
Schalkes verpasster Titel 2001: Der Meister der Herzen
Reporterlegende Fuhrmann über Assauer "Ich würde ihm die Meisterschale gerne irgendwann mit nach oben bringen"
"Es ist zu Ende in Hamburg, Schalke ist Meister", verkündet Premiere-Reporter Rolf Fuhrmann am 19. Mai 2001 im Live-Interview mit Schalkes Sportmanager Andi Müller.
Das Problem: Das Spiel in Hamburg lief doch noch, und Patrik Andersson traf beim HSV in der vierten Minute der Nachspielzeit zum 1:1 für den FC Bayern. Der Rekordmeister sicherte sich im letzten Moment die Meisterschale, Schalke und Klubboss Rudi Assauer gingen leer aus.
Vier Minuten und 38 Sekunden dauerte die Meisterfeier im Parkstadion, aus der Schalker Meisterschaft wird die Meisterschaft der Herzen. Viele S04-Anhänger lagen sich weinend in den Armen. "Ich war nun der Reporter der Schmerzen", sagt Rolf Fuhrmann.
Der Moment begleitet Fuhrmann für den Rest seiner 25 Jahre langen Bundesliga-Reporterkarriere, die 1992 beim Pay-TV-Sender Premiere begann und 2017 bei Sky endete. Mittlerweile ist der 69-Jährige im Ruhestand. Zum Tod von Rudi Assauer erinnert sich Fuhrmann an den 19. Mai 2001 und den früheren Fußballmanager.

Rolf Fuhrmann im Jahr 2002
Foto: imagoDer Tod von Rudi Assauer bewegt mich. Er war ein Kind der Bundesliga, und ich berichtete seit 1992 über den Fußball. Ich habe Assauer immer als einen ganz besonderen Typen wahrgenommen. Er sagte, was er dachte. Er trank und rauchte, war ein Fuchs als Manager und ein toller Mensch, mit all den Schwächen und Fehlern, die wir alle haben. Man wusste immer ganz genau, woran man bei Assauer ist.
Die Szenen von 2001 gehen mir mit Assauers Tod wieder durch den Kopf, ehrlich gesagt, werde ich aber sowieso immer wieder darauf angesprochen. Damals war das Fernsehen noch nicht so weit, es gab noch nicht überall Kameras und Bildschirme. Ich hatte nur einen kleinen Monitor und bin zwei bis drei Minuten vor Abpfiff in die Interviewzone gegangen. Da habe ich natürlich gefragt, ist in Hamburg schon Schluss? Und man hörte von mehreren Seiten, dass in Hamburg Schluss ist.
Danach nahm das Drama seinen Lauf, die Nachricht von Schalkes vermeintlicher Meisterschaft sprach sich in Windeseile rum. Ich habe Assauer gesehen, er war ganz aus dem Häuschen, er freute sich für Schalke, aber ich hatte auch das Gefühl, er freute sich für das gesamte Ruhrgebiet.

Schalkes verpasster Titel 2001: Der Meister der Herzen
Die Fans stürmten den Platz, so etwas habe ich in meiner Reporterkarriere nie wieder erlebt. Unglaublich war das, am letzten Tag im Parkstadion. So ein Finale wird es in der Bundesligageschichte nie wieder geben: der Meisterjubel in Gelsenkirchen, die lange Nachspielzeit von Markus Merk in Hamburg, das Tor von Andersson, das so nie wieder erzielt worden ist.
Leider war es auch der tragischste Moment für einen Verein überhaupt.
Ich habe danach zwar keine Anfeindungen aus dem Schalker Lager vernommen. Ich glaube auch, dass Assauer mir bereits zur neuen Saison bei einem Zusammentreffen bei einem St.-Pauli-Spiel wieder verziehen hatte, allerdings haben wir nie wirklich darüber gesprochen. Ich fühle mich jedenfalls ein bisschen schuldig, dass es an diesem Tag nicht mit der Meisterschaft geklappt hat. Ich fühle mich gegenüber dem "Meister der Herzen" als "Reporter der Schmerzen".
Es wäre das i-Tüpfelchen auf Assauers Karriere, die Laufbahn wäre vollendet gewesen. Und es wäre das i-Tüpfelchen für so viele Schalker gewesen, die seit 1958 auf den Meistertitel warten. Das ist irre lange her für einen Verein, der in seiner Klubgeschichte einige Meisterschaften geholt hat.
Ich glaube, für viele hätte der 19. Mai 2001 eine Erlösung sein können. Damals war die Meisterschaft auch umkämpfter als heute, zumindest in der Breite: Werder Bremen, Stuttgart, Schalke und die Bayern - es konnten so viele Meister werden. Viele Schalker haben diesen Titelgewinn noch nie erlebt. Ich würde mir wünschen, dass sie sich und Schalke 04 den Traum von der Meisterschale noch erfüllen. Die ist man Assauer vielleicht auch schuldig, und ich würde sie ihm gerne irgendwann mit nach oben bringen.
Natürlich sind heute viele Spieler dabei, die Assauer nicht mehr so gut kennen. Aber sie alle werden schnell merken: Da ist ein ganz Großer gegangen. Vielleicht geht ein Ruck durch die Mannschaft. Kämpft, wenn ihr Schalker seid.