Bilanz des Fußball-Feldversuchs in NRW Weniger Polizei ist mehr

Polizisten mit gewalttätigem Fan: Null Provokation statt null Toleranz
Foto: Costa Belibasakis/ dpaAls der harte Fan-Kern des Hamburger SV im Kölner Hauptbahnhof eintraf, herrschte zunächst Verwirrung. Wohin jetzt? Keiner kannte den Weg zum Stadion. Mitarbeiter der Deutschen Bahn mussten den orientierungslosen Schlachtenbummlern helfen.
Normalerweise wird Auswärtsfans, die in größeren Gruppen anreisen, die Navigation zu den Spielorten abgenommen. Zumeist empfängt sie eine üppige Polizeieskorte und nimmt sie in Manndeckung. "Strikte Fantrennung" heißt diese Strategie der Staatsmacht, die stets mit einem Anstieg der Gewalt begründet wurde. Doch in Nordrhein-Westfalen gingen die Uniformierten zuletzt einen anderen Weg.
Das Innenministerium von Ralf Jäger (SPD) hatte einen Erlass ausgearbeitet, der eine Reduzierung der Zahl bei Fußballspielen eingesetzter Polizisten vorsah. In dem dreiseitigen Dokument heißt es, es sollten in einer Pilotphase bis zum 27. September diejenigen Spiele der ersten drei Ligen identifiziert werden, die mit weniger oder ganz ohne Beamte der Bereitschaftspolizei auskämen.
Kurz vor dem Abschluss des Fußballfeldversuchs sind nun erste Ergebnisse des Tests bekannt geworden. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE setzten die Polizeiführer bei 25 von insgesamt 56 Begegnungen im Schnitt 20 Prozent weniger Beamte ein. Einzelne Spiele kamen sogar fast mit der Hälfte des ursprünglich veranschlagten Personals aus, darunter Partien wie Dortmund gegen Freiburg. Am Freitag will sich Innenminister Jäger dazu auf einer Pressekonferenz erklären.
Innenminister Jäger wertet Strategie als Erfolg
Nach offiziellen Angaben hatte das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste in Duisburg zuvor unter anderem analysiert, bei welchen Spielen es in den vergangenen Jahren Ausschreitungen gab. Zusammen mit aktuellen Erkenntnissen etwa der szenekundigen Beamten wählten die Einsatzleiter dann den jeweils geeigneten Kräfteansatz, der ruhig niedriger als bisher ausfallen durfte. Zugleich sollten sich die Vereine stärker für Sicherheit in ihren Stadien einsetzen.
Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE wertet Innenminister Jäger die neue Strategie als Erfolg. Andernfalls könnte es sein, dass am Ende der Saison sogar bis zu 40 Prozent der Einsatzzeiten nordrhein-westfälischer Hundertschaften für Fußballspiele veranschlagt werden müssten. Die Zielmarke seines Hauses liegt bei 30 Prozent.
Jäger hatte sein Projekt mit einer strukturellen Überlastung der Bereitschaftspolizei erklärt. Durch den Aufstieg zweier weitNRWr NRW-Vereine in die eLiga Liga - es handelt sicKöln KölnPaderbornrborn - werde sich die Belastung weiter erhöhen. "Das kann ich dem Steuerzahler nicht mehr vermitteln", so Jäger bei der Vorstellung des Feldversuchs AnAugustugust.
Neu an der geänderten Strategie war, dass das Innenministerium den Einsatzleitern in Dortmund, Gelsenkirchen und Köln nun erstmals taktische Vorgaben machte, wie sie ihre Einsätze zu bewältigen hatten. Dazu gehörte, dass die Truppen in und um die Stadien möglichst vor den Fans versteckt werden und nur im Notfall auftreten sollten: null Provokation statt null Toleranz. Für Begeisterung bei den Uniformierten sorgte das nicht.
"Fans können friedlich miteinander umgehen"
Doch das war aus politischer Sicht nicht entscheidend. Denn es ging ja gerade um ein deutliches Signal in den Polizei-Apparat: In Zeiten eines Milliarden-Haushaltslochs und gigantischer Schulden werdet ihr auf Dauer mit weniger Leuten auskommen müssen! Das war die Botschaft, die der SPD-Innenminister seinen Führungskräften im Höheren Dienst eintrichtern wollte.
Und die Fans - ausgestattet mit einem Vertrauensvorschuss - profitierten offenbar von der neuen Zurückhaltung der Staatsmacht. "Vordem Spiel des FC Bayern München bei uns auf Schalke hatten wir das Gefühl, es sei überhaupt kein Bundesligaspieltag", so Rainer Vollmer, Vertreter der Fanvereinigung "Unsere Kurve" und Mitglied beim Schalker Dachverband. "Da gab es kaum Polizisten der Stadt oder in der Nähe des Stadions." Vollmer geht davon aus, dass das Projekt bei den Fußballanhängern gut angekommen ist: "Es gab keine Zunahme von Gewalttaten. Die Fans haben deutlich gezeigt, dass sie friedlich miteinander umgehen können."
Auch DFL-Chef-Reinhard Rauball begrüßte den Vorstoß: "Ich glaube, dass das NRW-Modell eine Beruhigung der Fanszene bewirkt hat", sagte er "Sport Bild". "Weniger Polizeipräsenz ist auf hohe Akzeptanz bei den Fans gestoßen. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass diese Testphase zu einem positiven Endergebnis führt", so Rauball. Jonas Gabler wiederum, ein renommierter Fanforscher der Universität Hannover, zeigte sich ähnlich überzeugt: "Wir haben bislang noch nichts gefunden, was gegen die Fortführung des Projekts gesprochen hätte. Es gab keinen Anstieg der Gewalt."
Die Ausschreitungen, die es am vergangenen Wochenende in Köln gegeben hatte, fanden nämlich am Rande eines sogenannten Risikospiels statt. Entsprechende Begegnungen sollen Beamte auch künftig massiv schützen. Für die harmlosen Partien indes wird in Nordrhein-Westfalen wohl gelten: Weniger Polizei ist mehr.