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Real-Legende Raúl: Auf Schalke statt im Bernabéu

Foto: SUSANA VERA/ REUTERS

Real-Star Raúl zu Schalke Ein Galaktischer greift nach den Sternen

Trotz Ballack, van Nistelrooy und Robben - den größten Star der Bundesliga hat sich der FC Schalke 04 geangelt. Raúl, die Ikone von Real Madrid, wechselt nach Gelsenkirchen. Ob er die Schalker sportlich weiterbringt, ist fraglich - doch der Spanier scheint es wirklich noch mal wissen zu wollen.

Wenn man so will, ist Raúl González Blanco, kurz Raúl, in seinem bisherigen Leben noch nicht besonders viel herumgekommen. Er ist vor 33 Jahren in Madrid geboren, er ist dort aufgewachsen, mit 13 hat er bei Atlético Madrid angefangen, relativ ernsthaft Fußball zu spielen, mit 15 wechselte er zum Stadtrivalen Real. Dort hat er bis heute gespielt. Jetzt, im Herbst seiner Karriere, hat er sich zu seinem ersten Auslandsaufenthalt entschieden. Raúl verlässt Madrid, die Stadt des Prado, und er geht nach Gelsenkirchen, die Stadt, die eine Modellbahndauerausstellung zu ihren größten Sehenswürdigkeiten zählt.

Vor zwei, drei Jahren wäre das ein Sensationstransfer gewesen, mehr noch: Es wäre undenkbar gewesen. Mittlerweile nimmt die Bundesliga einen solchen Wechsel ohne Überhitzung wohlwollend zur Kenntnis. Der Marktwert der Liga macht den nächsten Quantensprung.

Raúl auf Schalke - ein bisschen klingt das immer noch so, als würde Paul McCartney in der Altenbekener Schützenhalle auftreten oder Barack Obama für den Kreistag von Schaumburg-Lippe kandidieren. Der Mann hat dreimal die Champions League mit Real gewonnen, er hat in 132 Champions-League-Spielen 66 Tore geschossen, so viel wie niemand sonst auf der Welt, er hat 44 Tore für die spanische Nationalelf erzielt, das hat vor und nach ihm auch noch keiner geschafft, er hat bei drei WM-Turnieren nacheinander jeweils getroffen, er hat mehr als 500 Pflichtspiele in der Primera Division absolviert, er hat mehr Tore für Real gemacht als der große Alfredo di Stefano, er hat zweimal den Weltpokal geholt, ist sechsfacher spanischer Meister, er war der Welttorjäger 1999, und fünfmal Spaniens Fußballer des Jahres.

Bei Real nur noch auf der Ersatzbank

Nach Raúl ist in seiner Heimat ein Stadion benannt. Leverkusens Trainer Jupp Heynckes, der ihn Ende der Neunziger als Real-Coach in seiner Mannschaft hatte, nennt ihn nur "das Genie".

Man muss das alles noch einmal aufzählen, um zu ermessen, wer da künftig neben den Schalker Jungprofis Lukas Schmitz, Joel Matip oder Christoph Moritz auf dem Platz stehen wird. Einer aus der Ruhmeshalle des Weltfußballs gibt sich die Ehre.

Man könnte die ganze Angelegenheit aber auch ganz anders lesen, nämlich so: Raúl ist mittlerweile 33 Jahre alt, er hat bei Real Madrid seit über einem Jahr keinen Stammplatz mehr, in die Nationalelf ist er seit 2008 nicht mehr berufen worden. Ein alternder Star, nicht mehr so schnell wie früher, nicht mehr so torgefährlich, nicht mehr so geistesgegenwärtig auf dem Platz. Bei Real hätte seine Karriere höchstwahrscheinlich als Bankdrücker geendet, auf Schalke dagegen dürfte selbst ein Felix Magath es nicht wagen, einen solchen Star auf die Reservebank zu verweisen - auch wenn es sich nach Raúls Leistungen vielleicht als angemessen erweisen würde.

Mit dem Transfer des Real-Stars betreten der FC Schalke und Felix Magath Neuland. In diese Dimension hat sich der Verein bisher nicht vorgewagt - und das in einer Situation, in der Schalke nach wie vor finanzielle Nöte hat. Das Kalkül ist klar: Raúl soll den Trikotverkauf neuen Größenordnungen zuführen, sein Name Sponsoren anlocken - und möglichst den Verein auch sportlich weiterbringen.

Raúl war immer ein Musterprofi

Zumindest zwischenmenschlich scheint das Risiko begrenzt. Raúl und Magath - das könnte funktionieren. Mit dem Spanier kauft sich Schalke einen Superstar, dem man das nicht anmerkt. Andere provozieren Sexskandale - Raúl ist seit zwölf Jahren geräuschlos verheiratet, er hat fünf Kinder, lebt ein Privatleben am Rande der öffentlichen Aufmerksamkeit. Andere lassen in Etablissements die Korken knallen - Raúl geht lieber spazieren. So einen dürfte Magath schätzen.

Von den Galaktischen, die sich Real Madrid vor zehn Jahren gönnte, war er derjenige, der auf dem Boden blieb. Es hat etwas Paradoxes, dass einer wie Raúl ausgerechnet bei dem Club zum Helden aufstieg, der mehr als jeder andere auf der Welt Show, Marketing und das ganz große Geld mit dem Fußball verknüpft. Raúl ist immer ein Musterprofi gewesen. Einer, der sich auf dem Feld so verausgabt, dass er "mehr als einmal nach dem Spiel zitternd wie ein Blatt im Wind war", wie sein Entdecker und Förderer Jorge Valdano es einmal ausgedrückt hat.

Der Spanier hätte es sich leichter machen können, als nach Gelsenkirchen zu gehen. Er hätte bei den Scheichs in Katar oder in der J-League in Japan ein letztes Mal kräftig absahnen können - mit relativ wenig Aufwand relativ viel Geld verdienen, sich zum Karriereende ein paar schöne lockere Jahre erlauben. Dass er den anderen Weg genommen hat, die Herausforderung Champions League annimmt und dabei auch das Risiko eingeht, seinen guten Namen eventuell zu beschädigen - all das spricht dafür, dass Raúl noch an sich und seine Fähigkeiten glaubt.

"Ich bin ein Fußballspieler, und ich will spielen, so lange ich kann und mein Körper es zulässt", hat er am Montag bei seinem tränenreichen Abschied von Real Madrid mitgeteilt. 5747 Tage war er ein Königlicher, hat die Sportzeitung "Marca" genau ausgerechnet. Für die nächsten 730 Tage wird er ein Königsblauer. Weiß zu Blau.

Die Bundesliga sollte sich sehr darüber freuen.

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