RCD Mallorca Königliche Ballermänner

Jubelnde Real-Spieler: Noch Chancen auf die Champions League
Foto: ? Vincent West / Reuters/ REUTERSWilfried Schlüter sitzt vor dem Grand Café, gegenüber liegt der Yachthafen von Palma de Mallorca. Hier legt der Luxusliner von Juan Carlos an, wenn der spanische König sein Urlaubsdomizil bezieht. Der 66-jährige Schlüter hat sich die Insel einst als Tourismusexperte erschlossen, Ende der Sechziger. Zwanzig Jahre später ist er zurückgekehrt und für immer geblieben. Seither geht er auch zu den "Königlichen" ins Stadion.
Werner Heinecke, ein anderer Unruheständler, ist erst 2009 nach Mallorca gekommen. Der ehemalige Finanzkaufmann war schon immer Stadiongänger, jahrelang Dauerkartenbesitzer bei Werder Bremen. Er hat in der "Mallorca Zeitung" von dem Einfall gelesen, der Gründung des ersten deutschen Fanclubs von RCD Mallorca (Reial Club Deportiu). Weil der Spielplan Heimspiele gegen alle spanischen Spitzenclubs versprach, ist er spontan Mitglied geworden.
Nur wenig später saß der 63-Jährige zum ersten Mal auf der unüberdachten Gegentribüne im Stadion Son Moix, wo die deutsche Fraktion ihren eigenen Block zugeteilt bekam. Das war Ende Januar, es schneite auf Mallorca, und plötzlich stand der königliche Sportclub an der Schwelle zur Champions League.
Der Inselclub verschafft Spanien ein hochspannendes Saisonfinale - im Kampf um Platz vier. Für Mallorca ist die aktuelle Spielzeit schon jetzt ein grandioser Erfolg. Noch im Sommer 2009 umrankten Verkaufsgerüchte und Abstiegsängste die Elf. Ein Dreivierteljahr später wird nur noch darüber diskutiert, dass zu wenige Zuschauer kommen. Die Zuneigung zum Club ist nicht über die Jahrzehnte gewachsen wie anderswo, auf der Insel gibt es bis heute mehr Fans von Real Madrid und dem FC Barça.
Im Stadion Son Moix fehlt das Feuer
Dass der heimische Club im Stadion Son Moix zu Hause ist, 1999 eigens für die Studentenweltspiele Universiade erbaut, sorgt auch nicht gerade für Begeisterung. Selbst wenn es auf der Tribüne einen Funken gäbe, er könnte gar nicht überspringen. Schlüter sagt: "Mallorca gewinnt andauernd zu Hause, weil die Gegner einschlafen."
Die Fans sind zwar gut organisiert - es existieren 59 Fanclubs mit insgesamt 5000 Mitgliedern - aber die Luft brennt nicht. Der Zuschauerschnitt ist zuletzt von 14.000 auf 12.000 gefallen, eine Folge der Finanzkrise. So stellte sich irgendwann die Frage, wie man weitere Zuschauer anlocken könnte. 70.000 Deutsche leben mehr oder minder regelmäßig auf Mallorca, ganz zu schweigen von den Touristen. Ein unausgeschöpftes Potenzial. Das hat neuerdings auch die Clubführung erkannt: Präsident Tomeu Vidal begrüßte die neue Gemeinde eigenhändig. Der Fanclub sei ein Beweis für eine erfolgreiche Integration der Deutschen auf Mallorca: "Fühlt euch bei uns zu Hause."
Das einzige Problem: Noch kennt man sich selbst nicht so richtig im deutschen Fanclub. Beim Treffen im Grand Café tasten sich die beiden Exilanten vorsichtig ab, wie das sonst zwei Mannschaften in den ersten Minuten eines Endspiels tun. Neulich gab es eine gemeinsame Stadionführung, mit dem Präsidenten. "Hast du die Fotos auf der Homepage gesehen?", fragt Heinecke sein Gegenüber.
