Rassismus im italienischen Fußball Fifa-Chef Blatter rügt Boateng

Milan-Profi Boateng: Wechsel in eine andere Liga?
Foto: Daniel Dal Zennaro/ dpaHamburg - Der Hass nimmt kein Ende. Schon wieder ist bei einem Fußballspiel in Italien ein Spieler rassistisch angegriffen worden - nur wenige Tage nach den verbalen Attacken auf den AC-Mailand-Profi Kevin-Prince Boateng bei einem Testspiel gegen den Viertligisten Pro Patria. Boateng und seine Mitspieler hatten aus Protest gegen die Beleidigungen den Platz verlassen, inzwischen erwägt der in Berlin geborene Profi sogar einen Wechsel aus der Liga.
Diesmal kam es beim Serie-A-Spiel zwischen Lazio Rom, dem Verein des deutschen Nationalspielers Miroslav Klose, und Cagliari Calcio am Samstagabend zu Schmähgesängen aus den Reihen der Lazio-Ultras gegen den dunkelhäutigen Cagliari-Spieler Victor Ibarbo.
Ibarbo handelte anders als Boateng - er wollte den Platz nicht verlassen. Fifa-Präsident Joseph Blatter begrüßt dieses Verhalten und kritisiert Boateng. "Ich denke, dass ein Spieler nicht einfach vom Feld gehen kann, das ist nicht die Lösung", sagte der Weltverbands-Chef am Rande einer Veranstaltung in Dubai laut der in den Vereinigten Arabischen Emiraten erscheinenden Zeitung "The National". Sonst könne man schließlich bei einer drohenden Niederlage einfach vom Platz.
Die internationale Fußballer-Gewerkschaft Fifpro sieht das anders. Die Institution vertritt weltweit über 50.000 Profis. Fifpro-Mitarbeiter Tony Higgins ist entsetzt über die jüngsten Ausschreitungen und glaubt, dass Boateng richtig gehandelt hat. "Unsere Gewerkschaft unterstützt die Aktion von Kevin-Prince Boateng und seinen Mannschaftskameraden. Es ist schlimm, dass die Spieler den Platz aufgrund des Verhaltens einiger sogenannter Fans verlassen mussten. Die Spieler von Milan haben die eindeutige Botschaft ausgesendet: Wenn der Rassismus nicht aufhört, dann stoppt eben der Fußball", sagte Higgins der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Boateng und alle anderen Profis haben das Recht auf ein gewaltfreies Umfeld ohne Rassismus und andere Formen der Diskriminierung. "Würden wir es akzeptieren, wenn uns jemand bei der Arbeit ständig auf die übelste Weise beleidigen würde?", sagte der Gewerkschaftsmitarbeiter.
"Römischen Gruß" vor dem Ultra-Lager
Higgins ist nicht der einzige Fachmann, der auf ein deutliches Zeichen des italienischen Verbands hofft, um Rassismus künftig aus den Stadien zu verbannen. Denn immer wieder ist es in Italiens Fußballwelt zu rassistischen Anfeindungen gekommen. Dabei fallen immer wieder die Anhänger von Lazio auf:
• 2005 stellte sich Lazio-Kapitän Paolo di Canio nach dem 3:1-Sieg im Derby gegen den AS Rom vor die Kurve und zeigte inbrünstig den "römischen Gruß". Die faschistische Geste, dem Hitlergruß ähnlich, machte ihn beim Ultra-Lager der "Irriducibili" beliebt.
• 2007 wurde der damalige Werder-Bremen-Stürmer Boubacar Sanogo im Weserstadion von Lazio-Fans mit Affengeschrei verhöhnt. Als der Stadionsprecher vor Spielbeginn einen Aufruf gegen Rassismus verlas, reagierten die Lazio-Anhänger mit dem Hitlergruß.
• Im April 2009 wurde Inter-Mailand-Spieler Mario Balotelli im Pokal-Halbfinale gegen Juventus Turin von Anhängern des Gegners mit rassistischen Gesängen beleidigt. Daraufhin verurteilte ein Sportgericht des italienischen Verbands die Turiner, das Heimspiel gegen US Lecce unter Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen.
• Während der Europa-League-Partie gegen Tottenham im September 2012 wurden Jermain Defoe, Aaron Lennon und Andros Townsend von Lazio-Fans rassistisch beleidigt. Lazio-Tore werden von rechten Ultras schon mal mit "Duce, Duce"-Rufen gefeiert, mit dem sie den faschistischen Diktator Benito Mussolini hochleben lassen. Auch Hakenkreuzflaggen hissten sie schon.
Der Präsident des Fußballverbandes FIGC, Giancarlo Abete, hat bereits um ein Treffen mit Italiens Polizeichef Antonio Manganelli gebeten, um Maßnahmen gegen Rassismus in den Stadien zu erörtern. Abete will zudem die Zusammenarbeit zwischen Clubs und Sicherheitskräften verstärken. Zuletzt liegt es aber auch an den Fans selbst, gegen die Täter etwas zu unternehmen. Die Spieler des AC Mailand haben bereits ein Zeichen gesetzt.