Premier-League-Start für den FC Chelsea Der neue Glanz der Blauen

Havertz, Werner, Ziyech - kein Klub hat auf dem Transfermarkt so angegriffen wie der FC Chelsea. Aber reicht das für die Attacke auf Liverpool und City? Falls nicht, ist sogar Vereinsikone Lampard angreifbar.
Von Raphael Honigstein, London
Von Leverkusen zu den Blauen vom FC Chelsea: Kai Havertz ist der teuerste deutsche Bundesligabgang der Geschichte

Von Leverkusen zu den Blauen vom FC Chelsea: Kai Havertz ist der teuerste deutsche Bundesligabgang der Geschichte

Foto: Chris Lee - Chelsea FC / Getty Images

Frank Lampard hat vor vier Jahren zum letzten Mal aktiv gegen den Ball getreten, doch im Vorfeld des Saisonstarts musste der 42-Jährige erstaunlich viel über seine früheren Qualitäten als enorm torgefährlicher Mittelfeldspieler referieren. Inwieweit er sich in dem Millionen-Neueinkauf Kai Havertz wiederfinde, wurde der Chelsea-Trainer wiederholt gefragt.

Lampard erklärte, dass der Deutsche weiter vorne auf dem Feld postiert sei, es gebe "Unterschiede im Spiel und Stil", unter dem Strich sollen aber ähnliche Zahlen stehen: "Wenn es darum geht, was wir der Mannschaft im Sinne von Produktivität von Toren und Vorlagen geben können, gibt es schon Gemeinsamkeiten." Man erwartet also nicht gerade wenig an der Stamford Bridge vom 21 Jahre alten Linksfuß aus Mariadorf - - die von den Chelsea-Fans als "Lamps" verehrte Vereinsikone schoss in dreizehn Jahren immerhin 210 Tore bei den Blues.

Der etwas bemühte Vergleich der beiden doch eher verschiedenen Akteure zielt jedoch in Wahrheit in eine etwas andere Richtung. Die Frage, die sich eigentlich dahinter versteckt, ist die nach Chelseas Rückkehr in den Kreis der ernsthaften Titelanwärter. Los geht es in der Premier League für den Klub am Montag gegen Brighton (21.15 Uhr).

Lehrer und Schüler: Trainer Frank Lampard mit Kai Havertz

Lehrer und Schüler: Trainer Frank Lampard mit Kai Havertz

Foto: Darren Walsh / Chelsea FC via Getty Images

Viele Chelsea-Anhänger hoffen und glauben, dass der Westlondoner Klub mit Havertz - der bis zu 100 Millionen Euro Ablöse kosten könnte -, und den anderen Zugängen wie Timo Werner (Leipzig, 53 Millionen Euro), Hakim Ziyech (Ajax, 40 Millionen Euro), Thiago Silva (Paris Saint-Germain, ablösefrei) und Ben Chilwell (55 Millionen Euro) auf Sicht wieder ähnlich erfolgreich wie zu Lampards besten Zeiten werden könnte. Mit ihm in der Zentrale gewannen die Blauen drei Meisterschaften, vier FA-Pokale, Europa League und Champions League. 

Die letzte Meisterschaft (unter Antonio Conte) liegt zwar nur drei Jahre zurück, doch gefühlt trug sich dieses Glück in einem völlig anderen Zeitalter zu. Pep Guardiolas Punktemaschine Manchester City war 2016/2017 noch nicht im Laufen, und die mittlerweile nicht minder konstanten Dauersieger Liverpool kämpften damals mit Jürgen Klopp noch um den Einzug in die Champions League. Um heute auch nur in Nähe dieser beiden überdominanten Teams zu kommen, müsste das neue Chelsea quasi jede Partie gewinnen. 66 Punkte und zwölf Niederlagen wie im Vorjahr dürften dagegen in der kommenden Spielzeit nicht mal für den vierten Platz reichen. 

Maximale Variationsmöglichkeiten

Die fast 250-Millionen-Euro schwere Investitionsoffensive (Gehälter exklusive) von Klubeigentümer Roman Abramowitsch hat vor allem den Sturm aufgerüstet. Lampard fehlte 2019/2020 ein beständiger Torschütze vom Kaliber eines Werner in der Zentrale, zudem hatte er keine Hybridspieler wie Havertz und Ziyech, die in den Räumen zwischen Mittelfeld und Angriff für Verbindungen und Überzahlsituationen sorgten. Mit Mason Mount, Christian Pulisic, Callum Hudson-Odoi und dem unverwüstlichen Strafraumrammbock Olivier Giroud stehen dazu zahlreiche Alternativen zur Verfügung; sowohl personell als taktisch bietet aktuell wohl kein Kader in der Premier League mehr Variationsmöglichkeiten im vorderen Drittel 

In Leipzig der Toptorjäger, wie schlägt er sich in London? Timo Werner ist neu beim FC Chelsea

In Leipzig der Toptorjäger, wie schlägt er sich in London? Timo Werner ist neu beim FC Chelsea

Foto: Darren Walsh / Chelsea FC via Getty Images

Hinten ist dagegen die Lage etwas weniger vielversprechend. Veteran Silva, bald 36, soll Ordnung in die mitunter konfuse Defensivreihe bringen, Chilwell mehr Dynamik auf der linken Seite. Dazu will Chelsea noch Torwart Edouard Mendy (Rennes) verpflichten. Die bisherige Nummer eins, Kepa Arrizabalaga, musste vor Monaten wegen hoher Fehleranfälligkeit im laufenden Betrieb degradiert werden. 

Noch wichtiger als die Besetzung der Hintermannschaft wären allerdings eine höhere Präzision in Chelseas eher wilden Pressings und dem konzertierten Umschalten ohne Ball. Ohne den häufig verletzten Raumverdichter N’Golo Kanté verwaisten bei den Blauen ganze Landstriche, die Gegner lustwandelten durchs Mittelfeld wie über die mondäne Flaniermeile der Kings Road in unmittelbarer Nachbarschaft von Chelseas Vereinsheim. 

Zur Not geht es ohne Lampard weiter

Meisterschaftstauglich dürfte die insgesamt weiter sehr junge Mannschaft deswegen noch nicht ganz sein, aber das dringlichere Ziel ist sowieso, den Abstand von zuletzt gut 30 Punkten auf die Titelträger deutlich zu verringern. Lampard muss nicht Erster werden, nur eben deutlich besser, im Idealfall mit einer stringenten Ausrichtung und unterhaltsamen Darbietungen. "Ich genieße den Druck", versicherte er den Reportern.

Falls er es aber nicht schaffen sollte, das im europäischen Vergleich einzigartige Transfervolumen gewinnbringend auf den Platz zu bringen, stünde dem Vernehmen nach schon der nächste teure Zugang an: Der Name von Trainer Mauricio Pochettino, derzeit vereinslos, fällt rund um die Fulham Road sehr häufig. Chelsea scheint fest entschlossen, im Ernstfall auch ohne Lampard auf der Bank an dessen glorreiche Zeiten anzuknüpfen. 

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