Der "Klempner" versprach die Champions League
Sollte RCD irgendwann eine Chronik planen, Schlüter könnte sie aus dem Gedächtnis aufschreiben. Er weiß sogar, dass David Aouate, der Stammtorwart, in Nazareth geboren wurde. Ein Torwart, der aus Nazareth stammt und der auch noch so aussieht, dass er in jedem Jesus-Film mitspielen könnte. Was soll da noch schiefgehen? In Wirklichkeit ist einiges schiefgegangen in den vergangenen Jahren. Und immer wieder landet man beim "Plumber".
Kaum jemand kennt seinen richtigen Namen, aber sobald der englische Begriff für Klempner fällt, weiß jeder Bescheid. "Paul Davidson kauft Real Mallorca", verkündete im Sommer 2008 die englische Tageszeitung "Daily Telegraph". Der Pipeline-Unternehmer erklärte freimütig, nichts von Fußball zu verstehen und verlieh dieser Erklärung sogleich Glaubwürdigkeit, indem er den Gewinn der Champions League versprach.
Schuldenkönig von der anderen Insel
Für einige Wochen war er der Heilsbringer, die Kaufsumme wurde auf über 50 Millionen Euro beziffert. Was von Davidson blieb, waren Geschichten über legendäre Weinproben - und sein Spitzname. "Blender" hätte deutlich besser gepasst. Ein Käufer wird auch im Sommer wieder gesucht werden, aber wer investiert in einen Club, der 50 Millionen Euro Schulden hat?
Neun Jahre ist es her, dass Mallorca mit seinem Trainer Hector Cuper in der Champions League spielte. Unbemerkt von der restlichen Welt gewann man am 11. September 2001 1:0 gegen den FC Arsenal aus London. Dass es bessere Zeiten gab, davon zeugt das vereinseigene Museum. Es ist im Stadionbauch angesiedelt, in der Mitte stehen surreal große Pokale. In Glasvitrinen wird die Historie erzählt.
Dass es eine ganze Weile nicht nach Wunsch lief, erkennt man auch daran, dass das letzte Schild lediglich die Jahre "2000 - 2004" ausweist. Was danach geschah, hat man einfach weggelassen. Die vergangenen Jahre einfach aus der Erinnerung tilgen, das würden auch gerne Pedro Ferrer und Felipe Pou Mir. Wenn das so einfach wäre. Sie sind die obersten Fanvertreter von der Urlaubsinsel. Und sehen aus wie Geschäftsleute, die ihre Firma für zwei Stunden alleine gelassen haben, weil die Geschäfte auch ohne sie laufen.
Applaus in jedem Spiel - nach 14 Minuten
In der Stadionbar fließt der Café con Leche nicht nur vor Heimspielen in Strömen. Die beiden Edelfans erzählen wie kleine Jungen von ihren wildesten Touren mit ihrer großen Liebe, davon, wie sie 1991 drei Tage nicht geschlafen haben, um ein 17 Meter mal 1,80 Meter großes Banner fertig zu stellen.
Später, im Stadion, stößt Xavi Abril von den "Mallorca Ultras Fondo Norte" zu ihnen, spieltags der Mann mit dem Mikrofon in der Kurve, heute ebenfalls im Businessanzug. Irgendwie ist alles etwas anders auf Mallorca, selbst die Ultras sind smarte Erscheinungen. Eines der schönsten Stadionrituale wurde kürzlich via Facebook ins Leben gerufen. Nach dem Sieg gegen Valladolid, der den 40. Punkt der Saison brachte, galt als gesichert, dass man 14 Jahre ununterbrochen in der Primera Divisíon bleiben würde. Seither klatscht das ganze Stadion jeweils in der 14. Minute eines jeden Heimspiels - eine Minute lang.
Lesen Sie im zweiten Teil: Warum die Spielergehälter bei RCD in der Zeitung standen, welcher Weltklasse-Stürmer einst auf der Balearen-Insel kickte und warum das Team dringend einen deutschen Leistungsträger braucht.