zum Aus gegen Lyon.

"Eines Tages", sagte er schließlich auf der Pressekonferenz, "schaffen wir das vielleicht: uns zu verbessern und das Viertelfinale zu überstehen."

Er hielt dabei den Blick gesenkt.

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