Football Leaks Rui Pinto bleibt im Gefängnis

Rui Pinto (Archivbild)
Foto: FERENC ISZA/ AFPDer Portugiese Rui Pinto muss sich vor Gericht dem Vorwurf stellen, 90 Straftaten begangen zu haben. Das hat die Ermittlungsrichterin Cláudia Pina in Lissabon bekanntgegeben. Sie reduzierte damit die Zahl der Anklagepunkte, nachdem die Staatsanwaltschaft Pinto zunächst 147 Straftaten zur Last gelegt hatte. Dem Kopf der Enthüllungsplattform Football Leaks wird versuchte Erpressung, Cyberkriminalität und der Verstoß gegen das Briefgeheimnis vorgeworfen. Pintos Anwalt erwartet den Prozessbeginn in "zwei bis drei Monaten". Pinto hat bereits angekündigt, sich im Verfahren zu den Vorwürfen äußern zu wollen.
In einem Vorverfahren hatten die Verteidiger und Ankläger erste Stellungnahmen zu den Vorwürfen abgegeben. Die Staatsanwaltschaft warf dem 31-Jährigen unter anderem vor, auf Mailserver eingebrochen zu sein und sensible Daten gestohlen zu haben. In ihrer Anklage zählte sie den Zugang zu jeder einzelnen E-Mailadresse auf den Servern als eigene Straftat und beschuldigte Pinto somit des unrechtmäßigen Zugangs in 74 Fällen.
Diese Zählweise lehnte die Richterin ab: Sie fasste den Zugriff auf E-Mailadressen des gleichen Servers zu einer Straftat zusammen, womit sich die Zahl der Anklagepunkte in diesem Delikt von 74 auf sechs reduzierte. Die übrigen 68 Fälle stufte sie auf einen milderen Straftatbestand herab. Zudem strich sie einige Anklagepunkte im Zusammenhang mit der Verletzung des Briefgeheimnisses.
Noch umfangreicheres Verfahren möglich
Laut der portugiesischen Zeitung "Sabado" ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits zu weiteren Hacking-Vorwürfen, die ein noch umfangreicheres Verfahren nach sich ziehen könnten. Damit konfrontiert, antwortete Pintos Anwalt Francisco Teixeira da Mota dem SPIEGEL, dass er zwar von diesen Ermittlungen wisse, aber noch keine genaue Kenntnis von deren Inhalt habe. Das Urteil vom Freitag wolle er noch formal überprüfen, doch mit der Reduzierung der Anklagepunkte zeigte er sich zufrieden.
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24.03.2023 09.40 Uhr
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Rui Pinto hatte dem SPIEGEL und dem Recherchenetzwerk European Investigative Collaborations (EIC) im Lauf mehrerer Jahre 3,4 Terabyte Datenmaterial überlassen. Mithilfe der Dokumente haben Journalisten europaweit mehr als 1000 Artikel veröffentlicht, die Straftaten und Regelbrüche im Profifußball aufdeckten. Die Folge der Enthüllungen waren Polizeirazzien in mehreren Ländern, Steuerprüfungen, Verbandssanktionen und die Verurteilung von Fußballstars wie unter anderem Cristiano Ronaldo und José Mourinho.
Pinto sitzt seit März 2019 in Untersuchungshaft. Sein Anwalt Teixeira da Mota kritisierte am Freitag die Haft als ungerechtfertigt. Die Richterin hat diese nun mit ihrer Entscheidung verlängert.
Richterin hält Pinto nicht für Whistleblower
Am schwersten wiegt beim Verfahren der Vorwurf der versuchten Erpressung. Bevor Pinto seine Daten europäischen Journalisten zur Verfügung gestellt hatte, hatte er 2015 eine hohe Geldsumme von der Sportvermarktungsagentur Doyen und ihrem Manager Nélio Lucas dafür verlangt, dass er Informationen über ihre Geschäfte nicht veröffentlichte. Lucas hatte sich daraufhin bei der Polizei gemeldet und war offenbar zum Schein auf Verhandlungen mit Pintos Anwalt eingegangen.
Vor Abschluss des Deals hatten sich Pinto und der Jurist zurückgezogen, ohne Geld erhalten zu haben. Pintos heutige Anwälte argumentieren, dass damit die Erpressung nicht vollzogen worden und Pinto von dem Versuch zurückgetreten sei.
Mit dem Prozess wird ein in Portugal beispielloses Verfahren beginnen. Denn Pintos Verteidiger bezeichnen ihren Klienten als Whistleblower, der im Gemeinwohl und unter einem hohen persönlichen Risiko gehandelt habe. Die Untersuchungsrichterin äußerte am Freitag auch ihre Meinung zu Pintos Status. Sie halte ihn nicht für einen Whistleblower, weil er nicht Mitarbeiter einer Firma war, deren Daten geleakt wurden. Zudem zeuge sein Erpressungsvorwurf nicht von guter Absicht.
Pinto betont stets, im öffentlichen Interesse und nicht aus Eigennutz gehandelt zu haben. Die Frage, ob Pinto ein Whistleblower ist oder nicht, könnte bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen.