
Schalke vs. Dortmund: Randale auf Schalke
Revierderby BVB-Randalierer greifen gezielt Unbeteiligte an
Um 15.26 Uhr strömten sie in den Fanblock von Borussia Dortmund. Schwarz gekleidete Männer, mit Ski-Hauben vermummt. Sie gaben sich als Sympathisanten des BVB aus. Sekunden später knallte der erste Böller, Pyrotechnik brannte, Leuchtspurelemente wurden abgeschossen. Dunkler Rauch stieg in der Schalker Arena auf.
Selbst der herbeigeeilte Dortmunder Keeper Roman Weidenfeller konnte die Situation nicht beruhigen, stattdessen musste er einer auf sich zufliegenden Rakete ausweichen. Schiedsrichter Knut Kircher ließ die Mannschaften vom FC Schalke 04 und Borussia Dortmund wieder zurück in die Kabine laufen, das Spiel wurde unterbrochen, bevor es angefangen hatte.
Nun sind Revierderbys selten Kuschelveranstaltungen unter Verliebten, die Rivalität zwischen den beiden Teams führt immer wieder zu Zusammenstößen der beiden Fanlager. Auch beim Hinspiel in der vergangenen Saison kam es zu Scherereien, es gab Verletzte. Auch damals wurde Pyrotechnik im Stadion abgebrannt, allerdings von den Schalker Ultras. Und trotzdem hatten die Vorfälle beim aktuellen, dem 143. Revierderby, eine andere, abscheulichere Qualität. Denn diesmal wurden ganz gezielt Unbeteiligte angegriffen.
Böller flogen in die Sitzplatzbereiche
Die Leuchtspurelemente, die aus dem BVB-Block abgeschossen wurden, fielen nämlich in die Schalker Sitzplatzbereiche. Dort nehmen Familien mit Kindern, Frauen und Rentner Platz. Unbeteiligte, Wehrlose, die lediglich ein Fußballspiel verfolgen wollen. Es ist schon obskur genug, dass Hooligans, aber auch einzelne Ultra-Gruppen, untereinander eine Art Kampfauftrag beim Fußball ausführen, sich gegenseitig quer durch die Stadt jagen, um einen Schal oder ein Trikot des Gegners zu erprügeln.
Dass diese Gewalt sich nun auch gegen normale Fans richtet, hinterlässt mehr als ein Kopfschütteln: "Mich hat das Verhalten unserer Fans extrem geärgert. Ich habe mich dafür schon beim FC Schalke 04 entschuldigt. Für so ein Verhalten muss man sich schämen, das geht gar nicht", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Er kündigte Konsequenzen gegen die Randalierer an: "Das waren heute nicht nur ein paar einzelne. Aber wir kennen die Rädelsführer, wir werden rigoros gegen sie vorgehen."
Watzkes Schalker Kollege, Manager Horst Heldt, sah eine "neue Dimension" der Randale. "Wie kann man nur auf diese Weise auf Unbeteiligte losgehen?", fragte Heldt. Nachdem die Pyrotechnik im BVB-Block restlos abgefeuert wurde, schlugen die Vermummten die Bereichssicherung, ein dickes Sicherheitsglas, mit kleinen Hämmern ein. Dadurch verschafften sich die Krawallmacher einen Zugang zu anderen Blöcken und versuchten vereinzelt in die Schalker Sitzblockbereiche einzudringen. Die Polizei musste einschreiten und die Lager voneinander trennen.
Gruppe fiel wohl schon am Mittag auf
"Wir gehen davon aus, dass die Dortmunder die Schalker Fans angreifen und deshalb in die anderen Blöcke eindringen wollten", sagte Polizeisprecher Johannes Schäfers SPIEGEL ONLINE. Der Gelsenkirchener Polizei war die vermummte Gruppe nicht unbekannt: "Es könnte sich um die Personen handeln, die wir bereits am Nachmittag in Essen kontrollierten", sagte Schäfers. Dies wäre auch eine Erklärung dafür, warum die Gruppe erst so spät im Stadion eintraf.
Die knapp 400 Dortmunder versuchten bereits Stunden vor dem Spiel außerhalb der angebotenen Sonderzüge auf eigene Faust über einen Bahnhof in Essen zum Schalker Stadion zu gelangen. Sie liefen dabei über Gleise, zwangen einen Zug ohne ersichtlichen Grund zum Nothalt. Die Polizei kontrollierte die Personalausweise und brachte die Randalierer anschließend mit Sonderbussen ins Stadion. Für ein dauerhaftes Festhalten der Gruppe über das Spiel hinaus hat es laut Schäfers keinen "ausreichenden und personell klar zuzuordnenden Tatgrund" gegeben.
Die Polizei informierte den Schalker Ordnungsdienst darüber, dass die Gruppe möglicherweise Pyrotechnik bei sich trage, "aber unsere Appelle sind nicht erhört worden", sagte Schäfers. Stattdessen durfte die Gruppe sich im Stadion vermummen und ihr verqueres Pyrotechnikfestival offen zur Schau tragen.
Für Fanvertreter, die immer wieder mit dem Slogan "Fußballfans sind keine Verbrecher" durch die Lande ziehen und sogenannte "Nacktzelte" oder andere strikte Repressionen verhindern wollen, wird es nach solchen Vorkommnissen nicht leichter. Dass eine solch subversive Gruppe, über die ein Dortmunder Ultra auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE sagte, dass "wir etliche dieser Typen noch nie im Stadion gesehen haben", nun zu einem Problem für eine gesamte Fankultur wird, ist anzunehmen.
Etliche Diskussionen, wie die über striktere Maßnahmen zur Pyrotechnik, über das Verbot von Stehplätzen oder den Ruf nach einem erhöhten Polizeiaufgebot, könnten nun wieder neu aufgerollt werden. Und das trifft dann auch Fans wie die restlichen mehr als 60.000, die das Spiel friedlich verfolgt haben.