Fußball-Eklat in Sachsen Verband will keine "Nazis Raus!"-Shirts

Roter Stern Leipzig
Foto: twitter.com/RSL99Conrad Lippert ist schon seit einigen Jahren bei Roter Stern Leipzig aktiv. Dennoch ist der Pressesprecher und Sicherheitsbeauftragte des Vereins immer wieder überrascht, wie in Sachsen damit umgegangen wird, wenn rechtsextreme Fans pöbeln, beleidigen und gewalttätig werden. Nämlich genau so, wie nach den Vorkommnissen von Schildau am vergangenen Wochenende: Der gastgebende Verein will die Täter noch nie gesehen haben, der zuständige Sächsische Fußballverband (SFV) schweigt. Schiedsrichter Stefan Gärtner schreibt von "Provokationen" - meint dabei aber weder die Attacken noch die rechten Parolen, sondern ein Anti-Nazi-Bekenntnis auf den Shirts von Leipziger Fans.
Der Reihe nach: Beim Punktspiel der Landesklasse Nord zwischen dem TSV Schildau und Roter Stern stürmten nach dem 4:0-Auswärtssieg der Leipziger etwa 20 Zuschauer den Rasen und versuchten, zu den RSL-Fans zu gelangen. Der Ordnungsdienst hielt sie zurück. Während der Partie gab es nach Angaben von Roter Stern Rufe wie "Judensterne" und "Zeckenpack". Im Publikum standen Leute, die T-Shirts mit Aufdrucken wie "Juden Chemie", oder "White Aryan Resistance" ("Weißer Arischer Widerstand") trugen.
"Das Who-is-who der Naziszene"
Bei der von der Polizei eskortierten Abreise der RSL-Fans wurden drei Leipziger Fahrzeuge von Pflastersteinen und Flaschen getroffen. Auch hier soll es sich um Ortsfremde gehandelt haben, die zuvor nicht im Stadion waren, sagt Schildaus Präsident Uwe Tempel. Und die Rechten, die im Stadion waren, kenne vor Ort auch niemand. Darüber kann Lippert nur lachen. "Das war das Who-is-who der nordsächsischen Naziszene, die zum Teil schon bei vergangenen Partien gegen uns da waren. Und der TSV tut so, als seien da irgendwelche Aliens einem Ufo entstiegen."

Streit um T-Shirts "Nazis raus aus den Stadien"
Foto: Torgauer ZeitungWas Lippert infam findet, ist der Vorwurf, die Sterne-Fans seien selbst Schuld an den Vorkommnissen. Sie hätten sie durch das Tragen von Shirts mit dem Aufdruck "Nazis raus aus den Stadien" provoziert, die sie dann auf Geheiß der Polizei ausziehen mussten.
Tatsächlich war bei der Sicherheitsberatung im Vorfeld der Partie besprochen worden, wie man Eskalationen verhindern könne. Dass ein Leipziger Spielankündigungsplakat vom "braunen Hinterland" sprach und während der Partie auf einem Banner eine Star-Wars-Figur sagt: "Schildau - nirgendwo wirst du mehr Abschaum und Verkommenheit finden als hier", ärgert auch Lippert. "Blöde Vokabeln" seien das.
Um dieses Shirt geht's, in Kooperation mit @SVBabelsberg03 heute dabei: pic.twitter.com/q25kE5CJhs
— Roter Stern Leipzig (@RSL99) October 15, 2017
Auf dieses Plakat wurde auch Schiedsrichter Gärtner aufmerksam, der sich allerdings im Sonderbericht nur über den Anhang des RSL auslässt: "Die Spieler und Verantwortlichen trugen bei der Erwärmung T-Shirts mit dem Aufdruck 'Nazis Raus'. Eine Aktion extra für das Spiel in Schildau initiiert. Hier geht es nur um Provokation und das Aussenden politischer Statements. (..) Wir sollten alle um einen fairen menschlichen Umgang miteinander bemüht sein. Dieses Verhalten von RSL steht diesem Prinzip fundamental entgegen." Weder die rechten Provokationen noch der versuchte Platzsturm finden Erwähnung.
Aber sind Shirts, die sich "gegen Nazis im Stadion" aussprechen, eine Provokation? Und wenn ja, für wen? Uwe Tempel, der Vorsitzende des TSV Schildau, will sich auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE inzwischen nicht mehr zu den Vorfällen äußern. In der "Torgauer Zeitung" hatte er zuvor begrüßt , dass die T-Shirts ausgezogen werden mussten. Schließlich hätten sich durch die Aufschrift "wieder andere Zuschauer provoziert" gefühlt.
"Indem wir uns gegen Nazis positionieren, machen wir das, was der DFB von jedem Verein verlangt, was grundsätzlich von jedem*r zu erwarten ist", schreibt der Rote Stern und mahnt eine "grundsätzliche Positionierung des sächsischen Fußballverbandes zu dieser Problematik" an. "Wo selbst einfache T-Shirts mit dem Aufdruck "Nazis raus aus den Stadien" als Provokation aufgefasst werden, wo statt dessen Neonazis schalten und walten können, da läuft etwas grundsätzlich schief!"
Der Verband schweigt
Der SFV hatte bereits für Dienstag eine Stellungnahme angekündigt, doch die ist bislang nicht erfolgt, telefonisch war der Verband für Rückfragen nicht zu erreichen.
Dass der Fußball auch entschlossener reagieren kann, zeigen indes zwei andere Beispiele aus dem Süden der Republik. Nachdem in der Regionalliga Fans von Kickers Offenbach Anhänger des FSV Frankfurt mit antisemitischen Rufen ("Judenschweine") bedacht hatten, verurteilte OFC-Präsident Helmut Spahn die Rufe entschieden - aus eigenem Antrieb und sofort nach dem Spiel. Öffentlicher Druck war genauso wenig vonnöten wie bei einem Fall aus der Kreisliga C. Dort beleidigte im September ein Spieler des FV Ötigheim II seinen Gegenspieler vom VfB Gaggenau II mit den Worten "Heil Hitler, Scheiß Nigger", ein anderer Ötigheimer soll den Hitlergruß gezeigt haben.
Woraufhin gleich drei Personen reagierten. Der Gaggenauer Pressesprecher Gerd Pfrommer machte den Vorfall publik, ein ehemaliger Schiedsrichter, der im Publikum saß, stellte sich als Zeuge zur Verfügung - und der Ötigheimer Vorsitzende erklärte sofort, er werde die beiden Spieler suspendieren. Kurz darauf sperrte sie der Südbadische Fußballverband für neun Monate.