Rassismus im Fußball Thuram fordert weiße Spieler auf, das Feld zu verlassen

Lilian Thuram (Archivbild)
Foto:Michel Euler/ AP
Lilian Thuram beendete vor 13 Jahren seine mit Titeln geschmückte Fußball-Karriere. Doch er kämpft bis heute gegen Rassismus – und das weit über den Fußball hinaus. Als Vater und Berater von Mönchengladbachs Stürmer Marcus Thuram ist er seinem Sport ohnehin weiter verbunden und nutzt seine Stimme, um auf Veränderungen im Fußball und in der Gesellschaft zu drängen. In der britischen Tageszeitung »The Guardian« beschreibt Thuram, wer die Verantwortung übernehmen muss, um das Rassismusproblem ernsthaft anzugehen.
Es sei »an den weißen Spielern, die gewöhnlich in der Mehrheit sind«, auf Rassismus auf dem Feld zu reagieren, sagt Thuram, sie sollten sich weigern, weiterzuspielen. »Erst dann werden die Mächtigen dazu gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, denn sonst leidet ihr Geschäft.« Der Fußball-Weltverband Fifa hat die theoretische Möglichkeit geschaffen, bei rassistischen Vorfällen in Stadien Spiele abzubrechen. Doch dieses Werkzeug wird fast nie angewandt – obwohl Rassismus in vielen Ländern weiterhin an der Tagesordnung ist.
Am Freitag erschien Thurams jüngstes Buch »White Thinking: Behind the Mask of Racial Identity« auf dem englischsprachigen Markt. Lilian Thuram, 49, Welt- und Europameister mit Frankreich, fordert seine Leser, vor allem die weißen, dazu auf, tiefer über gesellschaftliche Strukturen und den Rassenbegriff nachzudenken. Fußball sei dabei nur ein Bereich.
Thuram sieht in Italien keine Verbesserungen
»Um uns verändern zu können, müssen wir uns über Kategorien erheben wie: Männer, Frauen, Schwarze, Weiße und so weiter«, sagt Thuram: »Wir müssen die Idee fördern, dass wir alle Menschen sind.« Die Minderheit müsse die notwendige Veränderung anstoßen, weil sich die Mehrheit in ihrer Gewohnheit eingelebt habe.
Ermutigende Beispiele für einen Wandel sieht Thuram in seinem Sport, unter anderem bei Jordan Henderson, Kapitän des FC Liverpool. »Wenn ich sehe, wie er sich gegen Rassismus positioniert, dann denke ich: Das ist fantastisch. Denn das bedeutet, dass er verstanden hat, dass ihn Rassismus auch betrifft«, sagt Thuram. Den Regierungen traut er die nötigen Maßnahmen kaum zu.
Ein Beispiel: »Als ich 1997 nach Italien gekommen bin, gab es rassistische Sprechchöre in den Stadien. Heute im Jahr 2021 gibt es immer noch rassistische Sprechchöre in den Stadien. Das bedeutet, die Behörden haben ihren Job nicht gemacht.« Daher sucht Thuram nach einer anderen Strategie. »Historisch gesehen sind es Individuen, die Systeme dazu zwingen, sich zu ändern«, sagt er.