
Boxing Day in England: Trainer unter Druck
Boxing Day in der Premier League Die englischsten Wochen
Jürgen Klopp ist noch dabei, sich mit den Gepflogenheiten des englischen Fußballs vertraut zu machen. "Wessen Idee war das denn, zwei Spiele im Halbfinale?", fragte der Trainer die anwesenden Journalisten Anfang Dezember. Sein FC Liverpool hatte gerade 6:1 in Southampton gewonnen und stand unter den besten Vier des Ligapokals. Dass es im Halbfinale dieses Wettbewerbs anders als in allen anderen Runden ein Hin- und Rückspiel gibt, schien Klopp zu verwundern.
Die vielen Spiele, die ein englisches Spitzenteam pro Saison bestreiten muss, sind neu für Klopp, und er lässt keine Gelegenheit aus, die hohe Belastung zu beklagen. Im Gespräch mit der BBC machte der Trainer das Fehlen einer Winterpause für die Schwäche der englischen Nationalelf und englischer Klubs in der Champions League verantwortlich. Dabei stehen Klopp die richtig harten Wochen erst bevor. Im extremsten Szenario muss Liverpool bis Ende März jede Woche zwei Spiele bestreiten - wenn das Team nicht aus einem der drei K.o.-Wettbewerbe Europa League, FA-Cup oder Ligapokal vorzeitig ausscheidet.
Die Wochen der Wahrheit beginnen am zweiten Weihnachtstag, dem Boxing Day, mit einem schweren Heimspiel gegen Leicester City (16 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE). Die Mannschaft von Trainer Claudio Ranieri ist die Sensation der Saison. Vor einem Jahr standen die Foxes zu Weihnachten auf dem letzten Tabellenplatz der Premier League. Jetzt ist das Team, in dem der frühere deutsche Nationalspieler Robert Huth zusammen mit den Ex-Bundesligaprofis Shinji Okazaki, Christian Fuchs und Mark Schwarzer spielt, Erster - vor allem dank der Tore von Jamie Vardy und Riyad Mahrez.
Bei Liverpool läuft es dagegen seit dem furiosen 4:1-Sieg bei Manchester City und dem 6:1 in Southampton nicht mehr rund. Gegen vermeintlich leichtere Gegner wie Newcastle United, FC Sion, West Bromwich Albion und Watford holte Liverpool nur noch zwei Punkte aus den jüngsten vier Spielen. Wie zuletzt in Dortmund tun auch Klopps Reds sich leichter damit, in den freien Raum zu kontern, als tief stehende Verteidigungsformationen aufzubrechen.
Das spricht nicht für einen Sieg gegen Leicester. Der Tabellenführer hat statistisch gesehen den drittgeringsten Ballbesitz der Liga (43,6 Prozent laut Opta) und die schlechteste Passerfolgsquote aller 20 Premier-League-Teams. Das klingt eher nach einem englischen Darmstadt 98 als nach einem Lieblingsgegner für Jürgen Klopp.
Arsenal: Endlich wieder ein Titelkandidat?
Sollte Leicester an der Anfield Road stolpern, könnte Arsenal am Abend mit einem Sieg in Southampton (20:45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) die Tabellenspitze übernehmen. Die Gunners scheinen in einer Saison, in der Titelverteidiger Chelsea und die beiden Topteams aus Manchester schwächeln, noch die besten Chancen auf den Meistertitel zu haben. Es wäre der erste seit 2004 für die Mannschaft von Trainer Arsène Wenger.
Einer der Gründe für Arsenals gute Saison ist die Form von Mesut Özil. Mit 15 Assists ist der Deutsche der mit großem Abstand beste Vorlagengeber in Europas großen fünf Ligen. Ein weiterer Faktor ist Arsenals neu gewonnene Stärke in Spitzenspielen, die die Gunners erst am Montag beim 2:1 gegen Manchester City unter Beweis stellten.
Chelsea: Hiddink-Debüt eine Frage der Stimmung
Guus Hiddink übernimmt zum zweiten Mal das Amt als Interimstrainer in Chelsea. Sein Debüt feiert der Niederländer mit einem Heimspiel gegen Überraschungsteam Watford. Der Aufsteiger aus dem Londoner Vorort liegt zehn Punkte vor dem Meister aus dem Londoner Zentrum. Spannend wird es vor allem sein, wie die Fans reagieren.
Beim ersten Spiel nach dem Rauswurf José Mourinhos, einem 3:1 gegen Sunderland, schien die gute Leistung der Mannschaft die Zuschauer in Rage zu bringen. Den Profis wurde mit Buhrufen und "Mourinho"-Sprechgesängen vorgeworfen, sie hätten zuvor gegen den Trainer gespielt. Bekommt die Mannschaft unter Hiddink eine neue Chance von den Anhängern? Bei nur drei Punkten Vorsprung auf einen Abstiegsplatz benötigen die Blues dringend eine verbesserte Atmosphäre an der Stamford Bridge.
Manchester United: Schicksalsspiel für Van Gaal?
Seit sechs Pflichtspielen hat Manchester United nicht mehr gewonnen. Auf die Gerüchte, José Mourinho könne Trainer Louis van Gaal ablösen, reagierte die Mannschaft mit einer Heimniederlage gegen Aufsteiger Norwich City. Dann forderte Van Gaal bei einer Pressekonferenz Journalisten auf, sich bei ihm zu entschuldigen - für Berichte darüber, dass sein Job in Gefahr sei.
Da Mourinho durchblicken lässt, an einem Engagement in Manchester interessiert zu sein, helfen Van Gaal jetzt nur noch Siege. Bei Stoke City (13:45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) erwartet United aber eine schwere Aufgabe. Die Elf von Mark Hughes hat erst vor drei Wochen Manchester City hochverdient 2:0 besiegt.