Jahrelang wurde Philipp Max vom Bundestrainer ignoriert. In seinen ersten Länderspielen gefiel ihm der Linksverteidiger aber und kann sich nun empfehlen. Auch, weil Joachim Löw keine überzeugende Alternative hat.
Philipp Max wird gegen Spanien sein drittes Länderspiel bestreiten
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Joachim Löw lässt sich ungern vorschreiben, wie sein Kader auszusehen hat. Das war bei Lukas Podolski so, den er regelmäßig nominierte, obwohl das dessen Leistungen im Verein kaum rechtfertigte. Der Anti-Podolski war Kevin Volland. Zehn wenig überzeugende Länderspiele bestritt der damalige Hoffenheimer zwischen 2014 und 2016. Danach wurde er ignoriert, obwohl Volland für Leverkusen drei Jahre in Folge über zehn Tore in der Bundesliga erzielte. Der Bundestrainer kann stur sein.
Diese Erfahrung hat auch Philipp Max, 27, gemacht. »Wir haben ihn einige Male gesehen«, hatte Löw im Vorfeld der WM 2018 gesagt. »Er ist sicherlich ein guter Spieler auf der linken Seite, aber bisher hat er in unseren Überlegungen keine Rolle gespielt.« Max hatte da gerade 13 Tore für den FC Augsburg in der Bundesliga vorbereitet. Nach diesen Sätzen war eigentlich klar: Mit Max und der Nationalmannschaft, das wird nichts mehr.
Nun hat der Linksverteidiger seine ersten beiden Länderspiele hinter sich und wird am Abend wohl auch gegen Spanien (20.45 Uhr Liveticker SPIEGEL.de; TV: ARD) beginnen. Wie ist es zu diesem ungewöhnlichen Sinneswandel beim Bundestrainer gekommen? Der Vereinswechsel hat eine Rolle gespielt. Max hat sich mit seiner Unterschrift in Eindhoven selbst aus dem Bundesliga-Fokus genommen. Ein Schritt zurück (obwohl das der international renommierten PSV im Vergleich zum FC Augsburg nicht gerecht wird), um dann zwei Schritte vorwärtsgehen zu können.
Linksverteidiger verzweifelt gesucht
Entscheidender ist jedoch die Situation auf der linken Seite in der Nationalmannschaft. Es bleibt die größte Baustelle in Löws Mannschaft. Jonas Hector hatte die Nöte zwischenzeitlich in seinen fünf DFB-Jahren (2014-2019) minimiert. Mittlerweile ist der Kölner aus persönlichen Gründen aus dem Nationalteam zurückgetreten.
Auf Hector folgten Leipzigs Marcel Halstenberg, Nico Schulz von Borussia Dortmund und Robin Gosens (Bergamo). Das Trio hat ordentliche Länderspiele gezeigt, aus unterschiedlichen Gründen empfahl sich aber keiner der drei als Dauerlösung auf einer der anspruchsvollsten Positionen im Weltfußball. Je nach Spielsystem müssen Außenverteidiger mehr oder weniger ihre gesamte Seite offensiv und defensiv abdecken. Sie müssen schnell, aber auch zweikampfstark sein. Sie müssen flanken können, Tore vorbereiten, jedoch auch situativ einrücken.
Halstenberg – derzeit verletzt – ist die defensive Lösung, nicht umsonst spielt er unter Julian Nagelsmann bei RB als Innenverteidiger in einer Dreierkette. Er hat aber nicht genügend Tiefe in seinem Spiel. Schulz ist zwar schnell, aber technisch und defensiv limitiert. Zudem ist er aktuell außer Form und steht beim BVB fast gar nicht mehr auf dem Platz. Gosens debütierte im September, bereitete sofort ein Tor vor, hat aber Defizite im defensivtaktischen Bereich. Er kann seine Stärken als eher offensiverer Außenbahnspieler vor einer Dreierkette am besten zeigen wie in Bergamo.
Auf seiner Suche nach einer Alternative erinnerte sich Löw an Max, der bei der PSV Eindhoven mit acht Torbeteiligungen in zwölf Pflichtspielen einen sehr guten Start hingelegt hatte. »Es war ein langer Weg«, sagte Max nach dem 3:1-Sieg gegen die Ukraine. »Ich habe hart an mir gearbeitet.«
Wie der Vater, so nicht der Sohn
Max ist der Sohn des ehemaligen Bundesliga-Torschützenkönigs Martin Max. Mit seinem Vater teilte er lange das Schicksal, trotz öffentlicher Wertschätzung vom Bundestrainer ignoriert worden zu sein. Martin Max hatte in 396 Bundesligaspielen für Mönchengladbach, Schalke, 1860 München und Rostock 126 Tore geschossen. Vor allem in seiner Zeit bei den Löwen (1999-2003) galt er als bester deutscher Stürmer. In der Nationalmannschaft wurde er allerdings nur einmal für sieben Minuten eingewechselt – wohlgemerkt in einer Phase, als das DFB-Team in einer schweren Krise steckte.
Martin Max (r.) und der damalige Bundestrainer Rudi Völler
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Philipp Max wurde im Nachwuchs von 1860 und Bayern München ausgebildet. Als 16-Jähriger wechselte er in die Knappenschmiede des FC Schalke, konnte sich dort auf dem Weg in den Bundesligakader aber nicht durchsetzen. Über den Umweg Karlsruher SC ging er 2015 zum FC Augsburg. Dort machte er sich als Vorlagengeber einen Namen. In seinen vier Jahren beim FCA bereitete Max 25 Treffer in 147 Bundesligaspielen vor und erzielte 15 Tore selbst. Seine Flanken – egal ob flach in den Rückraum oder hoch auf den zweiten Pfosten – kamen meist präzise und hart. Auch seine Ecken und Freistöße sind gut.
Es gab aber Gründe für Löws langjährige Ignoranz. Max hatte bis zu seinem Wechsel zur PSV keine internationale Erfahrung, er spielte in keiner U-Nationalmannschaft. Sein Spiel ist eindimensional und gut auszurechnen. Er hat Schwächen in der Defensive. Und so wundert es nicht, dass seine Leistungen gegen Tschechien und die Ukraine vor allem wegen seiner Flanken allenthalben als positiv bewertet wurden. »Er hat uns überzeugt in diesen beiden Spielen«, sagte der Bundestrainer. »Er hat viel Tempo nach vorne und ist ein guter Außenverteidiger.«
Mehr braucht es im Moment nicht, um als Linksverteidiger der deutschen Nationalmannschaft eine Chance zu haben.