Dortmunds Roman Bürki Das Ende einer fürchterlichen Arbeitswoche

Die Dortmunder Roman Bürki und Jude Bellingham sowie Gladbachs Alassane Pléa (von links)
Foto:UWE KRAFT / imago images/Uwe Kraft
In die Gladbacher Jubeltraube nahe dem Mittelkreis mischte sich nach Schlusspfiff auch jemand mit einem gelben Trikot. Für Manuel Akanji gab es zwar beileibe keinen Grund zu jubeln, aber er gesellte sich zu seinen Schweizer Landsleuten, von denen vier bei den Gladbachern zum Einsatz gekommen waren. Bei Borussia Dortmund waren es zwei, außer Akanji noch Roman Bürki – der jedoch verschwand sofort in der Kabine.
Für Bürki war es das Ende einer fürchterlichen Arbeitswoche, in der sich die Zahl der Gegentore jeweils verdoppelte: Dem 1:1 gegen Mainz folgte ein 1:2 bei Bayer Leverkusen, dann das 2:4 bei der anderen Borussia.
Bei seinen 16 Bundesligaeinsätzen in dieser Saison – zweimal hatte der Schweizer Lucien Favre den Schweizer Marwin Hitz aufgestellt – kassierte Bürki 26 Tore, zwei mehr als Arminia Bielefeld in der Hinserie.
Genügt Bürki den Ansprüchen?
Diese Zahlen sagen nur sehr bedingt etwas über die Qualität eines Torhüters aus. Bedenklicher ist schon, dass Bürki statistisch einen von drei Schüssen aufs Tor nicht hält. Da aber auch die Qualität von Chancen sehr unterschiedlich kann, sollten die Einzelfälle betrachtet werden. Doch auch diese sprechen in der vergangenen Woche nicht für ihn.
Gegen Mainz rauschte ein Weitschuss von Levin Öztunali ins Tor, und es stellte sich die Frage, ob der nicht zu halten war oder von anderen Keepern – die Referenz ist da Manuel Neuer – gehalten worden wäre. In Leverkusen stellte Bürki einen Saisonrekord an gehaltenen Schüssen auf, doch ist auch hier zu fragen, ob er nicht auch die beiden Treffer hätte verhindern können. In Gladbach wurde kritisiert, dass er beim ersten Tor seines Schweizer Landsmannes Nico Elvedi hätte versuchen müssen, die Freistoßflanke abzufangen. Bei Elvedis zweitem Tor gab es zwar auch wohlwollende Stimmen, die sagten, Bürki sei beim Freistoß vorher die Sicht versperrt worden. Möglich, ein Torwart von Borussia Dortmund muss die Situation dennoch besser klären.
Mehr denn je stellt sich nach dieser Woche die Frage, ob Bürki den Ansprüchen eines Vereins genügt, der jedes Jahr in der Champions League spielen will und dies unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten beinahe schon muss. Vor der vergangenen Saison hatten die Dortmunder sogar Ansprüche auf die Meisterschaft erhoben. In jene Zeit fielen auch die Unterschriften unter einen neuen Vertrag für Bürki, der bis Sommer 2023 gültig ist. »Damit ist eine wichtige Position langfristig und exzellent besetzt«, hatte Sportdirektor Michael Zorc gesagt.
Dass die Nummer Eins des BVB auch damals mit die schwächsten Werte bei abgewehrten Bällen im Vergleich zu allen Bundesligatorhütern aufwies, ignorierte der Verein.
Paraden, die staunen lassen
Manche Hochglanzspiele, wie sie auch in dieser Saison gelangen, etwa in der Champions League gegen Lazio Rom, überdeckten die Schwächen. Bürki fühlt sich wohl, wenn er knapp vor seiner Linie steht und Schüsse aus der Halbdistanz kommen. Dann kann er fliegen, reflexartig die Hände hochreißen. Dann gelingen Paraden, bei denen die Beobachter staunen.
Sobald er aus dem Tor heraus muss, sinkt die Qualität, auch weil er dabei häufig zögert. In dubio pro Torlinie.
Ein moderner Torhüter – als Referenz dient erneut Manuel Neuer – kann ein Libero und ein guter Spieleröffner sein. Bürki ist weder das eine noch das andere. Zwischen der Viererkette des BVB und dem Torwart ergibt sich in der Regel eine viel größere Fläche als bei den Bayern. So werden die Wege länger, um Steilpässe abzufangen, so wächst die Gefahr, dass der Gegner leicht hinter die Kette kommt.
Es gab eine Phase unter dem Trainer Thomas Tuchel, in der Bürki mutiger spielten sollte und das auch tat. In einem Spiel, in dem es wesentlich darum geht, Überzahlsituationen in Ballnähe herzustellen, ist ein starker Fußballer als Torwart enorm wichtig. Bürki spielt aber kaum mit. Meistens nimmt er Rückpässe entgegen, um den Ball ein paar Meter quer zu passen oder weit nach vorne. Die Chance, dass im offensiven Mittelfeld, das in Gladbach zunächst mit Julian Brandt, Marco Reus und Jadon Sancho gebildet wurde, Kopfballduelle gewonnen werden, sind gering. So enden die weiten Schläge oft als Fehlpass. Dem Aufbau beim BVB fehlt eine Komponente, über die andere Mannschaften, vor allem im internationalen Vergleich, verfügen.
Die Defizite können kompensiert werden, wenn die Defensive weitestgehend fehlerfrei bleibt und die Offensive – also Erling Haaland – trifft. In Kombination gibt es das beim BVB aber derzeit selten.