Barcelona gegen Bayern Batman begins
Der Himmel war grau geworden am Dienstagabend über Camp Nou, der knapp 100.000 Zuschauer fassenden, fast 60 Jahre alten Betonschüssel mitten in Barcelonas Universitätsstadtteil Les Corts. Kühler Wind pfiff durch die riesige Arena, in der sich der FC Barcelona und Bayern München zum ersten Akt des Champions-League-Halbfinales treffen. Und Robert Lewandowski trug schwarz: schwarzes Trikot, schwarze Maske. Die Konstruktion, die seine Nase, die Wangen und die Stirn bedeckte sowie ovale Öffnungen für die Augen ließ, hätte auch Batman gut zu Gesicht gestanden.
Jedenfalls, und das war die wichtigste Nachricht für Bayern-Trainer Josep Guardiola, trainierte Lewandowski samt dieser Maske mit den Kollegen. Er bildete beim Kurzpass-Spielchen einen Kreis mit Thomas Müller, Philipp Lahm, Jérôme Boateng und anderen, ließ den Ball zirkulieren, und wenn er den verlor und in die Mitte musste, versuchte er feurig, ihn zurückzuerobern. Schmerzen, die ihn zu sehr behindern würden, schien der Bayern-Stürmer nicht zu haben. Es deutet also tatsächlich vieles daraufhin, dass er am Mittwochabend spielen kann (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE).
Vor einer Woche hätte noch kaum jemand geglaubt, dass Lewandowski überhaupt mitfliegen kann nach Katalonien. Oberkieferbruch, Nasenbeinbruch, Gehirnerschütterung, so lautete die niederschmetternde Diagnose, nachdem der 26-Jährige im DFB-Pokal-Halbfinale mit Dortmunds Torwart Mitchell Langerak zusammengeprallt war.
Die Bayern sehen sich als angeschlagene Boxer
Doch schnell inszenierte der polnische Nationalspieler seine Rückkehr. "Bereit für die nächste Herausforderung!", twitterte Lewandowski am Sonntag und stellte ein düsteres Maskenbild dazu. Am Montag postete er nach dem Abschlusstraining in München dann ein Foto von sich auf dem Platz. Und schrieb, frei nach Arnold Schwarzenegger: "I'm back".
Lewandowski und die Bayern wollen seine schnelle Rückkehr auch als Signal verstanden wissen, als Menetekel für Barcelona. Sie sehen sich längst als angeschlagene Boxer, die trotz der Verletzten auch dem Favoriten - und nichts anderes ist der spanische Klub in diesem Duell - gefährlich werden können.

Aussagen wie die von Barcelonas Superstar Lionel Messi, für den das Lazarett "keine Ausrede" sei, ärgern sie maßlos. "Ich habe mich niemals über das Verletzungspech beschwert. Mit unseren 13, 14 Spielern, die wir haben, werden wir dieses Halbfinale spielen. Anders geht es nicht", sagte Guardiola am Dienstag im völlig überfüllten Presse-Auditorium des Camp Nou.
Lewandowski wird derzeit dringend gebraucht
Umso wichtiger ist für ihn der Einsatz Lewandowskis, der bei seinem neuen Verein zuletzt zu immer besserer Form gefunden hat. In bislang 44 Saisonspielen hat er bislang 23-mal getroffen, auch die Torjäger-Kanone in der Bundesliga ist für ihn noch erreichbar. "Dass Lewandowski in diesem Spiel unbedingt spielen soll und hoffentlich auch kann, ist Voraussetzung, dass wir mit einer adäquaten Mannschaft auflaufen können", sagte Bayern-Präsident Karl Hopfner bereits vor dem Abflug. Vor einem halben Jahr, als Lewandowski noch nicht ins Münchner System hineingefunden hatte, hätte Hopfner eine solche Lobeshymne nicht gesungen.
Guardiola braucht Lewandowski, als Stürmer, aber auch als Balleroberer und -verteidiger im Gegenpressing, der er oft genug war. "Das ist ein Spiel, in dem es nur um den Ballbesitz geht", sagte der Bayern-Coach, das gilt auch für Lewandowski. Doch ihn erwarten zugleich beinharte Verteidiger: Der Argentinier Javier Mascherano hat schon Bastian Schweinsteiger im WM-Finale von Rio übel malträtiert, der Spanier Gerard Piqué gilt als überaus robust.
Die Bayern machen kein Geheimnis daraus, dass sie Lewandowski trotz dieser Gefahren gerne auf dem Platz sehen wollen. In einer Mannschaft, der neben Arjen Robben, Franck Ribéry und David Alaba jetzt auch noch Sebastian Rode wegen eines Muskelfaserrisses fehlen wird. "Robert kennt seinen Körper und weiß, inwieweit er da ein Risiko eingeht", sagte Bayern-Torwart Manuel Neuer.
Guardiola wollte sich zwar vor dem Abendtraining am Dienstag noch nicht festlegen, aber er klang auf der Pressekonferenz nicht allzu pessimistisch bezüglich der Einsatzfähigkeit Lewandowskis: "Gestern hat er trainiert, heute will er trainieren, nach dem Training will und werde ich mit ihm sprechen. Ich will wissen, wie er sich mit der Maske fühlt. Ich brauche Spieler, die zu 100 Prozent fit sind. Wenn er fit ist, wird er spielen." Und wenn ein paar Prozent fehlen? Vermutlich auch dann. Batman hat sich noch nie sonderlich um sein eigenes Wohl geschert.