Rui Pinto Football-Leaks-Informant meldet sich aus dem Gefängnis

Gegen Football-Leaks-Informant Rui Pinto wurde Anklage erhoben. Nun äußert er sich aus der U-Haft über Twitter. Er sieht sich als "eine Art politischer Gefangener" und attackiert die portugiesischen Behörden.
Rui Pinto im März 2019 in Budapest. Dort wurde der Football-Leaks-Informant verhaftet und an Portugal ausgeliefert

Rui Pinto im März 2019 in Budapest. Dort wurde der Football-Leaks-Informant verhaftet und an Portugal ausgeliefert

Foto: Ferenc Isza/ AFP

In einer Nachricht, die auf Rui Pintos Twitter-Account  erschien und deren Echtheit einer seiner Anwälte und auch Pintos Lebensgefährtin bestätigen, kritisiert der Football-Leaks-Informant die portugiesischen Ermittlungsbehörden in sehr scharfem Ton. Sich selbst bezeichnet Pinto als "eine Art politischen Gefangenen". Er würde zum Schweigen gebracht, es sei ihm verboten, mit Journalisten zu sprechen, schreibt Pinto, der derzeit in Untersuchungshaft sitzt.

Pinto bezichtigt die Strafverfolger in seinem Heimatland, an der Aufklärung von Finanz- und Korruptionsverbrechen nicht interessiert zu sein. Als Beispiel führt der 30-jährige Portugiese an, dass er der Ermittlungsbehörde DCIAP, einer Spezialeinheit zur Verfolgung schwerer Wirtschaftskriminalität, in den Jahren 2017 und 2018 über deren anonyme Whistleblower-Plattform zahlreiche Hinweise habe zukommen lassen. Doch es habe weder daraufhin noch aufgrund der Football-Leaks-Enthüllungen Ermittlungen in Portugal gegeben.

Den portugiesischen Behörden habe er, wie schon zuvor Frankreich und Belgien, eine Zusammenarbeit angeboten, behauptet Pinto in seinem Tweet. Doch die gegen ihn ermittelnde Staatsanwältin Patricia Barao würde sein Angebot zur Zusammenarbeit ausschließlich gegen ihn verwenden wollen. Verbrechen anderer würde sie nicht ermitteln.

Dauer der Untersuchungshaft wurde verlängert

Die Staatsanwaltschaft in ihrer jetzigen Form sei eine "Gefahr für das Gleichgewicht von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Portugal", schreibt Pinto weiter, "eine Art Staat im eigenen Staate, der nach der eigenen Logik 'ich will, kann und befehle' den Luxus hat zu entscheiden, gegen wen ermittelt wird und gegen wen nicht". Unbequeme Beweise würden ignoriert. Gegen diese "Verdorbenheit" habe er angekämpft, schreibt Pinto weiter, "und deshalb bin ich ein Ziel, das man schlachten muss". Vor Gericht werde er glücklicherweise "die ideale Bühne haben, um viel von dem zu erzählen, was ich weiß".

Pintos Äußerungen werden publik, nachdem ein Richter der Verlängerung seiner Untersuchungshaft um weitere drei Monate bis zum 23. Dezember zugestimmt hat. Der frühere Student der Geschichtswissenschaft sitzt in einer Einzelzelle in einer Polizeistation in Lissabon und hat keinen Kontakt zu anderen Inhaftierten. Der SPIEGEL hat mehrfach bei der portugiesischen Justiz darum gebeten, Pinto interviewen zu dürfen, alle Anfragen wurden abgelehnt. Bei einer Durchsuchung seiner Zelle sollen die Beamten zuletzt sogar Pintos Tagebuch beschlagnahmt haben.

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In der vorigen Woche hat die Generalstaatsanwaltschaft Lissabon Anklage gegen den Football-Leaks-Informanten erhoben. In ihrer fast 200 Seiten umfassenden Anklageschrift werfen die Ermittler Pinto Straftaten in 147 Fällen vor. Diese beinhalten unter anderem den Vorwurf der versuchten Erpressung, des illegalen Zugangs zu vertraulichen Daten sowie die Verletzung des Briefgeheimnisses. Pinto hat auf Anfrage des SPIEGEL immer bestritten, ein Hacker zu sein.

Bitte um Unterstützung der Vereinten Nationen

Die Vorwürfe in der Anklageschrift bezeichnen Pintos Anwälte William Bourdon und Francisco Teixeira da Mota als "Bestätigung für den Willen der Staatsanwaltschaft, Rui Pinto zum Schweigen zu bringen und zu zerstören". Die Anklageschrift enthalte "zahlreiche Lügen" und "Nichtigkeiten". Pintos Anwaltsteam hat nun bis zum 12. Oktober Zeit, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Anschließend wird ein Richter entscheiden, ob es zu einem Prozess kommen wird.

Als Reaktion auf die Anklage und die Verlängerung der Untersuchungshaft richtete Pintos Anwalt Bourdon am vorigen Dienstag einen Brief an David Kaye, den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen in Genf für den Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung, und bittet diesen um Unterstützung im Fall Pinto. Sein Mandant, schreibt Bourdon, würde von den portugiesischen Behörden "künstlich und zu Unrecht kriminalisiert, während jene, die Verantwortung für die durch die Football Leaks enthüllten Finanzverbrechen tragen sollten, unrechtmäßigen Schutz genießen".

Rui Pinto ist der Whistleblower, der dem SPIEGEL über 70 Millionen Dokumente aus der Fußballbranche zugespielt hat, eine Datenmenge von mehr als 3,4 Terabyte. Der SPIEGEL hat mit seinen Partnern des Recherchenetzwerks European Investigative Collaborations seither mehr als 800 Artikel auf der Grundlage des Football-Leaks-Datensatzes publiziert.

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