Sicherheit im Fußball "Die Fans dürfen Einzeltäter nicht mehr decken"

Die Fußballverbände wollen neue Sicherheitskonzepte, die Fans reagieren mit einem Stimmungsboykott. Peter Peters, Vize-Präsident des Ligaverbands, spricht im Interview über Ultras, geltende Gesetze und die Sorge vor einem fremdbestimmten Fußball.
Schalke-Fans: Bengalo-Feuer im Stadion

Schalke-Fans: Bengalo-Feuer im Stadion

Foto: Revierfoto/ dpa

SPIEGEL ONLINE: Herr Peters, warum braucht der deutsche Fußball überhaupt ein Sicherheitspapier?

Peters: Grundsätzlich hat der Fußball kein flächendeckendes Sicherheitsproblem. Aber in einzelnen Bereichen, bei einzelnen Clubs gibt es einfach noch Verbesserungsbedarf.

SPIEGEL ONLINE: Und zwar?

Peters: Beispielsweise bei den Ordnungsdiensten, die nicht überall professionell geschult sind. Oder bei den baulichen Maßnahmen am und im Stadion. Werden gegnerische Fangruppen sinnvoll getrennt? Muss noch ein Einlasstor mehr geschaffen werden? Gibt es genügend Austausch mit Bahn und Polizei?

SPIEGEL ONLINE: Ihr erstes Sicherheitspapier wurde mit großen Protesten von etlichen Vereinen abgeschmettert. Dabei haben Sie das Diskussionspapier im Vorfeld allen Vereinsvertretern vorgelegt. Waren Sie überrascht darüber, dass die Liga beim Thema Sicherheit keine Solidargemeinschaft ist?

Peters: Es ist normal, dass es dazu viele Meinungen gab. Dass das Papier dann so aufgeregt bewertet wurde, habe ich allerdings nicht verstanden. Dies hing aber sicherlich auch damit zusammen, dass der eine oder andere seine Sicht mit einer manchmal zu scharfen Pressemitteilung garnierte. Natürlich habe auch ich mich dann über diese Dimension der Diskussion geärgert. Da wurde teilweise unsachliche, pauschale Kritik geäußert.

SPIEGEL ONLINE: Nun haben Sie ein zweites, überarbeitetes Sicherheitspapier an die Vereine verschickt. Diese sollten Verbesserungsvorschläge einreichen. Gab es Rückmeldungen?

Peters: Ja. Ich hatte dabei aber auch das Gefühl, dass einige Vereine auch ein Stück weit der öffentlichen Diskussion Rechnung tragen wollten und sich deshalb so ausführlich zu vielen Punkten geäußert haben.

SPIEGEL ONLINE: Gab es konkrete Verbesserungsvorschläge?

Peters: Es gab viele Anmerkungen in Detailfragen. Die grundsätzliche Sinnhaftigkeit eines solchen Konzepts wurde aber größtenteils anerkannt.

SPIEGEL ONLINE: Die aktive Fanbewegung, insbesondere viele Ultra-Gruppen, lehnen das Papier nach wie vor strikt ab. Mittlerweile gibt es sogar einen Stimmungsboykott.

Peters: Ich finde es grundsätzlich gut, wenn man seine Meinung kundtut. Dass es aber Vorfälle gibt, die in und um Fußballstadien nichts zu suchen haben, kann man nicht wegdiskutieren - und auch nicht wegschweigen

SPIEGEL ONLINE: Ein zentraler Kritikpunkt vieler Fans lautet: Das Sicherheitspapier fordere zwar nicht mehr den expliziten Einsatz von Ganzkörperkontrollen- bei denen sich Fans nackt ausziehen müssen -, schließe diesen aber auch nicht kategorisch aus.

Peters: Da wird die Realität umgedreht. Das ist unfair. Ein Fußballverband kann es einem Veranstalter, der in der Haftung steht und diese Kontrollen in absoluten Ausnahmefällen für nötig hält, nicht untersagen. Wir wollen aber jetzt, dass solche Maßnahmen vorher begründet werden, bei fehlender Begründung nochmals besprochen werden und der Gastverein zwingend in den Prozess eingebunden wird - das ist eine signifikante Verbesserung zur heutigen Situation.

SPIEGEL ONLINE: Verstehen Sie, dass sich Fans durch solche Kontrollen in ihrer Freiheit beschnitten fühlen?

