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Joe Allen: Wales Arbeitstier im Mittelfeld

Foto: Georgi Licovski/ dpa

Waliser Joe Allen Der Hühner-Sammler

Das Halbfinale Wales gegen Portugal ist nicht nur das Duell zwischen Bale und Ronaldo. Es kommt auch auf Joe Allen an. Er gibt im Mittelfeld der Waliser den Takt vor - privat sammelt er Hühner. Echt.

Joe Allen ist ein gewissenhafter Arbeiter im Maschinenraum der Milliardenbranche Profifußball. Kein Posterboy, keiner, der sich als Werbegesicht eignen würde oder dazu, Auflage zu machen. Dennoch hat er es neulich auf die Titelseite geschafft.

Durch seinen braunen Vollbart zeigte Allen ein zurückhaltendes Lächeln, im Hintergrund waren Wald und Wiesen in unterschiedlichen Grüntönen zu sehen, auf dem Arm hielt er ein Huhn. Hätte er nicht einen dunkelblauen Kapuzenpulli seines Klubs FC Liverpool getragen, man hätte auf die Idee kommen können, er würde sein Geld mit der Bewirtung eines Landguts in der britischen Provinz verdienen. Das Magazin, das Allen ein Titelbild widmete, heißt "Chicken & Egg", es ist das Verbandsorgan des British Hen Welfare Trust, einer Organisation, die sich für den Schutz von Hühnern einsetzt.

Allen hat dem Magazin ein langes Interview gegeben, in dem er über sein Interesse am Tierschutz spricht. Zusammen mit seiner Frau beherbergt er 14 Hühner, die für die Lebensmittelindustrie keinen Wert mehr haben. Die beiden haben den Tieren sogar Namen gegeben. Namen wie Silkie Steve, Silkie Steve junior, Nugget oder Chickaletta.

In diesen Tagen müssen die Tiere allerdings ohne Allens Pflege auskommen. Er ist beruflich unterwegs, und das sogar länger als gedacht. Mit der walisischen Nationalelf ist ihm bei der Europameisterschaft in Frankreich überraschend der Halbfinal-Einzug gelungen.

Wenn Wales an diesem Mittwoch (21 Uhr, High-Liveticker SPIEGEL ONLINE; TV: ARD) in Lyon gegen Portugal um den Einzug ins Endspiel antritt, wird das Duell der Megastars im Mittelpunkt stehen, das Duell zwischen Cristiano Ronaldo und Gareth Bale von Real Madrid.

Video: Vor dem Duell zwischen Gareth Bale und Cristiano Ronaldo

kicker.tv

Doch auf andere Spieler kommt es genauso an. Auf den walisischen Angreifer Hal-Robson Kanu zum Beispiel, der im Viertelfinale gegen Belgien den 2:1-Führungstreffer erzielte und im Moment einen neuen Klub sucht, nachdem er seinen Vertrag beim FC Reading auslaufen ließ. Und auf Allen. Er ist ein außergewöhnlicher Profi, ein Gegenentwurf zu den vielen Kunstfiguren der Branche, wie seine Nebenbeschäftigung als Hühnerpfleger zeigt. Und er ist der heimliche Held im Team der Waliser.

Der 26 Jahre alte Mittelfeldmann pflegt einen unauffälligen Spielstil, einen Stil ohne große Brillanz oder Exzentrik. Dennoch ist er der Taktgeber im Team von Trainer Chris Coleman mit seinen Ballgewinnen vor der Abwehr und seinen vielen kurzen Pässen, mit denen er Defensive und Offensive verbindet.

Sein Vereinscoach Jürgen Klopp erhob Allens Stil sogar zum Leitbild. "Wäre cool, wenn wir heute Joe-Allen-Fußball spielen könnten - technisch brillant, hart arbeitend und lebendig", sagte er nach eigenen Angaben einmal in einer Mannschaftssitzung. Trotz Klopps Wertschätzung hat Allen beim FC Liverpool einen schweren Stand, ist nur Ersatzspieler. An den Konkurrenten Jordan Henderson, James Milner und Emre Can kommt er nicht vorbei.

Im Nationalteam ist Allen unumstritten. "Ich kann Joe nicht hoch genug loben. Er macht die Drecksarbeit, die vielleicht nicht so wahrgenommen wird. Aber für uns ist er überlebenswichtig", sagt Bale. Trainer Coleman beschreibt Allen als Führungsspieler, auch wenn er keiner dieser Anführer ist, die auf dem Rasen herumbrüllen oder durch besonderen Körpereinsatz auffallen. Allen ist eher ein stiller Chef.

"Er hat einen tollen Bart"

Er genießt bei seinen Kollegen höchste Beliebtheitswerte. Kapitän Ashley Williams berichtete neulich, dass es in der mannschaftsinternen WhatsApp-Gruppe in jeder Woche einen Tag gibt, an dem Allen besondere Verehrung entgegengebracht wird. Warum? "Er hat einen tollen Bart, einen tollen Haarschnitt, ist ein toller Typ", sagt Williams. Ach ja, und natürlich ein guter Fußballer.

Allen trägt unterschiedliche Spitznamen in Anlehnung an andere Mittelfeldgrößen. Walisischer Xavi wird er genannt oder walisischer Pirlo. Doch diese Vergleiche behagen ihm nicht. Allen will einfach er selbst sein, der unauffällige und etwas andere Profi, der höchstens mal auf der Titelseite auftaucht, wenn sich das Fachmagazin für Hühnerfreunde meldet.

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Wales vs. Belgien: Sieg des Außenseiters

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