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Trainer-Aus in Leverkusen: About Schmidt

Foto: Martin Rose/ Bongarts/Getty Images

Schmidt-Aus in Leverkusen Verloren

Leverkusen hat sich von Roger Schmidt getrennt. Kritiker nannten ihn arrogant und seinen Fußball zu riskant. Doch sein eigentliches Problem war der schleichende Verlust der eigenen Spielidee.

Als das Spiel im Dortmunder Stadion angepfiffen wurde, kamen Leverkusens Profis über den BVB wie eine rote Walze. Im Vollsprint stürmten sie vorwärts, es dauerte neun Sekunden, bis sie das erste Mal jubeln durften. Das Team von Trainer Roger Schmidt hatte bei seiner Bundesliga-Premiere das schnellste Tor der Ligageschichte erzielt, und als Zuschauer ahnte man: Hier entsteht etwas Neues, radikaler als alles, was Fußballfans für gewöhnlich zu sehen bekommen. Das war im August 2014.

Das Dortmunder Stadion am vergangenen Samstag, diesmal sind es Leverkusens Spieler, die überrannt werden. Die Mannschaft, deren oberstes Ziel es stets war, den Gegner vom eigenen Tor fernzuhalten, ließ 20 Schüsse zu, am Ende verliert sie 2:6, und als Zuschauer ahnte man: Hier geht womöglich gerade etwas zu Ende.

Die Niederlage gegen den BVB war für Bayer die dritte in Folge, für Roger Schmidt war es die letzte als Trainer des Klubs. Mittlerweile hat Leverkusen die Trennung von Schmidt bekannt gegeben. "Wir mussten jetzt handeln, wenn wir unsere Ziele nicht vollends aus den Augen verlieren wollen", ließ Sportchef Rudi Völler mitteilen. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.

Vom Jagdfußball von einst ist wenig geblieben

Um die Gründe für Schmidts Aus zu verstehen, ist es wichtig, sich das Bayer Leverkusen von 2014 in Erinnerung zu rufen. Denn jener Fußball von damals ist heute nahezu verschwunden. Auch wenn Roger Schmidt stets abstreitet, dass seine Mannschaft die Intensität aus seiner Anfangszeit verloren habe: Vom Jagdfußball von einst ist wenig geblieben.

Womöglich ist genau das der eigentliche Grund, warum Schmidt nun gehen musste. Denn die Abkehr geht einher mit der sportlichen Krise. Elf Bundesliganiederlagen kassierte Leverkusen bislang, das gab es zuletzt vor 14 Jahren. Nach 23 Spieltagen hat Bayer 38 Gegentore kassiert und damit eines mehr als in Schmidts gesamter Debütsaison.

Schmidt, 49, bot in seiner etwas mehr als zweieinhalbjährigen Amtszeit eine gewaltige Angriffsfläche für seine Kritiker. Seine Art wurde oft als herablassend wahrgenommen. Er attackierte die Kollegen Stöger aus Köln ("So könnte ich nicht Fußball spielen, dann wäre ich kein Trainer") und Nagelsmann aus Hoffenheim ("Was bist du denn für ein Spinner? Halt doch einfach mal die Schnauze"), es kam zu Spannungen zwischen ihm und einigen lokalen Medienvertretern, und mit seiner Weigerung, einem Schiedsrichter-Verweis auf die Tribüne zu folgen, sorgte er 2016 für einen Eklat.

Was blieb, war das Sportliche. Schmidts Erfolg war sein Schutzschild. Zwar bekam dieser Risse, etwa wenn sich das Team an unterlegenen Gegnern die Zähne ausbiss. Doch Schmidt gelang es immer wieder, sie zu kitten, ehe es zerbarst. Der Coach schaffte es, sich und seine Mannschaft auf das Wesentliche zu besinnen: den Gegner anlaufen, Bälle gewinnen, kontern.

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Trainer-Aus in Leverkusen: About Schmidt

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Als Schmidt wegen des Platzverweis-Eklats gesperrt wurde, holte Bayer ohne ihn nur einen Punkt aus drei Partien. Das war im März 2016. Nachdem Schmidt zurückgekehrt war, gewann Leverkusen sieben Bundesligaspiele in Folge. Ein Jahr zuvor, im Februar 2015, hatte Schmidt seine erste Bayer-Krise erlebt - und wieder eine Serie mit sieben Ligasiegen folgen lassen. In seinen schwersten Momenten schaffte er ein Comeback, in beiden Spielzeiten führte er das Team in die Champions League.

Auch dieses Jahr durchlief Leverkusen seine Krise, wieder schien es, als gelänge Schmidt der erneute Turnaround. Dann folgte der Einbruch mit zwölf Gegentoren in drei Spielen.

Bleibt die Frage nach dem Warum. Hat Schmidt seinen Stil bewusst entschleunigt, um der Belastung gerecht zu werden, der sein Team als regelmäßiger Champions-League-Teilnehmer ausgesetzt ist? Hat sich seine Idee in Leverkusen abgenutzt? Ist sie womöglich sogar von den übrigen Bundesligisten entschlüsselt worden? Dagegen spricht, dass die Mannschaft der Stunde, RB Leipzig, mit exakt jenem Fußball brilliert, den Roger Schmidt in Leverkusen praktizieren lässt. Pardon, praktizieren ließ.

Es scheint, als habe die Mannschaft die Überzeugung von Schmidts Stil verloren. Dabei ist sie fundamental für den Erfolg. Schmidts Taktik verlangt seinen Spielern viel Courage ab: Für gewöhnlich wird Fußballern eingebläut, sie müssten nach Ballverlusten schnell zurück vor das eigene Tor, Schmidt fordert das Gegenteil. Geht der Ball verloren, müssen ausnahmslos alle vorwärts und Gegendruck ausüben, baut der Gegner das Spiel auf, wird er früh attackiert, denn der Ball soll so weit vom eigenen Tor ferngehalten werden wie möglich. Das erfordert absolutes Vertrauen in die Spielidee. Vertrauen, das offenbar in die Brüche gegangen ist.

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