
Investorenklubs in der Bundesliga: Von Bayer bis Red Bull
Leipzig und Hoffenheim in der Bundesliga Warum Tradition keine Zukunft hat
Der Albtraum für Fußballtraditionalisten ist schon nach wenigen Monaten Bundesligazugehörigkeit des Investorenklubs wahr geworden - RB Leipzig ist Tabellenführer der Bundesliga.
Und nicht nur das: Die TSG Hoffenheim ist wie Leipzig noch ungeschlagen in dieser Saison und liegt punktgleich mit einem Champions-League-Rang auf Platz fünf.
Wie ist das zu erklären? Hält sich doch gerade der deutsche Fußball viel auf die "50+1-Regel" zugute, die verhindern soll, dass Investoren die Stimmenmehrheit an Profivereinen erlangen können. Ein echter Schutz von Traditionsvereinen ist diese Regel aber ganz und gar nicht. Nur elf aktuelle Erstligisten haben vor 1993 schon einmal in der Bundesliga gespielt. In der Premier League trifft das auf 18 Klubs zu, in Spanien und Italien auf je 17, in Frankreich auf 16 (alle diese Ligen haben allerdings 20 Teilnehmer).
Mit anderen Worten: Keine andere große Liga in Europa hat in den letzten 25 Jahren so viele Traditionsklubs verloren wie die Bundesliga. Über dieses Thema wird ausgiebig diskutiert. Zwischen blindem Hass auf RB und seinen Geldgeber Dietrich Mateschitz bis hin zur Gegenposition, dass Tradition im Profifußball egal sei, hört man vieles. Selten aber eine plausible Erklärung für das Phänomen.
Es ist leichter, einen Verein zu führen, wenn niemand mitredet
Die Behauptung, in großen Vereinen wie dem Hamburger SV, dem VfB Stuttgart, Kaiserslautern oder Nürnberg werde "nicht so gut gearbeitet" wie in Leipzig oder Hoffenheim, mag in gewisser Weise zutreffen. Auch, weil es natürlich leichter ist, einen Profiklub zielgerichtet zu führen, wenn nur ein Mann letztlich alle Entscheidungen treffen kann, wie Dietmar Hopp in Hoffenheim, oder der ganze Verein weniger als 20 stimmberechtigte Mitglieder hat, wie RB Leipzig.
Aber weder Hoffenheim noch Leipzig sind nur mit Fleiß und guten Ideen in die Bundesliga gekommen, genauso wenig wie die Konzernklubs Wolfsburg und Bayer Leverkusen. Sondern mit viel Geld. Warum fließt dieses Geld in Deutschland so oft in die Taschen von Vereinen, die wenige Fans haben oder keine Tradition? Hier kommt die 50+1-Regel wieder ins Spiel. Genauer: die Ausnahmen von dieser Regel.
Das ist die 50+1-Regel:
Die Bundesliga ist ein profitabler Teil der Unterhaltungsindustrie. Damit soll nicht gesagt werden, dass sie nur das ist. Aber die Unterstützung der Fans und deren Treue zu ihren Vereinen lassen sich eben auch vermarkten. Mit dieser Popularität verdienen die Klubs und die Liga Geld. Daran wollen Investoren gerne teilhaben, egal, ob es Audi oder die Telekom beim FC Bayern sind oder Red Bull in Leipzig.
In England suchen sich Geldgeber bevorzugt Klubs mit großer Fanbasis für ihre Investitionen aus, denn diese versprechen die höchsten Einnahmen, sei es durch Kartenverkauf, Merchandising oder Fernsehrechte. Niemand hat dort ein Interesse daran, sein Geld an Leyton Orient zu geben statt an West Ham United. Im Ergebnis ist die Kommerzialisierung in der Premier League groß - aber die Liga ist spannend und ausgeglichen. Die sechs Klubs, die aktuell an der Spitze stehen, sind die sechs beliebtesten Teams der Liga, und sie waren es auch schon vor 30 Jahren.
In Deutschland dürfen Investoren Traditionsklubs nicht übernehmen. Anders bei Konzernen, die sich schon lange engagieren: Für Bayer und Volkswagen gelten in der Bundesliga Ausnahmeregelungen. Auch Hopp darf in Hoffenheim als Mogul auftreten, weil er den Dorfklub seines Herzens schon seit Anfang der Neunzigerjahre unterstützt. Red Bull wiederum hat mit der Übernahme des Provinzvereins SSV Markranstädt die Weichen für die Kontrolle eines Vereins schon jenseits des Geltungsbereichs der DFL gestellt.

Investorenklubs in der Bundesliga: Von Bayer bis Red Bull
Viele sehen den HSV-Investor Klaus-Michael Kühne als abschreckendes Beispiel für den Einfluss von Investoren. Seine mediale Präsenz ist sehr groß und möglicherweise schädlich für den Verein. Das alles aber ist durch keine 50+1-Regel der Welt zu verhindern, denn Kühne ist weit davon entfernt, 50 Prozent des HSV übernommen zu haben.
In der Praxis verhindert die 50+1-Regel Investitionen in den deutschen Profifußball nicht. Sie zwingt Geldgeber zu kreativen Modellen der Einflussnahme und bevorzugt deutsche Konzerne gegenüber Interessenten aus dem Ausland. Dass die Bundesliga in dieser Saison so spannend zu werden verspricht wie seit Jahren nicht, ist sicher positiv. Dass die Spannung ausgerechnet von den Investorenklubs erzeugt wird, ist kein Zufall, sondern logische Folge der Regularien der Liga. Wenn Hoffenheim, Leipzig und Leverkusen statt Schalke und Dortmund die Bundesliga in der Champions League vertreten und die Einschaltquoten des ZDF das reflektieren, sollte man sich daran erinnern.