Peters: Ich verstehe, dass dies ein sensibles Thema ist. Ich kann jedem, der sich eine Meinung darüber bilden möchte, was geplant ist, was nicht geplant ist und was angeblich geplant ist, nur raten, die Anträge selbst zu lesen. Der Ligavorstand hat sie auf bundesliga.de zugänglich gemacht .

SPIEGEL ONLINE: Ein weiterer Vorwurf lautet: In dem Sicherheitspapier werden Kernthemen wie Kollektivstrafen unpräzise erörtert.

Peters: Wir wollen weg von den Kollektivstrafen, hin zur Ursachenbeseitigung. Wir haben aber auch Vorschriften seitens der Uefa, die sich eben an Geldstrafen oder Geisterspielen orientieren. Trotzdem fordern wir mit dem Sicherheitspapier, dass diese gängige Form der Kollektivstrafen verändert wird und die täterorientierte Aufklärung im Vordergrund steht. Verbesserungen im Sicherheitskonzept eines Clubs sollen stärker als bisher durch das Lizenzierungsverfahren überprüft werden. Wir versuchen, dadurch auch bei den Fans das Bewusstsein zu schärfen, dass man Einzeltäter nicht mehr deckt.

SPIEGEL ONLINE: Bislang stößt dieses Modell auf wenig Zustimmung. Was tun Sie dagegen?

Peters: Immerhin machen wir Vorschläge, wie man etwas verändern kann, was viele seit Jahren kritisieren. Das dann pauschal abzulehnen, ist doch zu billig. Ich habe vielen Kritikern gesagt: Macht jetzt neue Vorschläge, statt hinterher über den lahmen Verband, der nichts tut, zu schimpfen.

SPIEGEL ONLINE: Ein weiterer Vorwurf: Das Papier sei mittlerweile so neutral formuliert, dass es eigentlich hinfällig ist.

Peters: Den Vorwurf verstehe ich nicht. Unser Papier orientiert sich doch an greifbaren Problemen. Wenn alles perfekt laufen und alle 36 Vereine dies auch so sagen würden, dann bräuchten wir tatsächlich kein Sicherheitspapier. Ich kann aber berichten, dass ich in meinen Gesprächen mit Fanvertretern gar nicht so schnell mitschreiben konnte, wie die mir Probleme rund um das Thema Sicherheit geschildert haben.

SPIEGEL ONLINE: Sie können tun, was Sie wollen: Es ist immer verkehrt. Nervt Sie dieses ganze Fan- und Sicherheitsthema mittlerweile?

Peters: Nein. Ich habe den Vorsitz der Kommission ja nicht übernommen, um Dankbarkeit zu bekommen. Vielmehr mache ich das, weil ich will, dass der Fußball weiterhin selbstbestimmt bleibt. Weder die Uefa noch die Politik oder Polizei sollen uns sagen, was wir zu tun haben. Nur so können wir die einzigartige Fußballkultur der Bundesliga erhalten. Das sollte jedem einleuchten.

SPIEGEL ONLINE: Aber die aktive Fanszene boykottiert das Papier doch flächendeckend.

Peters: Ich habe etliche Gespräche mit Fanvertretern und Ultras geführt und dort sehr viel Zuspruch für unsere Überlegungen erhalten. Diese sagen aber auch, dass sie das in ihren Gruppen nicht so offen befürworten können, weil sie sonst Ärger kriegen. Das finde ich sehr schade.

SPIEGEL ONLINE: Von der DFL wurde zuletzt immer wieder der Dialog mit Fans und Ultras gefordert. Aus DFL-Kreisen war immer wieder zu hören: Wir würden ja gerne, aber mit wem sollen wir überhaupt reden? Konnten Sie dieses Kommunikationsproblem mittlerweile lösen?

Peters: Ich weiß zumindest, wer den größten Wind macht. Ob das aber die Vertreter aller Ultras oder Fans sind, ob sie gewählt oder wodurch auch immer in ihre Rolle berufen wurden, ist ein sehr spannendes Thema. Ich kann da nur sagen, dass es notwendig wäre, dass auch Fans und Ultras Strukturen finden, die legitimierte Gesprächspartner hervorbringen.

SPIEGEL ONLINE: Erwarten Sie, dass dieses Sicherheitspapier am 12. Dezember mit einem positiven Beschluss aus der DFL-Sitzung verabschiedet wird?

Peters: Ja.

Das Interview führte Rafael Buschmann

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten